Jedermanns erstes Heimspiel auf dem Domplatz
Der Domplatz, seit bald hundert Jahren heimlicher Hauptdarsteller neben Tod und Jedermann, musste bei diesen Salzburger Festsielen mehr als eine Woche auf seinen ersten Auftritt warten. Sowohl bei der Premiere, als auch bei den folgenden beiden Terminen, wurde die Neuinszenierung von Michael Sturminger wetterbedingt im Festspielhaus gezeigt.
Die Aufführung am Samstag wurde, erstmals in diesem Jahr, von den Glocken des Salzburger Doms eingeläutet. Als wolle das Bauwerk noch einmal mit Nachdruck auf seinen ersten Auftritt hinweisen. Dass die "Je-derrr-Maaaann"-Rufe aus der Umgebung diesmal an den Beginn des Stücks gesetzt sind, macht die traditionsreiche Verwurzelung des Spiels mitten in der Stadt gleich zu Beginn spürbar.
Barockes Ambiente
Und wie tritt die aktualisierte, ins Heute versetzte Fassung in den Dialog mit dem barocken Ambiente?
Der Salzburger Dom ist nicht mehr nur mächtiger Hintergrund, sondern wird viel deutlicher ins Stück einbezogen.
Erstmals ist der Fassade ein Bühnenaufbau vorgelagert. Das untere Geschoß des Doms ist mit einem weißen Vorhang verdeckt. Wer zunächst den unguten Verdacht hat, es sei eine Guckkastenbühne vor den Dom gestellt worden, ist erleichtert, sobald der leichte Vorhangstoff zur Seite gezogen wird. Mit einem schlanken Gestänge aus LED-Leuchten wird die charakteristische Domfassade mit den drei Portalen und den vier Heiligenstatuen quasi verdoppelt. Das verleiht der Bühne Tiefe, während die Sicht auf die mächtige Fassade kaum verstellt ist.
Diabolisches Rot
Die intelligente Lichtsetzung ist eine weitere gelungene Neuerung. Die LED-Stäbe nehmen verschiedene Farben an, bis ins diabolische Rot gehend, als der Teufel auftritt.
Effektvoll wirken hingegen die von innen beleuchteten Kirchenfenster: Als hätte Jedermann den Sakralbau bereits in einen Party- und Wellness-Tempel umfunktioniert, wie es Sturmingers Fassung will.
Effekte
Auch die hydraulisch schwenkbare Vorderbühne sorgt für theatralische Effekte, nach denen gerade der "Jedermann" mit seiner altertümlichen Sprache und der aus der Zeit gefallenen Thematik geradezu schreit. Der Tisch von Jedermanns diesmal gar nicht so lustiger Abendgesellschaft schlittert auf dem sich neigenden Marmorboden krachend ins Nichts. Als sich das Plateau später in die andere Richtung neigt, kriecht der Teufel aus dem rot gefärbten Nebel hervor.
Trotz extrem kurzer Vorbereitungszeit fanden Renate Martin und Andreas Donhauser einen stimmigen Rahmen dafür. Die neue Bühnengestaltung schafft den Raum für die Verlegung in die Gegenwart, und bezieht dabei die traditionsreiche Umgebung mit ein.
Windhauch
Die inhaltliche Erneuerung ist nicht im selben Maße stimmig gelungen, wie bereits in unserer Premieren-Kritik berichtet. Der Entzug des Magischen lässt den "Jedermann" nicht mehr so überzeitlich wirken. Da kommt es dann gerade recht, wenn kurz vor Jedermanns Erlösung ein kühler Windhauch in den leichten Vorhangstoff fährt. Zu solch angenehmen Zufällen kann es im Ausweichquartier Festspielhaus freilich nicht kommen.
Bei diesem "Jedermann" spürt man auch eine gewisse Leere aus. Gut möglich, dass sie bei zukünftigen Bearbeitungen noch gefüllt wird.
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