"Wir würden uns nie verbiegen"

"Wir würden uns nie verbiegen"
Das Duo Seiler und Speer vertont mit seinem Debütalbum "Ham kummst" die heimische Volksseele.

An "Ham kummst" ist man in den letzten Wochen nicht vorbeigekommen. Der Song des Duos Seiler und Speer lief im selbst ernannten "Hitradio" in Dauerrotation, wurde in den sozialen Netzwerken tausendfach geteilt, millionenfach auf YouTube angeklickt und kletterte – während Adele die Charts in Europa fest in Griff hatte – in den Austria Top 40 auf Platz 1.

Der Song hat punktgenau den Nerv bzw. den Geschmack vieler Österreicher getroffen. Damit kann sich der an Liebeskummer leidende Teenager genauso gut identifizieren wie der trinkfreudige Ehemann, der beim Wirt wieder einmal hängegengeblieben ist nun mit einem ordentlichen Rausch inklusive schlechtem Gewissen nach Hause, "zur Mutti", wankt, die dann das Unausweichliche einreicht: die Scheidung. Um solche sehr österreichischen Geschichten geht es dann auch auf ihrem bereits mit Doppelplatin (40.000 verkaufte Einheiten)ausgezeichneten Debütalbum "Ham kummst", mit dem Seiler und Speer seit Monaten große Hallen füllen.

Das G’riss um ihre Person hat die beiden Künstler aber keineswegs umgeworfen, wie Christopher Seiler im KURIER-Gespräch betont. "Wir haben uns zwar über den Erfolg gefreut, aber keine wilden Champagner-Feten gefeiert". Es war also "ka schware Partie" für sie, um es mit den Worten von Seiler und Speer zu sagen.

Bevor es auf Tour durch Österreich und Bayern geht, gilt es neue Lieder zu schreiben. Und so arbeiten sie seit Tagen mit Produzent Daniel Fellner im Studio an ihrem zweiten Album, das im Sommer dieses Jahres erscheinen soll.

Sperrstunde

In Interviews und auf der Bühne präsentieren sich Seiler und Speer wie die viel zitierten Typen von nebenan, was wohl mit ihrem Lebenslauf zu tun hat. Beide sind im südlichen Niederösterreich aufgewachsen. Bernhard Seiler hat eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert und Speer ist gelernter Elektroinstallateur. Nachdem sie ihre erste Berufung nicht glücklich machte, versuchte sich Seiler als Kabarettist und Speer als Filmproduzent. Dieser Jobwechsel führte sie auch zusammen. Speer führte Regie bei der Serie "Schichtwechsel", in der Seiler den frustrierten und hasserfüllten Grantler gibt – nachzusehen auf YouTube.

Ähnlich derb und rüde legt Seiler auch seine bisher erfolgreichste Kunstfigur an: Anton Horvath. Ein cholerischer, rassistischer, sexistischer Alkoholiker und Arbeitsloser, der in "Horvathslos" den Misanthropen gibt. Von der Serie gibt es bereits die zweite Staffel – veröffentlicht auf dem eigenen Label Joke Brothers. Und auch solo ist Christopher Seiler bald wieder zu sehen: Mit seinem neuen Programm "P.O.V." geht er ab 28. Jänner auf Tour.

Das mit der Musik hat sich erst mit "Horvathslos" entwickelt. Sie spielten immer wieder Lieder zwischen den Filmszenen ein, um die Sache ein bisschen aufzulockern. Daraus wurde Seiler und Speer, ein Austropop-Duo, das das alltägliche Drama mit breitem Wiener Dialekt besingt. Songs wie "Sperrstund is", "Setz di her" und "Soits Leben" sind persönliche Erfahrungsberichte von nächtlichen Streifzügen. Andere Lieder wie "Bonnie und Clyde" seien kabarettistisch ausgebaut, "damit das eine runde Geschichte ergibt", erklärt Seiler. Da wird auch gerne übertrieben und eine zweite Ebene eingezogen, denn eine gewisse Gesellschaftskritik dürfe bei all dem Klamauk nicht fehlen.

Es sind Parodien im poppigen Gewand; Liebes- und Sauflieder, dargereicht mit Lagerfeuergitarre und Beats, die nicht nur zum Mitsingen, sondern auch zum Nachdenken animieren sollen. So erzählt ihr Hit "Ham kummst" die traurige Geschichte eines Menschen, der alles verliert. Und "Sperrstund is" ist ein Porträt eines Alkoholikers.

Fühlen

Den Umgang mit Alkohol wollen sie in ihren Songs keineswegs verniedlichen. "Uns ist wichtig, Interpretationsspielraum zu lassen. Jeder soll sich selber seine Gedanken machen", sagt Seiler und versucht zu erklären, warum ihre Musik so gut ankommt: "Wir machen einfach das, was wir fühlen. Wir polarisieren und würden uns auch nie verbiegen." Deshalb haben sie bereits lukrative Angebote abgelehnt. "Wir spielen auf keinem Zeltfest und keiner Après-Ski-Party." Auch gegen jegliche politische Vereinnahmung wehren sich Seiler und Speer – egal ob von links oder rechts. Ziel sei es, sich selbst treu zu bleiben. "Das schnelle Geld, von dem man ohnehin die Hälfte beim Finanzminister abliefern muss, interessiert uns nicht."

Kommentare