Roger Waters: "Die Lösung ist: Liebet einander!"

Roger Waters, 74, macht sein Konzert mit Surround-Sound zu einem Ganzkörper-Erlebnis.
Der Ex-Pink-Floyd-Bassist zeigt am 16. Mai 2018 seine großartige "Us + Them"-Show in der Wiener Stadthalle.

"Hilfe! Wir leben in einem dystopischen Albtraum!" In monströsen Lettern hat Ex-Pink-Floyd-Bassist Roger Waters seine Sicht der Welt von heute in seine "Us + Them"-Show eingebaut. Darin zeichnet er ein düsteres Bild der Zeit, verspottet bei dem Song "Pigs (Three Different Ones)" Donald Trump und zeigt in grandiosen Showeffekten Reminiszenzen an die Alben-Cover der Pink-Floyd-Klassiker "Animals" und "The Dark Side Of The Moon".

Auch musikalisch konzentriert er sich auf die Klassiler aus der Pink-Floyd-Zeit, spielt nur wenige Songs aus seinem jüngsten Solo-Album "Is This The Life We Really Want?". Surround-Effekte im Sound, die in der ganzen Halle auftauchen, und eine zusätzliche Videowand quer durch die Halle machen das Konzert zu einem mit allen Sinnen spürbaren Erlebnis.

Im Interview spricht der 74-Jährige Waters über die "Reise", die er mit der Show anbietet, sein politisches Engagement und die Gründe dafür, dass er in dem dystopischen Albtraum immer noch Optimist sein kann.

KURIER: Sie sagen, Sie wollen mit der "Us + Them"-Show eine Reise anbieten. Wo beginnt sie, und wo endet sie?

Roger Waters: In der ersten Hälfte gehen wir in die Pink-Floyd-Geschichte zurück. Da sind auch ein paar neue Songs dabei, die relevant sind, weil sie politisch aktuell sind. Die zweite Hälfte ist dann diese Reaktion auf die bizarre Zeit, in der wir leben. Da wird Trump verspottet, das Schwein fliegt über das Publikum. Und wenn wir dann zu "Eclipse", "Brain Damage" und "Us And Them" kommen, sind die Leute bereit, ihre Fähigkeit, anderen Menschen mit Empathie zu begegnen, anzunehmen. Das sehe ich an ihren Reaktionen.

Roger Waters: "Die Lösung ist: Liebet einander!"
waters

In der Show werden zu den Problemen der Zeit viele Fragen aufgeworfen, aber kaum Lösungen angeboten. Ist das nicht sehr pessimistisch?

Das sehe ich nicht so. Ich finde, ich drücke großen Optimismus aus. Die Lösung ist: Liebet einander! Es gibt kein "Us and them", kein "Uns und die", wir sind alle Brüder und Schwestern. Dieses Chaos werden wir nur überleben, wenn wir beginnen, uns umeinander zu kümmern und das zu unserer obersten Priorität machen. Zum Teufel mit nationalen Grenzen. Wir sind alle in erster Linie Menschen. Und erst in zweiter oder dritter Deutsche, Chinesen oder Franzosen.

Aber ist das nicht mehr eine Utopie als eine reale Chance?

Wenn wir in der glücklichen Lage sind, an einem Ort zu leben, wo man auf der Straße nicht erschossen wird, wo man Bücher kaufen und in die Ideen von all den Philosophen eintauchen kann, die uns seit 5000 Jahren überliefert sind, sind wir vielleicht auch in der glücklichen Lage herauszufinden, dass uns der Sinn für Gemeinschaft glücklich macht.

Mein Freund Johann Hari hat ein Buch geschrieben. Darin beschreibt er Vorfälle im Berliner Problem-Viertel um das Kottbusser Tor. Dort wurden die Mietpreise erhöht und eine Frau stellte deshalb ein Schild ins Fenster: "Ich kann mir dann die Miete nicht mehr leisten, bin obdachlos, am Samstag bringe ich mich um!" Nachbarn haben reagiert und daraus entstand eine ganze Bewegung mit Protesten gegen die Mietpreise. Dabei ist die Zahl der Selbstmorde in dem Viertel drastisch zurückgegangen – weil die Leute Gemeinschaft entwickelt haben und draufgekommen sind, dass es sie glücklicher macht.

Mit in der Show ist auch das fliegende Schwein, auf das Sie einmal einen Davidstern aufgemalt hatten, weshalb Sie als Antisemit bezeichnet wurden...

Damals hat ein Zuseher in Belgien das vorbeifliegende Schwein fotografiert, wo auch der Davidstern drauf war – unter dutzenden anderen Symbolen wie dem Shell-Öl-Zeichen, dem MacDonalds-Zeichen und einem Kruzifix. Das wurde damals total aus dem Zusammenhang gerissen. Ich habe den Davidstern trotzdem runter genommen, weil ich damit kein großartiges Statement machen wollte und es mir egal war. Aber für mich ist der Davidstern schon das Symbol eines unterdrückenden Regimes.

Sind Sie deshalb bei der Organisation BDS, die "bis zum Ende von Apartheid und Besatzung in Palästina" für einen Boykott Israels eintritt?

Deshalb werde ich dauernd Antisemit genannt, ich bin das schon gewohnt. Ich tue trotzdem alles, was ich kann, um öffentlich zu machen, wie schlecht Palästinenser behandelt werden und in welcher Zwangslage sie sich befinden. Ich war sehr lange im Westjordanland unterwegs und weiß, was abgeht. Aber das ist ganz einfach: Die Palästinenser sollten Rechte haben, Rechte auf Freiheit, Bürgerrechte auf Landbesitz. All die Rechte, die auch Christen, Juden, Muslime und Buddhisten haben sollten, alle Rechte, die jeder von uns genießt.

Die Show ist sehr auf die politischen Verhältnisse in den USA zugeschnitten. Werden Sie sie für Europa anpassen?

Die Videos anzupassen ist rein technisch ein zu langer Prozess. Bei der "Dark Side Of The Moon"-Tour hatte ich das Schwein dabei, das erstmal nur ein Schwein an Schnüren war. Dann dachte ich einmal, ich schreibe etwas drauf. Später hat sich das dazu entwickelt, dass ich mit Leuten vor Ort gesprochen habe, um draufzuschreiben was sie gerade bewegt, oder es von örtlichen Künstlern bemalen ließ. So etwas werde ich auch in Europa machen. Aber das hat auch Nachteile.

Roger Waters: "Die Lösung ist: Liebet einander!"
waters. bilder von der konzertagentur

Welche denn?

In St. Petersburg habe ich eine Mitarbeiterin des Veranstalters geschickt, einen Spruch für das Schwein zu finden, habe ihr erklärt, dass es politisch, sozialkritisch und subversiv sein sollte. Um vier Uhr kam sie mit "Go Russia" an. Ich: "Nein, ich meine das so und so!" Sie: "Ah, ich verstehe!" Eineinhalb Stunden später kam sie wieder – und da hat die Zeit schon sehr gedrängt, weil um sieben beginnt die Show – und sagte der Spruch sei: "Zenit St. Petersburg for the European Cup". Da hab ich aufgegeben und selbst was draufgeschrieben. Die haben das nicht verstanden. Wenn du nach Russland kommst und sagst, es muss etwas sein, das Putin attackiert, sagen sie: Warum? Sie lieben ihn einfach.

INFO

Karten für das Konzert von Roger Waters am 16. 5. 18 gibt es ab Freitag (10.00 Uhr) unter 01/96 0 96 oder www.oeticket.com

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