Sarajevo: Die Erinnerung ist allgegenwärtig

Sarajevo: Die Erinnerung ist allgegenwärtig
Noch bis 24. August treffen sich beim Filmfestival in Sarajevo Stars, Filmfreunde und Touristen.

Noch am Tag der Eröffnung des 19. Sarajevo Filmfestival wird überall gehämmert, Stehtische werden herumgetragen, weiße Pavillons zusammengezimmert. Auf dem roten Teppich vor dem Nationaltheater zieht eine Putzfrau mit einem Staubsauger ihre letzten Bahnen – am Abend defilieren hier bereits die Stars, während „An Episode in the Life of an Iron Picker“, in Berlin mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet, als Eröffnungsfilm läuft.

Noch bis 24. 8. konkurrieren südosteuropäische Filme um den Hauptpreis des internationalen Wettbewerbs, das „Herz von Sarajevo“. Im August ist das Filmfestival allgegenwärtig, die Erinnerung an den Krieg ist es immer.

Am Abend der Eröffnung kümmert das jedoch die Wenigsten. Ist der Platz vor dem Nationaltheater momentan das Herz der Stadt, so sind die engen Gassen der osmanischen Baščaršija, des alten Bazars, ihre Schlagader, durch die laufend Menschenmassen gepumpt werden:

Flanierende bosnische Familien. Filmschaffende, Produzenten auf der Suche nach Talenten. Journalisten, erkennbar an ihrem Presseausweis, der rund um die Uhr an ihrem Hals baumelt. Touristen und Abenteurer, die „noch was vom Krieg“ sehen wollen.

Sie alle drängen vorbei an der Gazi-Husrev-Beg-Moschee in die nächste Bar, derer es viele gibt in Sarajevo, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung muslimisch ist.

Rot

Ein rotes Meer von Festival-Fahnen dominiert das Stadtbild. Rot sind auch die „Rosen von Sarajevo“, jene mit Harz gefüllten Gehsteig-Krater, die an die Toten erinnern, die an diesen Stellen während der Belagerung der Stadt im Bosnienkrieg von Granaten zerfetzt oder von Scharfschützen niedergeschossen wurden. Als das erste Festival 1995 – noch während der Belagerung – stattfand, mussten die Filmrollen über die Berge in die Stadt geschmuggelt werden. Der Wiederaufbau der zerbombten Nationalbibliothek, in der an die zwei Millionen Bücher vernichtet wurden, ist noch immer nicht abgeschlossen.

Auch das Kino erzählt meist vom Krieg und seinen Folgen: In „A Stranger“ von Bobo Jelčić wird einem alten Mann der Verlust seiner Identität im zwischen Bosniern und Kroaten geteilten Mostar schmerzhaft bewusst. Der Dokumentarfilm „Finding Family“ handelt von einem bosnischen Waisenkind, das als Erwachsener erfährt, dass seine Familie Serben sind.

Von Chr. Maass, Sarajevo

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