Skandal-Künstler Jeff Koons in Wien

Skandal-Künstler Jeff Koons in Wien
Jeff Koons besuchte das "KHM" und wurde über die Kunst befragt. Was der Provokateur zu sagen hatte.

Die zeitgenössische Kunst hält Einzug im Kunsthistorischen Museum (KHM) - oder, wie Generaldirektorin Sabine Haag es ausdrückte, im "Koons-Historischen Museum". Denn für den Auftakt zur neuen Reihe wurde gestern, Dienstag, Abend kein geringerer als der US-Künstler Jeff Koons in der Kuppelhalle des ehrwürdigen Baus befragt: Zu Alten und neuen Meistern, zum Sammeln, zur Produktion seiner Kunstwerke durch seine 120 Mitarbeiter, zu den absurd hohen Preisen für seine Werke - gerade im Angesicht der historischen Sammlungen. "Alles wird zu Staub", beschwichtigte der Künstlerfürst.

"Wenn ich mir heute einen Ehepartner aussuche, dann möchte ich jemanden, der Blut in den Adern hat." Koons, der stete Gentlemen mit dem gewaltigen Selbstbewusstsein, findet es nicht irritierend, dass für seine eigenen ironischen Arbeiten an der Grenze zum Kitsch das Vielfache ausgegeben wird, wie er selbst für einen Alten Meister zahlt.

Dabei war und ist er ein großer Liebhaber - und Sammler - alter Kunst. "Meine Frau und ich wollen unseren Kindern die Essenz von Kunst vermitteln - ihre Lieblingskünstler sind Alte Meister", erzählt er. Auch er selbst war schon als Kind fasziniert von den alten Gemälden, die er - seit er 8 oder 9 Jahre alt war - für die Ausstellungsräume im Möbelgeschäft seines Vaters kopierte.

120 Mitarbeiter arbeiten in seinem Studio

Skandal-Künstler Jeff Koons in Wien

"Das war das erste, in dem ich besser war, als meine drei Jahre ältere Schwester - die Kunst war also die erste Quelle meines Selbstbewusstseins." Heute legt Koons freilich nur noch selten selbst Hand an seine Werke - 120 Mitarbeiter arbeiten in seinem Studio, in Teams werden etwa acht Gemälde pro Jahr hergestellt, jeder Arbeitsschritt wird Koons zur Kontrolle vorgelegt. "Das ist ja eine enorme Industrie", stellte der Moderator und Kurator der Reihe, Jasper Sharp, fest. "Verlieren Sie da nicht ein bisschen den Bezug zu ihren Werken?" Eine bestimmte "Distanz" gebe es schon, so Koons. "Aber am Ende übernehme ich für jedes Detail die Verantwortung. Es muss so aussehen, als ob ich alles selbst gemacht hätte."

"Es geht um die große Geste. Und die ist meine Geste." Kritik wie jene des britischen Malers David Hockney an Damien Hirst, sich um das "Handwerk" der Kunst zu drücken, wollte er nicht geltenlassen. "Das Handwerk ist sehr wichtig. Aber es kann auch zum Fetisch werden." Dass seine frühen Arbeiten, an denen er alles "selbst" gemacht hat, irgendwann einmal höher bewertet würden als die Produkte seiner heutigen Firma - wie es auch bei Meistern wie Rubens und seiner "Werkstatt" der Fall ist - glaubt er nicht.

Vorbilder wie Venus von Willendorf

Vorbild und Inspiration sind ihm alte und sehr alte Kunstwerke allerdings auch motivisch. An die Venus von Willendorf ist nicht nur seine eigene Venus aus einem rosa Neonluftballon angelehnt, auch in anderen Skulpturen bezieht er sich explizit darauf. "Sie funktioniert so gut als Fruchtbarkeitssymbol, weil sie als Frau gesehen werden kann, aber man könnte ihre Form auch als männliches Glied interpretieren", erklärt er - und fühlt sich in solcher Bildsprache so richtig wohl. Wenn er sich ein Zeitalter aussuchen könnte, in dem er gerne als Künstler tätig gewesen wäre: "Das Neolithikum."

Und wo seine Kunst in 500 Jahren ausgestellt werden solle? "Umgeben von Ideen", sagt er. Denn auch hier, in diesem Haus voll mit bedeutenden Werken, "ist keine Kunst in irgendeinem der Objekte in diesem Gebäude. Die Kunst passiert erst in der Interaktion mit dem Betrachter." Dass er selbst auch bei alten Meistern Werke bevorzugt, in denen Körper, Sexualität und Sinnlichkeit im Vordergrund stehen, scheint da nur natürlich. "Da geht es um die primären Beziehungen. Darum, was es bedeutet, Mensch zu sein."

Für das KHM hat der gestrige Abend "ein neues Kapitel in der Geschichte des Museums aufgeschlagen", wie Sabine Haag betonte. In der neuen Reihe werden verschiedene Formate - wie Ausstellungen zeitgenössischer Kunst (die erste allerdings erst 2013 mit Lucian Freud), Ausstellungen, die von zeitgenössischen Künstlern kuratiert werden (wie im Herbst von Ed Ruscha), die Bespielung des Theseus-Tempels im Volksgarten sowie die Gesprächsreihe mit Künstlern, Kuratoren und Kritikern - angeboten.

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