Rückwärtssalto im Museumsbetrieb

mumok: Ausstellungsansicht "To expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer"
Die Schau „To expose, to show (...)“ widmet sich der institutionskritischen Kunst aus der Zeit um 1990

1992 ging der Künstler Mark Dion auf den Fischmärkten in New Yorks Chinatown einkaufen. Die erworbenen Tiere vermaß und katalogisierte er, danach wurden sie in Alkohol eingelegt. Nun steht der Schrank der "Marine Animal Identification of the City of New York“, einer fiktiven Behörde, im Wiener mumok. Makrelen blicken einen aus leeren Augen an.

Rückwärtssalto im Museumsbetrieb
Was Musealisierung mit den Dingen tut, welches Wissen eine Ausstellung produziert, was dabei ausgeblendet wird – das sind Fragen, die um 1990 vermehrt zum Thema der Kunst wurden.

Die Schau „To expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer“ im Wiener mumok (bis 24.1. 2016) macht eben jene Kunst zum Gegenstand einer musealen Ausstellung – die Besucher wohnen sozusagen einem dreifachen kuratorischen Rückwärtssalto bei.

Kunststück!

Auch wenn das Kunststück nicht so spektakulär aussieht wie im Zirkus und vom Publikum viel Zeit und Konzentration erfordert – es darf über weite Strecken als gelungen bezeichnet werden. Kurator Matthias Michalka kennt die Gefahren, die mit der Überführung institutionskritischer Kunst in Institutionen einhergehen: Kritik wird dabei rasch eingefroren, dynamische Aktionen erscheinen ihres Kontexts beraubt.

Viele der Ansätze aus der Zeit um 1990 funktionieren dennoch: Etwa die Plattform von Felix Gonzalez-Torres, auf der hin und wieder ein Go-Go-Tänzer vorbeischaut. Was einst als Unterwanderung der Museumswelt durch die schwule Subkultur gelesen wurde, erinnert nach wie vor daran, dass sich gerade im reglementierten Kunst-Umfeld vieles anders tun und denken lässt.

Witzig ist auch die Rekonstruktion der Schau „Monochrome Painting“ von Stephen Prina: 1989 hängte der Künstler Leinwände in verschiedenen Formaten, allesamt mit einheitlich grünem Autolack besprüht, in eine Galerie und schrieb sie Malewitsch, Yves Klein und anderen „Stars“ der abstrakten Kunst zu. Das Gerüst des Formats „Ausstellung“, das oft erst die Wertschätzung produziert, liegt hier offen.

Rückwärtssalto im Museumsbetrieb
mumok: Ausstellungsansicht "To expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer"
„Entscheidend für die Re-Konstruktion ist es, inwiefern es der Re-Präsentation bzw. Wieder-Ausstellung gelingt, das Publikum neuerlich als ,aktiven’ Widerpart zu adressieren“, schreibt Michalka in seinem Katalogtext und setzt sich damit selbst ein Erfolgskriterium.

Manchmal legt sich aber der museale Staub als zusätzliche Barriere über eine ohnehin spröde Materie – etwa bei den vielen Magazinen und Pamphleten, die im Setting einer Uni-Bibliothek studiert werden wollen.

Gegenwelt Ballgasse

In gewisser Weise ist „To expose...“ das asketische Gegenstück zur Ausstellung über die Galerie „Ballgasse 6“ im Wien Museum (bis 14. 2.2016): Gewinnt man dort den Eindruck, dass die Szene um 1990 sich in ausschweifenden Nächten formierte, hat das Kunst-Feld, das sich im mumok darstellt, die Anmutung eines Theorie-Seminars.

Tatsächlich waren viele Künstler da wie dort zuhause – das Video „Ballgasseland“, das ins Wien Museum gepasst hätte, aber im mumok läuft, zeugt davon. Dass jene Leute, die „damals“ dabei waren, sich später selbst musealisieren, wurde übrigens schon in den 1990ern kritisiert. Die mumok-Schau lässt diesen Konflikt ungelöst weiter bestehen.

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