Sex, Drugs & Rock 'n' Roll im Altersheim

Sex, Drugs & Rock 'n' Roll im Altersheim
Kritik - Jimi ist tot, Janis ist tot und wir ... leben noch. In "Magic Afternoon" spielen Dolores Schmidinger und Hubsi Kramar zwei Alt-68er im Altersheim.

Dolores Schmidinger und Hubsi Kramar, zwei ausgewiesene Alt-68er, verhandelten seit Jahren miteinander den Wunsch, "Magic Afternoon" zu spielen, bevor sie selber 68 sein werden. Das ist ihnen nun im Jubiläumsjahr zu Wolfgang Bauers 70. Geburtstag gelungen. Im Wiener 3raum-anatomietheater brachte Hausherr Hubsi eine reloaded-Version des einstigen Bohemiens-Bashing auf die Bühne. Und die war laut Stück gnadenlos grausam, klaustrophobisch - "genialisch" halt.

Klamauk statt Skandal

Dabei setzte der sonst um keine Bühnenprovokation verlegene Kramar auf nix, was weiland von Kieritz an der Knatter bis Bergkamen in Westfalen zum Theaterskandal wurde. Womit auch sollte man anno 2011 ein Publikum schockieren? Mit Sex & Drugs & ein paar Watschn? Keine Chance.

Also hielt er sich an die von Gesamtkunstwerk Wolfi Bauer exzessiv aktionistisch vorgeschriebene Demontage alles Theatergängigen, entnahm der Banalität des Bauer'schen Bösen den Klamauk. Und lässt nun seine Darsteller statt in einer rauchgeschwängerter Künstlerbude im Altersheim kalauern. Dialoge wie "I kan ned schlafen" - "Dann nimm' a Pulverl" leuchten da in ganz neuem Licht. Geriatrisch ist, wer trotzdem lacht ...

Natürlich eskaliert es

Die Übertragung der Sozialstudie in die Pflegeresidenz ist so selbstironisch wie stichhaltig. Da gibt's Langeweile, Verhaltensoriginalität, Orientierungs- und Antriebslosigkeit, Gedächtnislücken. Und mitten im Satz wird eingeschlafen. Geschlechtsverkehr ist zwar nur noch Gedankenspiel. Aber saufen geht noch. Und prügeln. Und abstechen. Weil: Natürlich eskaliert es.

Hubsi Kramar spielt Charlie, den satzlosen Autor, hier einen, der alles schon einmal irgendwo geschrieben hat. Schmidinger ist seine senile Birgit, Karl Ferdinand Kratzl sein wunderbar blöd-brutaler Habschi Joe. Lilly Prohaska darf als Monika bis zum Nasenbeinbruch kess die Hüften schwingen. Born to be wild, Baby.

Entzückend übrigens, wie Kratzl die fragile Schmidinger mit einem Stuhl an die Wand drückt. Zärtlich-behutsam, da wollt' er lieber nichts riskieren. Und auch, wenn eine sture psychedelische Riesenseifenblase immer zu früh platzte. Der Abend hat gehalten. "Magic Afternoon" forever!

KURIER-Wertung: ***** von *****

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