"Robinson Crusoe": Bosse macht Burg zur Insel

"Robinson Crusoe": Bosse macht Burg zur Insel
Regisseur Jan Bosse hat Defoes Roman "Robinson Crusoe" als Bühnenstück adaptiert. Ein satirisches Spiel mit und ums Theater.

Bundestheaterboss Georg Springer saß ein paar Reihen weiter vorne. Schade. So war nämlich seine Miene nicht zu sehen, als Joachim Meyerhoff vor aller Augen genüsslich das Parkett des Burgtheaters zerlegte. Stuhllehnen abriss, um sich Waffen daraus zu basteln, Sesselbezüge und Logenvorhänge zu Lendenschurzen umfunktionierte, Geländer und Türen zum Foyer aushängte, um daraus sein Fort zu bauen – und schließlich den Teppichboden rausriss. Man braucht ja ein Dach über dem Kopf. "Alles meins", wird dieser Robinson später zu Freitag sagen. "Ich habe aus der Wildnis einen Hochkulturtempel gemacht." – "Hochkulturtrara", wird der die ihm fremden Laute nachäffen.

Regisseur Jan Bosse hat mit Joachim Meyerhoff und Ignaz Kirchner an der Burg das "Projekt einer Insel" erarbeitet. Sein "Robinson Crusoe", frei nach Daniel Defoes 1719 erschienenen Bestseller, ist ein Theaterspiel in mehr als einer Bedeutung des Wortes. Weil das Theater mitspielt, sitzt das Publikum auf der Bühnenseite; jenseits des Mittelgangs und im ersten Rang spielt sich das Schiffbrüchigen-Drama ab. Wobei: So viel Drama ist es nicht. Meyerhoff, über weite Strecken für den Text verantwortlich, mehr als 24 Jahre allein "auf der Insel" agierend, geht an Robinson mit dem ihm eigenen Humor heran.

 

Klamauk-Kolonialismus

Rüttelt am Klischee, das die Figur zur Karikatur machte, wenn er, ausgestattet mit Ziegenfellhose, Hasenhut und Weidenkorb, sagt: "Jetzt sehe ich endlich aus, wie ich mir mich immer vorgestellt habe." Bei allem Klamauk vergisst er aber nie die Geschichte unter der Defoe’schen Oberfläche zu erzählen: In der geht es um Kolonialismus, Herrenmenschentum, Sklaventreiberei, die Welteroberung durch die "Weißen" (da wird eine Wandleuchte zu Inselkönig Robinsons Krone). Um Defoes britisch-puritanische Schaffe-Schaffe-Häusle-baue-Mentalität.

Welch schöne Idee auch, dass Kirchner Robinson erst als sein Vater mit einem Fluch belegt – "Auf dieser Reise wirst du der einsamste Mensch auf Erden werden". Und sich dann vor den Zuschauern zum "wilden" Freitag schminkt, um dessen Einlösung beizuwohnen. Robinson sieht in Freitag nie den Partner, nur den Butler. Den er Sitze "entstauben" lässt. Der rächt sich mit dem Machtmittel der Untergebenen: Subversion. Großartige verbale Kämpfe zwischen Meyerhoff und Kirchner finden da statt. Denn natürlich muss der Kulturlose die wichtigsten Sätze lernen, die ein Theaterkenner braucht: "Ach, nein, schon wieder sitzt so ein Großer vor mir." Und: "Hat das eine Pause?"

KURIER-Wertung: ***** von *****

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