Robert Frank: Ein Roadtrip für die Ewigkeit
Für zahllose Menschen war die Begegnung mit Robert Franks Werk ein Schlüsselerlebnis: Es machte aus ihnen Foto-Enthusiasten (wie im Fall Ihres Rezensenten) oder inspirierte die eigene fotografische Praxis.
Doch warum? In der schlichten, schönen Ausstellung der Albertina lässt es sich ergründen. Die berühmten Fotos hängen da als erstklassige Originalabzüge an der Wand – spektakulären Hochglanz-Formaten hätte der hochbetagte Frank (*1924), der bis heute restriktiv über sein Werk wacht, nie die Zustimmung erteilt.
Im Mittelpunkt stehen Fotografien der 1940er und ’50er Jahre: Nach einer Lehrzeit in seinem Geburtsland Schweiz und der Auswanderung in die USA anno 1947 gestaltete Frank zunächst Reportagen über Bergarbeiter in Wales, Banker und Chauffeure in London und Alltagsszenen in Paris; dann unternahm er jene Reisen durch die USA, die im epochalen Fotobuch "The Americans" mündeten, das 1958 in Paris und 1959 in New York erschien.
Mehr als Nostalgie
Frank fotografierte rasch und schoss teils buchstäblich "aus der Hüfte" – doch technische Unzulänglichkeiten wie Überbelichtungen sehen bei ihm mitunter wie Heiligenscheine aus und verrücken die Bilder von Autos oder Jukeboxen in eine Sphäre jenseits der bloßen Abbildung. Schiefe Horizonte und vom Bildrand angeschnittene Personen wiederum erzeugen eine Dynamik, wie sie eine streng komponierte Fotografie nie zustande brächte.
Wenn Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder in Franks Realitätsnähe eine Parallele zu den derzeit im Museum präsentierten Werken Pieter Bruegels erkennt, darf man auch eine Verbindung zu Raffael, dem zweiten Star des Albertina-Programms, hinzufügen: Denn beim Renaissancekünstler lobte man die Kombination von scheinbarer Absichtslosigkeit und vollendeter Handhabe des künstlerischen Mediums. Selbiges lässt sich – in anderer Tonlage – auch bei Robert Frank konstatieren.
Große Nähe und Distanz
Franks umfassendes Bewegtbild-Oeuvre ist in der Schau nur insofern Thema, als der Künstler darin manchmal auf seine Foto-Arbeit zurückkam. Im Film "Conversations in Vermont" (1969) zeigt Frank etwa seinen Kindern reihenweise alte Fotos. Die jungen Leute sind unberührt bis distanziert, und der Künstler muss feststellen, dass er sein Werk ohne Rücksichtnahme auf seine Familie vorangetrieben hatte.
Frank musste später den Tod beider Kinder verkraften und schuf teils schmerzhaft persönliche Bilder als Reaktion auf den Verlust. Dass der Mann, der mit seiner Kamera der Welt so nahe kam wie wenige sonst, jene nicht festhalten konnte, die ihm am nächsten standen, bildet den traurigen Nachklang dieses endlos faszinierenden, tiefgründigen Werks.
INFO
Die Werkschau „Robert Frank“ ist bis 21.1.2018 in der Albertina zu sehen. Von 10. bis 27. November zeigt das Filmmuseum dazu Franks Film- und Videoarbeiten. Franks berüchtigte Rolling-Stones-Doku „Cocksucker Blues“ wird aufgrund rechtlicher Beschränkungen Mitte Jänner nachgereicht. Die Film-Biografie „Robert Frank – Don’t Blink“ startet am 10. November in mehreren österreichischen Kinos.
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