Rosi, Picasso und die Moderne

Rosi, Picasso und die Moderne
Anne Sinclair, Ex-Frau von Dominique Strauss-Kahn, schrieb das Buch "Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?" über ihren Großvater.

International bekannt wurde die französische TV-Journalistin Anne Sinclair erst durch die Affäre Dominique Strauss-Kahn. Die Frau von „DSK“, die ihn bei seinem Prozess sehr (auch finanziell) unterstützte, mittlerweile aber von ihm getrennt ist, hat jetzt ein faszinierendes Buch über ihren Großvater Paul Rosenberg geschrieben: „Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?“

Es ist das liebevolle Porträt eines der bedeutendsten Kunsthändler und Galeristen im Paris der 1910er- bis 1930er-Jahre. Rosenberg hatte als leidenschaftlicher Förderer der Moderne bei der Organisation von Ausstellungen einen untrüglichen „Entdeckerblick“ für die Meisterwerke von Renoir, Monet und Cézanne sowie nach 1918 auch von Zeitgenossen wie Picasso, Braque, Léger und Matisse.

Picasso, den er bis 1940 exklusiv vertrat, mit dem er befreundet war und mit dem er zeitweise Tür an Tür wohnte, nannte ihn „Rosi“. Er schrieb: „Mein lieber Pic“. Und mahnte beim Maler-Genie versprochene Bilder ein.

Rosi, Picasso und die Moderne
Anne Sinclair, editorial director of the French version of U.S. news and opinion website the Huffington Post, attends a news conference for the launching of "Le Huffington Post" in Paris January 23, 2012. REUTERS/Charles Platiau (FRANCE - Tags: MEDIA BUSINESS HEADSHOT)
1918 malte „Pic“ Anne Sinclairs Mutter und Großmutter („Madame Rosenberg et sa fille“). 1923 organisierte Rosenberg die erste Ausstellung des spanischen Künstlers in den USA an der Fifth Avenue. Ein Flop. Der Galerist verkaufte kein Bild und schrieb sarkastisch an den Künstler nach Paris: „Man muss verrückt sein wie ich, oder erleuchtet wie ich, um etwas Derartiges zu unternehmen.“

Der Einmarsch der Deutschen zwingt die Familie 1940 zur Flucht über Südfrankreich, Spanien und Portugal in die USA. Ihr Haus wird geplündert, die Galerie zu einem Zentrum antisemitischer Hetzpropaganda umfunktioniert. Nach der Rückkehr 1945 muss der Wegbereiter der modernen Malerei jahrelang um die Rückgabe von mehr als 400 gestohlenen Gemälden kämpfen. 60 sind bis heute verschollen.

Rosi, Picasso und die Moderne
Anne Sinclair Buch
Das Familienarchiv befindet sich seit Kurzem im Museum of Modern Art in New York. Anne Sinclair erzählt die Geschichte einer großbürgerlichen jüdischen Kunsthändler-Familie zwischen Paris und New York, zitiert aus bisher unveröffentlichten Briefen sowie erzählt in Anekdoten und Erinnerungen: Was über das Begräbnis Renoirs oder Besuche in Picassos Atelier zu erfahren ist, hat durch die Autorin – sie war elf Jahre alt, als ihr Großvater 1959 starb – quasi Zeitzeugen-Status.

Und Paul Rosenberg? Der führte seinen Erfolg auf einen Umstand zurück: Dass er niemals ein Bild um jeden Preis verkaufen wollte. Er sagte immer: „Große Malerei verkauft sich von selbst.“ Dass es mitunter Zeit brauchte, bis große Malerei als solche erkannt wurde, zeigt diese oft überraschende Lesereise in eine Epoche, als die heute Klassische Moderne noch wilde Avantgarde war ...

KURIER-Wertung: **** von *****

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