Scala: "Butterfly“ im Naturhistorischen

Madama Butterfly an der Scala
Saisoneröffnung in Mailand mit der Urfassung der Puccini-Oper, viel Applaus für Dirigent Chailly.

In der Oper "Madama Butterfly" von Giacomo Puccini fragt sich die Protagonistin Cio-Cio-San, ob denn der Kosename "Butterfly", den Pinkerton für sie verwendet, ein passender sei: Schmetterlinge würden, so hat sie es gehört, auf der anderen Seite des Meeres mit einer Nadel tot auf Tische gepinnt.

Falls Regisseur Alvis Hermanis seine Inszenierung darauf abstimmen wollte, dann ist sein Vorhaben gelungen. Diese "Butterfly" ist so statisch wie der Schmetterlingssaal in einem Naturhistorischen Museum (falls nicht gerade Damien Hirst eine Installation mit lebenden Tieren zeigt). Das Bühnenbild ist extrem stilisiert und offensichtlich inspiriert von japanischer Holzschnittkunst. Der Regisseur ertränkt die hochdramatische Liebesgeschichte, die so viele Facetten für eine tiefere Auseinandersetzung böte, optisch in Klischees.

Immer, wenn es besonders intensiv werden müsste, tauchen zwölf Tänzerinnen zur Behübschung auf – diesen Regieeinfall kennt man bereits von seiner Inszenierung der "Liebe der Danae" von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen. Und die Protagonisten müssen allzu oft seltsame Verrenkungen machen (vermutlich ist das seine Interpretation des Kabuki-Theaters oder eine missglückte Kopie des stilistischen Gestus’ von Robert Wilson). Sie zucken und erstarren, als würden Schmetterlinge in Formaldehyd getaucht. Viel Leben ist da nicht zu erkennen zwischen den blühenden Kirschbäumen und den japanischen Schiebetüren auf drei Etagen. Das "Butterfly"-Museum in Mailand ist geöffnet.

Die Fassung

Wenn ein Opernhaus eine Neuproduktion dieser Puccini-Oper ansetzt, noch dazu ein so renommiertes wie die Mailänder Scala zur Saisoneröffnung, dann braucht es zwingende Gründe. Hermanis liefert sie nicht. Auch die Sängerbesetzung zeigt, wie schwierig dieses Werk zu realisieren ist. Für das wichtigste (und tatsächlich plausible) Motiv sorgt Dirigent Riccardo Chailly. Er rekonstruierte die Fassung der "Butterfly"-Uraufführung – diese Version wurde an der Scala ein einziges Mal gespielt (17. Februar 1904) und nach wütenden Publikumsreaktionen von Puccini selbst am darauffolgenden Tag zurückgezogen. Wesentliche Unterschiede zur bekannten Fassung sind etwa, dass diese "Butterfly" nur zwei Akte hat, dass das Butterfly-Thema anders klingt, dass es mehr musikalische Parallelen zu "Bohème" gibt etc.

Chailly setzt damit seine Entdeckungsreise in die Puccini-Welt fort, er hatte zuletzt an der Scala auch schon "Turandot" mit dem Finale von Luciano Berio aufgeführt und wird mit "Fanciulla del West" weitermachen. Der 13 Minuten und 17 Sekunden währende Applaus des Publikums gibt ihm recht: Die neue alte "Butterfly" bietet musikalisch jene Dramatik, die visuell nicht existiert. Das Dirigat ist differenziert, sensibel in den lyrischen Momenten (exzellent die Streicher und vor allem die Sologeige), kraftvoll und dynamisch ausbalanciert – dieser Dirigent ist ein wahrer Meister für Puccini.

Die Sänger

Auch Intendant Alexander Pereira kann sich über den musikalischen Erfolg freuen, immerhin war er der erste überhaupt, der dieses Werk zur traditionellen Eröffnung am 7. Dezember, dem Tag des Stadtheiligen Sant’Ambrogio, in der Scala ansetzte. Bei der Besetzung jedoch gäbe es Potenzial nach oben. Maria José Siri könnte für die Butterfly stimmlich mehr Dramatik haben – wenn sie forcieren muss und in der Höhe ist die Intonation jedoch manchmal so, als hätte sie zu viel davon. Die lyrischen Passagen singt sie schön, als Figur fehlt ihr in dieser Regie jegliche Präsenz. Bryan Hymel als Pinkerton klingt recht eindimensional, die Stimme sitzt weit hinten und blüht in der Höhe kaum auf. Die zwei absolut Besten sind Annalisa Stroppa als enorm präsente Suzuki und Carlos Álvarez als profunder Sharpless – er hat diese Rolle schon vor 20 Jahren an der Scala unter Chailly gesungen.

Auf dem Platz vor der Scala gab es wie jedes Jahr Proteste, Rauchbomben wurden gezündet, Eier auf Polizisten geworfen. Im Opernhaus fehlte aufgrund der Regierungskrise der Staatspräsident. Pereira las vor Beginn eine Grußbotschaft von Sergio Materella vor, dann erklang die italienische Hymne. Draußen zog ein Trump-Doppelgänger seine clowneske Show ab. "America forever", heißt es in der "Butterfly" mit kritischem Unterton. Na dann.

Kommentare