Savary in Baden: Knallbunte Gag-Wundertüte

Savary in Baden: Knallbunte Gag-Wundertüte
Kritik: Jérôme Savary zeigt Raimunds "Der Verschwender" in der Sommerarena Baden. Im Herbst kommt das Stück nach St. Pölten.

Mit "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" hat er es im Vorjahr vorgemacht. Ja, man kann Ferdinand Raimund ins Heute holen, ohne die Qualität dieser "Zaubermärchen" zu beeinträchtigen. Mit "Der Verschwender" beweist Regisseur Jérôme Savary erneut, wie modern, wie lustig, wie schräg, wie fantasievoll Raimunds Stücke inszeniert werden können.

Zwischen Beckett und Rocky Horror Picture Show

In der Sommerarena Baden - die Produktion übersiedelt ab 1. Oktober ins Landestheater Niederösterreich - lässt Savary seiner Fantasie freien Lauf. Irgendwo siedelt Savary seinen Raimund an. Da ist die Fee Cheristane (stark: Katharina von Harsdorf, die auch die Amalie spielt) eine Art Vampirin, die letztlich im Müllcontainer entsorgt wird. Da erinnert Geist Azur (androgyn und mit Volksbühnenton: Matthias Rheinheimer) an Dr. Frank-N-Furter. Da gibt es einen Friedenspfeife rauchenden Indianer, einen tapsigen Bären und jede Menge Musik von David Bowie über Charles Tenet bis zum Hobellied.

Das alte Weib (hinreißend: Dolores Schmidinger) ist bei Savary "von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt", der die Natur bewundernde Chevalier Dumont (einfach großartig: Heinz Zuber) ist ein Karl-Lagerfeld-Abziehbild und sogar Rudolph Moshammer hat seinen Auftritt.
Doch allen Gags zum Trotz erzählt Savary die Geschichte des "Verschwenders" Julius von Flottwell (Wolfgang Seidenberg ist vor allem als abgetakelter Cowboy gut) und bleibt ganz nah bei Raimund. Denn Savarys Theater ist immer eine Behauptung, eine knallbunte Wundertüte, die aber bestens funktioniert.

Auch dank Boris Eder, der den braven Diener Valentin zur heimlichen Hauptfigur macht. Und auch dank Antje Hochholdinger, die als Valentins spätere Frau Rosa zeigt, wer in einer Beziehung wirklich das Sagen hat. Gut besetzt sind
die kleineren Rollen mit Helmut Wiesinger, Hendrik Winkler, Philipp Brammer, Klaus Haberl sowie Rainer Doppler. In Hannah Königs und Savarys Bühnenbild (samt Papierschiffchen) läuft das Ensemble des Landestheaters zur Höchstform auf. Schön, dass Savary auch nächste Saison in Niederösterreich einen Raimund machen will.

KURIER-Wertung: ****
* von *****

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