Sicheritz-Film "Baumschlager": "Höchst positiver Culture-Clash"

"Baumschlager"
Regisseur Harald Sicheritz über seine österreichisch-israelische Koproduktion "Baumschlager".

Mindestens so interessant wie die Geschichte, die der neueste Kinostreich "Baumschlager" (ab Freitag im Kino) von Harald Sicheritz erzählt, ist deren Vorgeschichte: Vor vier Jahren zog Österreich – nach fast 40 Jahren Einsatz auf den Golanhöhen – seine Blauhelme von der UNO-Mission zwischen Syrien, Libanon und Israel ab. Die Gefährdung der österreichischen Soldaten sei auf ein "inakzeptables Maß angestiegen", hieß es damals, nachdem an der israelischen Grenze zwei Österreicher bei Auseinandersetzungen leicht verletzt worden waren.

Die vom Rückzug der österreichischen Blauhelme offenbar unangenehm überraschte UNO ließ Wien damals wissen, man hoffe, die österreichische Regierung sei sich bewusst, dass der frühzeitige Abzug negative Auswirkungen auf die Region haben würde. Soweit die damalige Faktenlage.

Ein Jahr später unterzeichneten Österreich und Israel ein neues Abkommen: Reinhold Mitterlehner, damals noch Wirtschaftsminister, einigte sich mit dem israelischen Botschafter Zvi Heifetz auf ein Koproduktionsabkommen zwischen der österreichischen und der israelischen Filmwirtschaft.

Inzwischen ist das erste Produkt dieser kulturellen Konspiration fertiggestellt und kommt in die Kinos. Thomas Stipsits spielt darin den österreichischen UNO-Soldaten "Baumschlager", der lieber Frauenheld als Blauhelm sein will.

KURIER: Sie sagen, dass die erste Fassung des Drehbuchs schon etwa zwei Jahre vor dem Abzug der österreichischen UNO-Soldaten entstand. Inzwischen hat sich die Lage im Nahen Osten zugespitzt. Haben Sie deshalb zunächst gezögert, sich den Konflikten in dieser Region in Form einer Komödie zu nähern?

Harald Sicheritz: Zuerst einmal möchte ich dazu sagen, dass ich mich nicht für einen Komödienregisseur halte. Im Gegenteil! Ich halte mich für jemanden, der großen Anteil an den tragischen Ereignissen und Entwicklungen dieser Welt nimmt, aber wahrscheinlich gerade deshalb von der heilsamen Wirkung des Humors überzeugt ist. Der jüdische Humor, dem ja die Tragik des Überlebenskampfes zugrunde liegt, ist dafür ein Beispiel. Kann sein, dass mir das Ostösterreicher-Sein dabei geholfen hat, denn der Wiener Humor kam ja ursprünglich aus dem Jüdischen. Und meine erfolgreichsten Komödien wie "Muttertag", "Hinterholz 8", oder auch die "Vorstadtweiber" sind bei näherem Hinsehen eigentlich keine Lustspiele, sondern Alltagstragödien, die unter die Lupe des Humors genommen werden.

Das klingt so, als wäre die Bezeichnung "Komödienregisseur" etwas Abwertendes. Ist das so für Sie?

Gute Komödien gehören für mich zu den Spitzenleistungen der Filmkunst. Aber es kommt mir schon so vor, dass man dafür so etwas wie eine Punze bekommt – nach 25 Berufsjahren kann ich das schon so sagen. Obwohl ich mich natürlich freue, dass Komödien wie "Muttertag" inzwischen fast so etwas wie Zeitgeschichte geworden sind. Kolleginnen und Kollegen, die sich in erster Linie ernsten Themen widmen, unterstelle ich ganz einfach einmal, dass sie vor der hohen Kunst der Komödie zurückscheuen, weil man damit viel offensichtlicher scheitern kann. Aber es wundert mich, dass in einem Land wie Österreich, das eine so hohe Humor-Kompetenz hat, Komödien ein Nischendasein fristen. Vielleicht, weil sie nicht in das zwänglerische Bild einer ernsten Kunstvorstellung passen.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie bei dieser ersten österreichisch-israelischen Koproduktion Regie geführt haben?

Ich habe das Drehbuch von Maayan Oz zugeschickt bekommen, und es hat mir gleich auf Anhieb gefallen. Und zwar deshalb, weil sie nicht die Geschichte eines Mannes mit drei, voreinander geheim gehaltenen Frauen erzählt, sondern von drei Frauen, die sich aus unterschiedlichen, durchaus selbstbewussten Gründen ein und denselben Mann halten. Und dann kam ich drauf, dass die Drehbuchautorin eine damals 28-jährige Vorzeigestudentin der israelischen Filmschule war.

Der Film läuft ja jetzt im Kino. Haben Sie schon Erfahrungen mit den Publikumsreaktionen?

Ich muss sagen, dass die Zuschauer auf die Gags in diesem Film gar nicht so sehr mit Gelächter, sondern mit Nachdenklichkeit reagieren. Sie sind alle total drangeblieben und haben mir nachher gesagt, dass sie viel über Israel erfahren hätten, was sie vorher gar nicht so genau wussten. Es würde mich sehr freuen, wenn dieser doch sehr ungewöhnliche Film von möglichst vielen Menschen gesehen wird.

Was macht für Sie diesen Film so ungewöhnlich?

Vor allem die der Geschichte zugrunde gelegte Fiktion, dass es in dieser Region Frieden geben könnte. Zumindest wird die zwischenmenschliche Handlung, die wir erzählen, nicht von Kriegshandlungen oder Feindseligkeiten gestört. Unser Film zeigt auf der israelischen wie auf der arabischen Seite Menschen, deren private Komplikationen sich nicht von unseren unterscheiden. Und weil wir vorher von "Baumschlager" als Komödie gesprochen haben, möchte ich noch einmal betonen: Der Film ist völlig Klamauk-frei – er ist nur bestimmt von einem humorvollen Blick auf schwierige Themen.

Wie sind Sie auf Thomas Stipsits als Hauptdarsteller gekommen. Spielte sein kabarettistischer Background eine Rolle?

Beim Thomas Stipsits war es so, dass er vom Typ her ganz genau jenen Typ eines UNO-Soldaten verkörpern kann, wie ihn die Menschen im Nahen Osten in Erinnerung haben. Es war geradezu atemberaubend zu sehen, wie er – obwohl der Abzug schon vor Jahren stattgefunden hat, in seiner Uniform als ganz alltäglich wahrgenommen wurde. Thomas Stipsits konnte diese Erfahrungen sehr gut beim Spielen seiner Rolle umsetzen – dabei hilft natürlich seine Erfahrung als Kabarettist.

Könnten Sie näher ausführen, wie man sich in Israel den typischen UNO-Soldaten vorstellt?

Als Schmarotzer, von der internationalen Gemeinschaft finanziert, von den Israelis und Libanesen zähneknirschend toleriert und mit einem hohen Anteil an Kleinkriminalität, der in der Wahrnehmung der Menschen dort sicher noch aufgebauscht wird – so wie es bei uns in kleinformatigen Zeitungen ja auch getan wird. Bei uns gibt es ja auch das Klischee vom "Schwarzen Drogendealer" – und dort ist eben der "UNO-Drogendealer" zu einem Klischee geworden, von dem ich vorher nichts wusste. Außerdem wird den UNO-Soldaten unterstellt, dass sie selbst gar nicht wüssten, warum sie eigentlich dort sind, und das auch gar nicht wissen wollen.

Wie war die Arbeit in Israel?

Man kann es vielleicht so ausdrücken: Es war für mich ein höchst positiver "Culture Clash", der uns wechselseitig befruchtet hat. Wir haben gemerkt, dass Israel auch ein Teil des Orients ist. Wir haben den Großteil unserer Zeit in Tel Aviv verbracht, und diese Stadt hat seit den Dreharbeiten mindestens 30 begeisterte Fans mehr – nämlich alle österreichischen Mitwirkenden an diesem Film. Wir sind natürlich durch das ganze Land gefahren, und es hat uns sehr positiv beeindruckt. Die Arbeit dort hat für alle das Völkerverständnis verstärkt. Das klingt jetzt pathetisch, aber es war so.

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