Perfektion wird überschätzt

Rufus Wainwright mäandert gerne zwischen Pop und Klassik
Kritik: Trotz Absage von Angelika Kirchschlager, überzeugte Rufus Wainwright mit Einspringerin Janis Kelly.

Wenn Opernsänger Pop singen, muss das nicht jeden Geschmack treffen. Umgekehrt kann es heikel werden, wenn sich Popsänger an klassischer Musik versuchen.

Brigitte Fürle, künstlerische Leiterin des Festspielhauses St. Pölten, ging, so gesehen, ein gewisses Risiko ein, den kanadischen Singer-Songwriter Rufus Wainwright einzuladen, gemeinsam mit seiner guten Bekannten, der Opernsängerin Angelika Kirchschlager, ein Genre übergreifendes Experiment zu versuchen. Sie sollte seine Songs, er Orchesterlieder singen.

Zum kalkulierten Risiko kam das Pech: Kirchschlager wurde krank, sagte ab, 100 Karten wurden zurückgegeben. Jenen, die am Sonntag nur wegen Kirchschlager gekommen wären, sei gesagt: Ihr habt etwas versäumt!

Unter anderem die schottische Sopranistin Janis Kelly, die für Kirchschlager einsprang und Wainwrights Kunstlieder "All Days are Nights – Songs for Lulu" sang. Kelly war die Richtige dafür. Wainwrights Songs neigen zum dramatischen, ausladenden Gestus und Kelly interpretierte ebendiese Dramatik, ohne dabei auf das Augenzwinkern und die leisen Zwischentöne zu vergessen. Denn die emotionale Bandbreite dieses fabelhaften Komponisten ist groß: Von Rührung bis schmunzeln ist alles dabei. Kelly, am Klavier von Sarah Tysman begleitet, gelang es, alle diese Rollen zu spielen. Sie hat Erfahrung mit Wainwright, dessen musikalischer Neugier es geschuldet ist, dass er auch eine Oper schrieb: "Prima donna" wurde 2009 in Manchester uraufgeführt, Kelly sang die Titelrolle. Das Ergebnis war jedoch durchwachsen, die Kritik nicht überzeugt. Ebenso wenig wie von Wainwrights früheren Versuchen, Orchesterlieder zu singen.

Begeisterung

Seine Interpretation von Berlioz’ Liederzyklus "Les Nuits d’été" gelang auch am Sonntag in St. Pölten nicht einwandfrei. Was in den tiefen Stimmlagen an Technik fehlte, versuchte er, mit Begeisterung wettzumachen. Und nahm sich dabei sympathischerweise nicht ganz ernst. Musik, so die Botschaft dieses Abends, soll Freude machen, Perfektion wird überschätzt. Später erzählte der 40-Jährige lachend davon, dass er sich einst dazu verstiegen habe, seine Songwriter-Künste mit Mozart zu vergleichen.

Traumhaft gelang der dritte Teil des Abends, wo Kelly und Wainwright wie aus dem Gemischtwarenladen ein bisschen Musical, ein bisschen dies und das sangen und im Duett Oper-Pop erstaunlich gut harmonierten. Selbst die gemeinsame Interpretation des oft heiklen Cohen-Songs "Hallelujah" gelang berührend, aber kitschfrei. Viel Applaus.

KURIER-Wertung:

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