Gewissheit ist ein scheuer Vogel

Ausschnitt aus Heinrich Dunsts Bildwand in der Secession; Paul Wittgenstein ist am Klavier zu sehen
Heinrich Dunst errichtete mit seiner Installation "DA" einen Parcours der Unsicherheiten.

inks oder Rechts? Mit dieser Entscheidung fängt es an. Denn Heinrich Dunst hat quer durch den Hauptraum des Secessions-Gebäudes eine Wand aufgezogen, die umrundet werden will. Wie, bleibt offen: Gibt es eine "Leserichtung"? Entgeht einem etwas, wenn man nach rechts geht? Das sind nur einige der Unsicherheiten, die in der Installation des aus Hallein stammenden Künstlers zu bewältigen sind.

Die Wand – gleichermaßen Gemälde, Pinnwand, Skulptur – bildet ein Kunstwerk, das nicht "auf einen Blick" erfasst werden kann. Damit wären wir auch schon inmitten der theoretischen Überlegungen Dunsts, die grob gesagt um Prinzipien der Ungewissheit und der Unvereinbarkeit von Darstellungs- und Zeichensystemen kreisen: Wenn eine Seite sichtbar ist, impliziert das ein unsichtbares "Dahinter"; wenn ein Ding konkret benannt wird, wird es zugleich reduziert und abstrahiert.

Impressionen der Installation

Gewissheit ist ein scheuer Vogel

Gewissheit ist ein scheuer Vogel

Gewissheit ist ein scheuer Vogel

Gewissheit ist ein scheuer Vogel

Gewissheit ist ein scheuer Vogel

Gewissheit ist ein scheuer Vogel

Da! da! da!

Gewissheit ist in diesem Zusammenhang ein scheues Vogerl, und die Verse, die Dunst in großen Lettern an die Rückwand des Ausstellungsraums geschrieben hat, könnten beim Versuch einer Beobachtung entstanden sein: "Da. Da ist es ja. Da. Da ist es ja. Jetzt ist es da. Da ist es jetzt da. Da. Da. Ja. Jetzt ist es da" steht hier zu lesen.

Die Buchstaben "D" und "A" lehnen auch an der Vorder- und Rückseite der großen Wand, ausgeschnitten aus rosa Dämmstoff. Das "Da" als wortgewordene Zeigegeste ist hier Symptom für die Unsicherheit, die bei jeder Begriffs-Bildung mitschwingt.

Eine der Referenzgrößen ist dabei Ludwig Wittgenstein, den Dunst mit einem Satz aus dem Werk "Über Gewissheit" zitiert: "Angenommen nun, ich sage ,Ich bin darin unfehlbar, daß das ein Buch ist‘ ich zeige dabei auf einen Gegenstand. Wie sähe hier ein Irrtum aus? Und habe ich davon eine klare Vorstellung?" Nebenan montierte Dunst ein Bild von Paul Wittgenstein, dem Bruder des Philosophen, der im Ersten Weltkrieg seine Hand verlor.

Ein "Aha, verstanden", nach dem man wie bei der Lösung eines Puzzles befriedigt davonschreitet, ist in diesem Werk kaum möglich und wohl auch nicht erwünscht. Doch dass es gelingt, das Gefühl der Ungewissheit auf mehreren intellektuellen und sinnlichen Kanälen zu reizen und in einem Raum zu bannen, ist eine Leistung.

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