Schmied: "Vor Rating-Agenturen schützen"

Schmied: "Vor Rating-Agenturen schützen"
Ministerin Claudia Schmied glaubt nicht an Kürzungen des Kulturbudgets und fordert mehr Selbstwertgefühl statt Herabstufung.

Laut Evaluierungsbericht haben die Bundestheater ein Optimierungspotenzial von 12,4 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren. Der ganze Bericht kam aber nie an die Öffentlichkeit. Jetzt nimmt die Kulturministerin erstmals dazu Stellung – und auch zu drohenden Sparmaßnahmen und bevorstehenden Vertragsverlängerungen.

KURIER: Warum sind denn die Evaluierungsberichte der Bundestheater so geheim?

Claudia Schmied: Das waren 700 Seiten einer Detailprüfung, die bis hin zu den Gagen der Sänger geht. Das sind Detaillierungsgrade, die für die Geschäftsführungen und Aufsichtsräte wichtig sind, die aber in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert kontraproduktiv sein könnten. Es geht um die Frage: Wer verantwortet was und braucht, um dies wahrzunehmen, welche Informationen? Diese sogenannte Public Governance ist mir ein enorm großes Anliegen, in dem für die Zukunft viel Kraft und Potenzial liegen.

Aber es wurden öffentlich geförderte Unternehmen unter Einsatz öffentlichen Geldes geprüft. Hat die Öffentlichkeit kein Recht auf Information? Es wäre doch niemand der Anna Netrebko ihre Gage neidig.

Interessant, dass Sie gleich mit dem Neidthema anfangen.

In Wien liegt das nahe.

Und darum sage ich: Wer weiß, wer was mit welcher Information macht. Es gibt auch so etwas wie einen Schutz der Institutionensphäre.

Geprüft wurde etwa, ob das Akademietheater geschlossen werden soll oder der Opernball eingestellt. Da hat man den Eindruck, dass kulturferne Menschen etwas prüfen, von dem sie ein enden wollendes Verständnis haben. Wie viele der 700 Seiten hätte man sich sparen können?

Da kann ich nur sagen: Vertrauen Sie mir.

Das fällt Journalisten schwer.

Die Analyse ist wertvoll, ist für viele die Bestätigung eines eingeschlagenen Weges. Und ermöglicht, dass wir mehr Mittel in Richtung Kunst einsetzen können. Es wird das Wort Sparen immer so positiv konnotiert. Aber was hieße Sparen im Kontext Kunst und Kultur? Das wäre Kürzung. Darum geht es mir mit Sicherheit nicht. Es geht mir darum zu schauen, wie wir Kunst und Kultur vor den Rating-Agenturen schützen können.

Die Bundestheater sollen bis 2014/’15 12,4 Millionen Euro sparen – durch Umschichtungen, aber auch einnahmenseitig. Wenn statt Strukturreformen mehr Geld eingenommen wird, wird das in der Studie erkannte Sparpotenzial ja überhaupt nicht verwirklicht.

Das sehe ich völlig anders, hier denke ich unternehmerischer. Das ist ein dynamisches System: Ich möchte, dass sich die Geschäftsführungen über die Einnahmen und die Ausgabenseite Gedanken machen. Wir sind gut unterwegs – und das ohne große Dramen, obwohl es ja im Theater großes Dramapotenzial gibt.

Auch in der Oper. Übrigens: Die Vertragsverlängerung von Staatsoperndirektor Dominique Meyer müsste bald wieder Thema werden.

Ja, Sie haben recht, was das Zeitliche betrifft: Ich habe mir vorgenommen, die Entscheidung zu Jahresbeginn bekanntzugeben.

Die Verlängerung?

Warten Sie ab. Auch im Burgtheater will ich zu Jahresbeginn entscheiden (über eine mögliche Vertragsverlängerung von Matthias Hartmann, Anm.).

Demnächst hätte eigentlich auch die Schuldenbremse in der Verfassung stehen sollen. Egal, wie das jetzt genau aussehen wird: Beim Sparen wird die Kultur wohl nicht ausgenommen werden.

Das darf so nicht passieren. Wir müssen wirklich alles daransetzen, Kunst und Kultur auszunehmen. Was mich ein bisschen hoffnungsfroh stimmt, ist, dass es meinem deutschen Ministerkollegen Bernd Neumann gelungen ist, für 2012 über 5 Prozent Budgeterhöhung bei Kunst und Kultur als bewussten Kontrapunkt zu bekommen. Mittelfristig müssen wir auch die Kraftanstrengung aufbringen, wieder mehr in Kunst und Kultur zu investieren. Aber unter den gegebenen Bedingungen bin ich über das stabile Budget 2012 sehr froh.

Dennoch: Quer durch das politische Spektrum wurde bei der Spardiskussion gleich die Kürzung von Kultur-Subventionen angesprochen.

Eine wirklich gefährliche Diskussion. Was mich sehr irritiert, sind Umfragen von Boulevardmedien, wo dann auf die Frage „Wo soll gespart werden?“ 70 Prozent der Befragten meinen, bei Kunst und Kultur.

Wenn mal die Frage ist, ob Spitäler oder Theater zugesperrt werden sollen, ist klar, wie das ausgeht ...

Ich halte das für fatal. Sie werden leider recht haben. Aber wo sollen dann Wachstumseffekte herkommen? Kunst und Kultur sind für Österreich von sehr großem Wert. Was unsere Künstler international an Preisen gewinnen, da können wir nur sagen: Kleines Land ganz groß. Es ist etwas spezifisch Österreichisches, wie wir mit Erfolg umgehen. Da brauchen wir generell ein gestärktes Selbstwertgefühl.

Haben Sie Pläne, wo Sie im Fall des Falles kürzen?

Nein. Wir müssen die Budgetkonsolidierung in einer langfristigen Perspektive betrachten, wahrscheinlich über Generationen. Wenn wir Schuldenstände abbauen wollen, müssen wir Überschüsse erwirtschaften. Kurz- und mittelfristig halte ich das für nicht darstellbar. Jetzt kann es nur um das Einleiten von strukturellen Maßnahmen gehen. Das Kunstförderungsbudget von 80 Millionen Euro ist im Kontext der Schuldenbremse weit hinter dem Komma.

Sollte man nicht mehr Geld für Kultur aus den Tourismusbudgets lukrieren?

Das Geld hat kein Mascherl.

Zur Person: Die Ministerin, die Themen

Biografie Claudia Schmied wurde 1959 in Wien geboren, studierte an der WU, begann ihre Karriere bei der Investkredit, war Beraterin im Finanzministerium, dann Vorstandsmitglied der Kommunalkredit, ehe sie 2007 Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wurde. Schon davor hatte die Kunstliebhaberin Funktionen im Kulturbereich (u. a. Salzburger Festspiele, Wr. Symphoniker) inne.

Vorhaben Zu Jahresbeginn wird sie über mögliche Vertragsverlängerungen der Direktoren in Staatsoper und Burgtheater entscheiden. Auch die Kunst-Biennale 2013 wird bald besetzt.

Causa Peter Noever

Ein Thema drängt sich im Ministerbüro allein schon durch die Möblierung auf: Die Affäre um den fristlos entlassenen MAK-Direktor Peter Noever. Denn Noever hat vor seinem Fall wegen fingierter Cateringabrechnungen für das Innendesign von Schmieds Amtssitz gesorgt, mit einem (laut Medienberichten) von Noever selbst designten Teppich, einem Stehpult und mehreren Stühlen.

„Die Möbel sind gekauft, gehören dem Ministerium, und ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt Schmied zum KURIER.

Verwundert zeigt sich die Ministerin über die Frage, ob sie die Möbel vielleicht aus Solidarität mit dem MAK verkaufen will.

Der Hintergrund der Frage: Noever sieht sich zu Unrecht fristlos entlassen und will vor dem Arbeitsgericht Abfertigungsansprüche in der Höhe von mehreren Hunderttausend Euro geltend machen. Eine große Summe für das MAK.

Kein Thema Sollte diese Summe Noever zugesprochen werden, kann das Museum aber nicht mit einer Unterstützung der Ministerin rechnen.

„Das ist kein Thema, das das Ministerium tangiert“, sagt Schmied. „Da geht es um Abfertigungsansprüche. Ich nehme an, dass das MAK Rückstellungen gebildet hat und das gegebenenfalls in Abhängigkeit vom arbeitsgerichtlichen Ergebnis begleichen wird.“

Eingestellt Die nach einer Anzeige aufgenommenen strafrechtlichen Ermittlungen gegen Noever wurden eingestellt. Er ist durch „tätige Reue“ der weiteren Verfolgung entkommen: Noever hat 220.000 Euro hinterlegt, die zur Wiedergutmachung eines etwaig von ihm verursachten Schadens dienen. Damit entfällt die strafrechtliche Relevanz.

„Das ist seit 1972 Rechtslage in Österreich“, sagt Schmied zur Möglichkeit der tätigen Reue. „Ich war selber verwundert. Jemand, der das Geld nicht hat, könnte tätige Reue nicht üben. Darüber könnte man philosophieren, aber das ist jetzt nicht die Aufgabenstellung.“

Wurden Fehler bei der fristlosen Kündigung Noevers gemacht? Dass „die Vertrauensbeziehung zwischen MAK und seinem Geschäftsführer nicht mehr intakt ist, ist für mich völlig klar“, sagt Schmied. „Durch die tätige Reue bekennt sich Peter Noever dazu, was passiert ist. Er kaufte sich aber frei, wenn Sie so wollen.“ Und „bei allem, was passiert ist, will ich betonen, dass ich die Arbeit, die Peter Noever für die Kunst geleistet hat, sehr schätze.“

 

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