Schalko-Film: Ratgeber für Langzeitstudis

Schalko-Film: Ratgeber für Langzeitstudis
Filmstarts: "Wie man leben soll" als unlustige Nummern-Revue + "Johnny English" als Blödmann der Majestät + anatolisches Kleinstadtleben in "Süt"

Charlie Kolostrum ist dick, pickelig und Brillenträger. Die einzige Verbündete, die er hat, ist seine Tante - Bibiane Zeller mit einer schlecht sitzenden Perücke.
Da muss er sich spätestens nach der Matura fragen - wie man leben soll.

Ein Vorschlag: Am besten Kunstgeschichte studieren. In der Vorlesung trifft man die schönsten Frauen, es geht um nichts und man kann getrost Taxi-Fahrer werden.
Auch ein guter Tipp: die linke Studentengruppe. Dort sind alle so deppert, dass man selber nicht weiter auffällt.

Kleine, feine Ratschläge für Langzeitstudenten

Kleine, feine Ratschläge für einen Langzeitstudenten in den 90er-Jahren: Mit seiner Komödie "Wie man leben soll" hat David Schalko den gleichnamigen Ratgeber-Roman von Thomas Glavinic aufwendig fürs Kino verfilmt.

Und warum auch nicht. Schalko ist ein kreativer Allrounder und erfand beispielsweise die erfolgreiche Donnerstag-Nacht-Schiene des ORF. Ein profilierter Autor wie Thomas Maurer schrieb am Drehbuch mit, und ungefähr die ganze heimische Promi-Szene aus Film, Funk und Fernsehen tritt sich in der Verfilmung auf die Zehen: Von Robert Stadlober als Charlies Studenten-Haberer, Lukas Resetarits als Doppel-Kottan, Robert Palfrader als Taxi-Kaiser - bis hin zu Josef Hader und Maria Hofstätter als biederes Swinger-Pärchen.
Einzig das Humorniveau hat sich im Keller versteckt.

Obwohl gespickt mit Talent, spult sich "Wie man leben soll" als weitgehend unlustige Nummern-Revue ab, deren Bezugsrahmen formal und inhaltlich ausschließlich das Fernseh-Format bleibt. Als würde man sich durch ein Programm klicken, das auf jedem Kanal ödes Kabarett sendet oder schlechte TV-Satire. Und zwar immer mit derselben, uncharismatischen Hauptfigur in der Titelrolle.

Dabei ist die Passivität des Charlie Kolostrum, der ambitionslos durchs Leben stolpert und sich vorstellt, er sei Indiana Jones oder Bud Spencer, nicht das Problem. Forrest Gump war auch ambitionslos. Aber Schalko bringt keine Fallhöhe zustande. Es geht um nichts - und sein Held bleibt flach und uninteressant wie eine Schießbudenfigur, die nach jeder Wuchtel automatisch wieder aufsteht.

Und gerade auch die satirische Darstellung vom Studenten als arbeitsscheu oder als wichtigtuerischen Gesinnungsstreber ("I bin historisch-kritischer Materialist, verstehst?") legt wenig Pointen frei, sondern läuft Gefahr, Klischeevorstellungen braver Steuerzahler zu bedienen.

Schon ganz am Anfang steigt Charlie auf die Bühne und singt so falsch, dass seine Freundin zu Stein erstarrt: "Heast, is des peinlich."
Und so bleibt es leider auch, bis zum Ende.

INFO: KOMÖDIE, A 2011. 100 Min. Von David Schalko. Mit Axel Ranisch.

KURIER-Wertung: ** von *****

"Johnny English 2 - Jetzt erst recht" - Blödmann Ihrer Majestät

Er lutscht ein Bonbon, das seine Stimme zu einer piepsenden Kinderstimme macht.
Er tut so, als könnte er Kung-Fu wie Jackie Chan mit 80.

Er wirft mit Kampfschrei die Mutter seiner Chefin zu Boden.
Er rollt die Augen und schneidet Grimassen wie ein ganzer Kindergarten.
Kurz: Rowan Atkinson ist wie immer.

Der stets dusselig wirkende Brite mit dem Radiogesicht gibt in dieser simpel gestrickten 007-Parodie den tollpatschigen Agenten Johnny English, der - zurückgeholt von seinem Exil in einem tibetanischen Kloster - ein Attentat auf den chinesischen Premier verhindern soll. Was unmöglich ist, hat es English doch mit einem Komplott zu tun, dessen Drahtzieher in CIA, KGB und MI 7 sitzen. Die Verräter in den eigenen Reihen haben natürlich auch mit dem missglückten Auftrag zu tun, der English die letzten Jahre in die Frühpension zwang. Bald wird Johnny selbst zur Zielscheibe.

Atkinson meistert die Hürden, die ihm das Drehbuch (von Hamish McColl) mit vielen infantilen Gags in den Weg legt, mit Bravour. Er weiß, was er den Fans schuldig ist, die ihm seit seinen legendären "Mr. Bean"-Zeiten die Treue halten. Wer den schrulligen Rowie und seinen Humor mag, wird auch diesen Film nicht versäumen. Die anderen können sich ja den nächsten echten "Bond" ansehen. - Susanne Lintl

INFO: KOMÖDIE, GB 2011. 101 Min. Von Oliver Parker. Mit Rowan Atkinson, Gillian Anderson.

KURIER-Wertung: *** von *****

"Süt - Milch" - Milch und Gedichte in Anatolien

Es beginnt wie in einem Horror-Film: Eine Frau wird mit dem Kopf nach unten an einem Ast aufgehängt. Sie beginnt zu würgen - und schließlich kriecht eine Schlange aus ihrem Mund.

Schaurig-rätselhaft bleibt dieses Bild, obwohl es gleichzeitig in eine völlig realistische, bäuerliche Umgebung eingebettet ist.

Aber genau diese Spannung zwischen dem detailreichen Realismus eines anatolischen Kleinstadtlebens und der subjektiven Einbildungskraft eines jungen Mannes bestimmt auch die elegische Geschichte des türkischen Regisseurs Semih Kaplanoglu. "Milch" ist der zweite Teil der "Yusuf-Trilogie", dessen Teil "Bal" ("Honig") von 2010 ein internationaler Welterfolg wurde.

Bereits 2008 gedreht, erzählt "Milch" von dem schmerzliche Coming-of-Age des jungen Intellektuellen Yusuf. Gemeinsam mit seiner Mutter verkauft Yusuf Milch und Käse auf dem Markt, nächtens schreibt er Lyrik. Der Ablösungsprozess setzt ein, als ein Gedicht von ihm veröffentlicht wird und die Mutter sich verliebt.

Kaplanoglu platziert die persönlichen Umwälzungen seines Helden in die Landschaft Anatoliens, das ebenfalls zerrissen ist zwischen alten Traditionen und Modernisierungsschüben. Ein karger, aber kraftvoller Film, und dabei versponnen wie ein Märchen. - A. Seibel

INFO: DRAMA, TR/D/F 2008. 103 Min. Von Semih Kaplanoglu. Mit Melih Selçuk, Basak Köklükaya, Riza Akin.

KURIER-Wertung: **** von *****

"Die Einsamkeit der Primzahlen" - Sie finden nicht zueinander

Alice und Mattia scheinen füreinander bestimmt zu sein, aber sie finden nicht zueinander: Irgendetwas steht immer zwischen den beiden Außenseitern, wie bei Primzahlzwillingen. Beide sind gezeichnet durch Tragödien in ihrer Kindheit: Alice durch einen Skiunfall, der ihr ein lahmes Bein bescherte; Mattia durch das Verschwinden seiner Schwester, für das er sich die Schuld gibt.

Mit viel Herzblut bringt Regisseur Costanzo den Buch-Bestseller Paolo Giordanos auf die Leinwand. Neben Italiens Jungstar Alba Rohrwacher konnte er auch Isabella Rossellini zum Mitmachen bewegen. Der Film ist passabel - aber das Buch ist besser. - S. Lintl

INFO: DRAMA, I/D/F 2010. 118 Min. Von Saverio Costanzo. Mit Alba Rohrwacher, Luca Marinelli.

KURIER-Wertung: ***
* von *****

KINO IN KÜRZE

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