Reichenau: Ein fulminanter Totentanz

Reichenau: Ein fulminanter Totentanz
Nicolaus Haggs "Spion Oberst Redl" überzeugt bei den Festspielen Reichenau auch dank eines großartig aufspielenden Marcello de Nardo als tragischer Spion.

Ewald Balser hat ihn im Film gespielt, Klaus Maria Brandauer hat ihm auf der Leinwand sein Gesicht verliehen - nun kommt er auch zu Theaterehren. Er, das ist Alfred Redl, jener von Mythen umrankte Oberst, der (weil homosexuell und damit erpressbar) Staatsgeheimnisse der Monarchie verkauft und nach seiner Enttarnung den Selbstmord gewählt hat.

Nicolaus Hagg hat für die Festspiele Reichenau über diese historische Figur (Redl erschoss sich 1913, also am Vorabend des Ersten Weltkriegs) ein sehr spannendes, natürlich auch spekulatives, aber atmosphärisch dichtes Drama geschrieben. Und Regisseur Michael Gampe hat diese Tragödie, diesen Totentanz des Kaiserreiches mit viel Gefühl auf die Bühne des Neuen Spielraums gebracht.

Eine riesige Flügeltür, ein Tisch, Stühle und eine kleine Büste des alten Kaisers (Ausstattung: Peter Loidolt, Kostüme: Erika Navas) - mehr benötigen Gampe und Hagg nicht, um Redls Aufstieg und Fall zu zeigen.

Vom "Zauber der Montur" ist der aus eher ärmlichen Verhältnissen stammende Redl schon als Kind (gespielt von Julius Hagg) fasziniert. Als erwachsener Mann macht Redl auch dank der Protektion des Thronfolgers, Erzherzog Franz Ferdinand, rasch Karriere. Bis zu seiner Entlarvung.

Furios

Dass diese Geschichte so packend ist, liegt vor allem an Marcello de Nardo, der einen grandiosen Redl gibt. Eiskalter Karrierist, unglücklich Liebender, skrupelloser Stratege, ängstlicher Träumer, brutaler Täter und getriebenes Opfer zugleich - Marcello de Nardo zeichnet einen unglaublich vielschichtigen Charakter, der zum Synonym einer untergehenden Gesellschaftsordnung wird. Fabelhaft.

Pointe dabei: Der Erzherzog ist an diesem Untergang nicht unschuldig. Miguel Herz-Kestranek spielt diesen Franz Ferdinand in all seiner Ambivalenz aus. Gut auch Rainer Frieb, Christoph Zadra und Raphael von Bargen als Militärs; sehr natürlich agieren weiters Johanna Arrouas und Sona MacDonald. Nicolaus Hagg wirkt selbst mit; David Oberkogler hat gute Momente. Nur Simon Mantei bleibt als Redls berechnender Geliebter allzu hölzern und steif. Jubel.

KURIER-Wertung: ****
* von *****

Fazit: Toller Stoff, famos umgesetzt

Stück: Nicolaus Hagg hat für die Festspiele Reichenau ein packendes Drama verfasst.

Regie: Michael Gampe hat sehr gefühlvoll inszeniert.

Spiel: Marcello de Nardo brilliert, Miguel Herz-Kestranek führt das gute Ensemble an.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Kritik

  • Kritik

  • Hintergrund

Kommentare