Salzburg: Die besten Festspiele seit Langem

Salzburg: Die besten Festspiele seit Langem
Qualität braucht keinen Krawall: Die Salzburger Festspiele 2011 brachten keinen Skandal, keinen öffentlichen Streit und werden als sehr erfolgreich in Erinnerung bleiben.

Nehmen wir als Beispiel die Formel 1.
Gesetzt den Fall, ...
... dass der weltbeste Rennstall (zur Zeit ebenso wie in der Kunst ein Salzburger) eines Fahrers verlustig geht, weil sich dieser vorzeitig zu einer deutschen Marke absetzt;
... dass sich die Suche nach einem neuen Chefpiloten sehr schwierig gestaltet;
... dass man nach einem langwierigen Prozess als kleinsten gemeinsamen Nenner einen findet, der den Job immer schon haben wollte;
... dass dieser jedoch erst ein Jahr zu spät ins Cockpit steigen will, sodass man zu einer Übergangslösung gezwungen ist;
... dass man dafür doch den Ersatzmann aus den eigenen Reihen nimmt, eine Art Testpilot der vergangenen Zeit, dem man zunächst zu wenig vertraut hatte;
... und dass dieser plötzlich so gut wie alle Rennen gewinnt und überlegen Weltmeister wird.
Was würde dann passieren?

Der Teamchef und die Geldgeber würden darauf drängen, dass der interimistische Pilot weiterfährt; dass er auch fürderhin Rennen mit diesem Auto gewinnt; und dass man mit dem engagierten Piloten, der noch gar nicht angetreten ist, ein Agreement, welcher Art auch immer, trifft.

Opern-WM

In der Kunst mit ihren langen Planungszeiten ist das undenkbar. Daher kann man sich in Salzburg in den Hintern beißen, dass nach der erfolgreichsten Opern- und Theater-WM seit Langem wieder ein Neustart ansteht.

Markus Hinterhäuser ist dieser Ersatzpilot, der für ein Jahr als Intendant der Salzburger Festspiele eingesprungen ist. Er wäre der logische Nachfolger für den sich nach Berlin abgesetzt habenden Jürgen Flimm gewesen. Aber nach heftigen Streitigkeiten, absurden Findungsprozessen und politischen Einmischungen hatte man sich für Alexander Pereira entschieden. Möglicherweise ist er der Richtige für Salzburg - das wird man in ein paar Jahren wissen. Aber Markus Hinterhäuser wäre ebenso ein Richtiger gewesen. Im Hintergrund agierend, Krawall um jeden Preis vermeidend, den Fokus auf die Kunst gerichtet.

Trommelfeuer

Mit Pereira wird es lauter werden. Das Trommelfeuer beginnt mit einer "Zauberflöte" unter Nikolaus Harnoncourt (es spielt der Concentus Musicus), einer "Bohéme" mit Anna Netrebko, einer Übernahme der "Carmen"-Produktion von den Osterfestspielen, einer "Ariadne", gekoppelt mit dem "Bürger als Edelmann", dazu Zimmermanns "Soldaten". Spektakulärer geht es kaum. Aber das Niveau, das Hinterhäuser heuer vorgelegt hat, muss Pereira erst halten.

2011 wurde der Beweis erbracht, dass man auch mit schwierigen, selten gespielten Werken Erfolg beim Publikum und bei der Kritik haben kann. Die beste Opernproduktion war "Die Sache Makropulos" von Leoš Janáček. Christoph Marthaler inszenierte ironisch und seriös, Angela Denoke brillierte in der Titelpartie, nur Esa-Pekka Salonen am Pult der Wiener Philharmoniker hätte emotionaler, klangorientierter, weniger mathematisch agieren müssen.
Dafür setzten zwei andere Kapellmeister Maßstäbe.

Riccardo Muti mit Verdis "Macbeth", seiner letzten Salzburger
Opernproduktion: Er dirigierte dieses hochdramatische Werk fein, elegant, ohne auf Effekte schielend. Die Personenführung von Peter Stein hätte intensiver sein können.
Dazu Christian Thielemann bei der "Frau ohne Schatten" von Richard Strauss. Sogar langjährige Bewunderer der Philharmoniker waren erstaunt, dass dieses Orchester selbst die eigenen Maßstäbe noch einmal übertreffen kann. Die Regie von Christof Loy fiel leider in die Kategorie Verweigerung.

Bestechend war die Idee, die Mozart/Da-Ponte-Opern von drei verschiedenen Orchestern spielen zu lassen. Und die Anna-Netrebko-Show mit Tschaikowskis "Iolanta" wurde zum Ereignis. Auch hier gilt: Man kann Stars durchaus mit Raritäten auftreten lassen, nicht nur mit Wunschkonzerten.

Topniveau

Im Konzertbereich, schon in den Jahren davor von Hinterhäuser geplant, standen die auf Topniveau agierenden Wiener Philharmoniker ebenfalls im Zentrum. Internationale Beachtung verdient die Schiene für Neue Musik, die erstaunlich gut besucht war.

Die kürzeste Intendanz in der Festspielgeschichte wird als besonders erfolgreich in Erinnerung bleiben. Das Programm war das beste seit Langem, zumindest seit dem letzten Jahr von Peter Ruzicka 2006. Dort hat Hinterhäuser anschlossen und die Jahre von Jürgen Flimm glücklicherweise übersprungen.

Wien darf sich freuen, dass er 2014 das Steuer bei den Festwochen übernimmt.

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