Riesenerfolg im Akademietheater

Daniel Jesch, Frida-Lovisa Hamann und Dirk Nocker in "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas"
"Die Wiedervereingung der beiden Koreas": Liebe als größter anzunehmender Auffahrunfall

Die Liebe ist ein Super-GAAU: der größte anzunehmende Auffahrunfall. Schlimmer: Sie ist der einzige Unfall, der Spaß macht. Zumindest am Anfang. Dabei geht er selten ohne schwere Sach- bis Personenschäden ab.

Am besten zeigt sich das in der siebenten (und lustigsten) Szene des Abends, betitelt "Hochzeit". Ein Paar will zum Altar gehen, als eine Schwester der Braut Ansprüche anmeldet: Der Bräutigam liebe in Wahrheit sie. Was zu Beginn als schlechter Witz belächelt wird, erzeugt einen Strudel der Vernichtung, bis sich herausstellt: Der Bräutigam unterhielt intime Beziehungen zu allen vier Schwestern der Braut.

Komisch, grotesk und berührend ist die Szene "Geld": Ein Mann möchte die langjährige Beziehung zu seiner Stamm-Prostituierten beenden, weil er eine ehrbare Verbindung mit einer anderen eingehen will. Zu seiner Verblüffung hat die Prostituierte in ihm immer mehr gesehen als einen Kunden und will ihn jetzt nicht gehen lassen. Die Pointe: Der Mann, der sich in billigen Phrasen windet, ist Priester...

Eine unerwartete Wendung nimmt die Szene "Kinder": Ein Ehepaar kommt nach Hause und findet das Kindermädchen alleine vor, die Kinder sind verschwunden. Langsam wird klar: Die beiden haben gar keine Kinder, sie spielen einander nur vor, welche zu haben (ein Verweis auf "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?")...

Sehnsucht

Der französische Erfolgs-Dramatiker Joël Pommerat hat mit "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" ein großartiges Stück über die Liebe geschrieben, also über das, dessen Gelingen wir uns am meisten wünschen und dessen Nichtgelingen wir am öftesten erleben. Es ist ein Stück über die Sehnsucht, über das Aneinander-vorbei-Begehren, über das Missverständnis. Der Text ist pathosfrei, voll von Traurigkeit, Mitleid und Witz

Peter Wittenberg hat mit großer Zurückhaltung und Sensibilität inszeniert. Frida-Lovisa Hamann, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt, Dörte Lyssewski, Petra Morzé, Markus Hering, Daniel Jesch, Dirk Nocker und Martin Reinke spielen die 19 Szenen schlicht wunderbar, sehr zart, fast beiläufig.

Jubel für einen nahezu perfekten Theaterabend.

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