Rock in Vienna: Campino - "Anfeindungen" wegen Polit-Statements

Der Sänger Campino von der Band "Die Toten Hosen"
Schon lange planen die Toten Hosen die Party nach ihrer Show am Montag auf der Donauinsel. Campino freut sich nämlich auf enge Freunde – vor und hinter der Bühne.

Zum Finale von Rock in Vienna werden die Toten Hosen am Montag ihr neues Album "Laune der Natur" vorstellen. Sänger Campino erzählt im KURIER-Interview, warum dieses nur selten politisch ist.

KURIER: Warum haben Sie bei "Laune der Natur" keine politischen Themen verarbeitet?

Campino: Man würde meinen, in Zeiten wie diesen muss es politische Gedanken und Texte hageln. Aber ich habe mir die Frage gestellt: "Braucht es ein Anti-Trump-Lied von uns? Sollen wir unser 15. Anti-Nazi-Lied schreiben?" Wir laufen ja Gefahr, blass zu werden, wenn wir Statements wiederholen, die ohnehin alle von uns erwarten, wenn wir irgendwo auftauchen. Außerdem haben politische Kommentare mittlerweile eine sehr kurze Halbwertszeit, weil sich die Ereignisse überstürzen. Zum Beispiel unser Lied "Europa" über die Flüchtlingssituation: Das hat vor fünf Jahren eine ganz andere Betroffenheit ausgelöst, als es heute der Fall wäre.

Warum glauben Sie das?

Die Leute haben sich über den Streit in Bezug auf die realen Probleme emotional verhärtet. Immer noch saufen die Schiffe im Mittelmeer ab. Das finden die Menschen nicht gut, aber man solle das um Gottes Willen jetzt nicht so gestalten, dass die Flüchtlinge denken könnten, es gebe eine neue Route. Der Tod vieler wird in Kauf genommen, weil die Gesellschaft tief gespalten ist hinsichtlich der Frage, wie weit Solidarität mit Menschen gehen soll, die in totaler Not sind. Denn wie in jedem anderen Lebensbereich gibt es auch unter den Flüchtlingen schwarze Schafe, die die Situation ausnützen. Menschen, die durch unvorstellbare Feuer gegangen sind und eine andere Wertvorstellung davon haben, was sie hier zu tun und zu lassen haben. Da schauen wir hilflos zu, fragen uns, warum sie nicht dankbar sind, dass wir sie aufgenommen haben. Da prallen Welten aufeinander. Dass aber die große Mehrheit der Flüchtlinge, die den gefährlichen Weg auf sich nehmen, in friedlicher Absicht kommen und vor dem Elend in ihrer Heimat fliehen, wird gerne mal übersehen.

Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, dass eine Annäherung stattfinden kann?

Wir müssten versuchen, wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken, was wir hier in Europa für unglaubliche Möglichkeiten und Freiheiten haben. Der Aufruf zur Vernunft, nach zwei fürchterlichen Weltkriegen in Europa miteinander klarzukommen, geht schon so viele Jahre gut, dass sich die Leute dran gewöhnt haben und das nicht mehr würdigen. Deshalb wird wie beim Brexit gezündelt. Das hat mich wahnsinnig enttäuscht, denn meine Mutter war gebürtige Engländerin und ich habe mich Zeit meines Lebens weder als Deutscher noch als Engländer gefühlt. Mit der Definition "Europäer" bin ich hingegen immer gut klargekommen. Letztendlich sind wir alle aus demselben Suppentopf. Es bedrückt mich, dass eine Seite das nicht so sehen will.

Ist der Song "Pop und Politik" von "Laune der Natur" eine Reaktion auf die Kritik, dass politische Songs nichts verändern können?

Der Text basiert auf lauter Anfeindungen, die wir alle – also die Künstler und Musiker, die sich politisch positionieren – häufig ertragen müssen. Es geht auch darum, dass diese Anfeindungen über Internet und Shitstorms eine neue Qualität erreicht haben. Da wird versucht, uns zum Umkippen zu bringen, wenn wir Flagge zeigen. Sie zielen darauf ab, dass wir in Zukunft lieber sagen: "Diesen Ärger können wir nicht gebrauchen, wir verlieren Fans, wenn wir Flagge zeigen". Und es wird auch unterstellt, dass politische Positionierung ein Schachzug ist, mit dem man seine Platten verkaufen will.

Das wurde tatsächlich auch Ihnen vorgeworfen?

Sehr oft sogar. Da heißt es: "Kaum bringen die ein neues Album raus, machen sie sich wieder wichtig!" Helene Fischer zum Beispiel äußert sich zu solchen Dingen nicht. Das ist ihr gutes Recht und ich will das auch gar nicht bewerten. Aber was wäre, wenn sie sagen würde: "Ich bin gegen die AfD und gegen die rechtsextreme Stimmung"? Sie würde unglaublichen Hass auf sich ziehen. Das Management würde vielleicht sagen: "So einen Ärger brauchen wir nicht, wir haben eine gut geölte Maschine, die perfekt läuft, also bitte in Bezug auf Politik den Mund halten". Die Tatsache ist doch, dass man eher bereit sein muss, bei den Fans Verluste hinzunehmen, wenn man sich politisch positioniert.

Für "Learning English Lesson 2", die Bonus-CD zu "Laune der Natur", haben Sie Punk-Klassiker mit den Originalinterpreten neu aufgenommen. Gibt es eine Kollaboration, auf die Sie besonders stolz sind?

Auf alle, ich will da keinen hervorheben. Aber dass Bob Geldof mitgemacht hat, hat mich schon wahnsinnig gefreut.

Ich habe das Gefühl, Sie sind ihm sehr ähnlich in Bezug auf die Kompromisslosigkeit und die Integrität, mit der Sie für Ihre Haltung und Werte kämpfen.

Das kann ich selbst schwer beurteilen. Aber ich bewundere ihn für seine Leidenschaft und sein Feuer, das er auch heute noch jederzeit versprühen kann. Wir kommen unheimlich gut miteinander aus. Wenn Leute unseren SMS-Wechsel lesen würden, würden sie vom Sessel fallen, weil wir uns zwischendurch auch mal wie Schuljungen sehr viel Quatsch schreiben. Er ist ja Fan von Chelsea und ich von Liverpool – da fliegen oft gröbste Beleidigungen über den Tisch. Aber gleichzeitig wissen wir, dass wir in vielen Dingen seelenverwandt sind und eine Freundschaft haben, bei der sich jeder voll auf den anderen verlassen kann. Das ist ein schönes Gefühl.

Freuen Sie sich schon auf die Donauinsel?

Wahnsinnig. Denn die Jungs von The Living End aus Australien sind dabei. Das ist eine sehr gute Band, die noch nicht so bekannt ist, wie sie sein sollte. Außerdem sind unsere Freunde von den Beatsteaks dabei und auch Marteria, der einer meiner besten Freunde ist. Das wird ein fantastischer Tag – eine Riesenparty.

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