Fendrich zu "I am from Austria": "Das Lied passt nicht mehr"

Rainhard Fendrich im Gespräch
Rainhard Fendrich im Interview über seine heiß umfehdete, wild umstrittene Ersatz-Hymne.

Rainhard Fendrich hat sein Lied "I Am From Austria" für den Wahlkampf von Alexander Van der Bellen freigegeben. Im Interview erinnert er sich daran, wie das Lied ursprünglich gemeint – und zunächst alles andere als ein Erfolg war.

Ein Gespräch über Waldheim, Populismus, Rechte und Unzufriedene, Patriotismus und Demokratie, Hymnen und den Großglockner.

KURIER: Wie ist das Lied "I Am From Austria" wirklich entstanden? Und wie war es ursprünglich gemeint?

Rainhard Fendrich: Ich habe mir diese Frage in den letzten Tagen selber gestellt, und musste auch selber ein wenig recherchieren, weil das so lange her ist.

Das Lied entstand 1988/’89, nach der Waldheim-Affäre, an die sich viele gar nicht erinnern können, die heute Fahnen schwingen und "I Am From Austria" singen. Kurt Waldheim wurde damals zum Bundespräsidenten gewählt, vorher war er fast zehn Jahre lang UNO-Generalsekretär gewesen. Man konnte ihm eine Nazi-Vergangenheit nachweisen, zumindest, dass er bei der SA war. Und er ist sehr ungeschickt mit dieser Geschichte umgegangen.

Die Folge war: Österreich stand international als Nazi-Land da. Und viele Österreicher haben sich geschämt und ihre eigene Identität geleugnet. Ich hatte damals ein Ferienhaus in den USA. Meine Nachbarn dort, ebenfalls Österreicher, haben plötzlich gesagt, sie sind Deutsche.

Sie aber nicht.

Ich fand das furchtbar, und deshalb habe ich ein Lied geschrieben. Das Lied wurde aber als nationalistisch kritisiert und zunächst im Radio kaum gespielt. Dabei war es nie nationalistisch gemeint. Es hat mir einfach wehgetan, dass man Österreich verleugnet – deshalb die Zeile "Sag mir wer/zieht noch den Hut vor dir/außer mir?" Und weil Österreich in der ganzen Welt schlecht darstellt wurde, habe ich die Refrainzeile bewusst englisch gesungen: "I am from Austria".

Das Lied wurde damals abgelehnt?

Damals war das Lied sozusagen gegen den Wind gesungen. Heute bekommt es einen ganz komischen Rückenwind. Es bekommt eine ganz andere Bedeutung, die ich nie wollte. Das Lied passt nicht in die heutige politische Landschaft.

Warum?

Ich sah das damals und sehe es heute so: Ich kann mich nicht für eine Vergangenheit rechtfertigen, bei der ich nicht dabei war. Aber ich habe eine Verantwortung für die Zukunft, ich muss alles tun, damit so etwas nicht passiert. Ich bin dagegen, dass Menschen ausgegrenzt werden. Ich verstehe aber, dass die Leute unzufrieden sind – wenn man bedenkt, dass 60 Prozent der Menschen bei uns am unteren Rand des Einkommensspektrums leben.

Nur: Die Probleme waren schon da, lange bevor der erste Flüchtling über die Grenze kam. Die Rechtspopulisten suchen immer einen Sündenbock. Damals waren das die Juden, heute sind das die Flüchtlinge.

Das Lied hat heute den Status einer "Hymne".

Hymnen sind immer kritiklos. Ich singe aber auch "I kenn die Leut/i kenn die Ratten/die Dummheit, die zum Himmel schreit". Da hört niemand hin.

Sie haben das Lied für den Wahlkampf von Alexander Van der Bellen zur Verfügung gestellt und sich auch als sein Wähler deklariert. Wie gehen die Menschen damit um?

Natürlich sind jetzt auch viele Leute enttäuscht, dass ich eine andere politische Gesinnung habe als sie. Ich sage aber: Das ist eine Persönlichkeitswahl. Ich vertraue Van der Bellen als Person, ich denke, er könnte Österreich gut in der Welt repräsentieren. Ich würde aber für keine politische Partei eintreten – ich sehe derzeit keine Partei, für die ich das könnte.

Das Lied galt ja damals zunächst gar nicht als potenzieller Hit.

Nein. Mein Plattenfirmenchef hat es dann entdeckt und gemeint, das ist doch ein schöner Song und wäre eine gute Single. Aber dann hat man mich deswegen angefeindet und ins rechte Eck gestellt. Ich weiß nicht, wieso es dann doch ein Hit wurde. Heute wird es bei Fußballmatches gesungen ... ich konnte das nicht mehr kontrollieren. Ich kann mich immer nur distanzieren, wenn es auf rechtspopulistischen Veranstaltungen gespielt wird!

Hat auch das ein wenig pathetische Video zum Erfolg beigetragen? Man sieht Sie, wie Sie auf dem Gipfel des Großglockners singen.

Ja, das Video hat auch etwas Pathetisches gehabt. Aber es ist ein schönes Lied, und auf den Großglockner zu steigen ist nichts Falsches, und im Übrigen ziemlich anstrengend.

Ich bin immer noch stolz auf dieses Land! Mir ist es nicht egal, wie es den Menschen in diesem Land geht! Und ich finde, Kunst soll sich mit den Verhältnissen beschäftigen.

Mich einzumischen ist mein Recht – und sogar meine Pflicht!

Wie sehen Sie die Situation derzeit? Man hat den Eindruck, das Land ist gespalten.

Ich wähle Van der Bellen. Aber falls es Hofer wird, muss ich es akzeptieren – das ist Demokratie! Man muss eine demokratische Wahl akzeptieren. Die Politik hat versagt, nicht die Demokratie. Und ich und wir alle sind für die Zukunft verantwortlich. (Anm.: Das Interview wurde vor Bekanntwerden des Wahlergebnisses geführt)

Werden Sie das Lied jetzt in den Konzerten singen?

Es nicht mehr zu singen, wäre falsch. Aber ich werde wohl vorher etwas sagen.

Ich habe grundsätzlich ein Problem mit dem Wort Patriotismus. Es ist mir schon zu nah an kritikloser Vaterlandsliebe. Aber mir hat es damals, 1988, weh getan, wie Österreich als Naziland dargestellt wurde, und mir tut es auch heute weh, wenn ich in Satiresendungen Hitler-Schnitzel sehe. Die Menschen sind keine Rechten, sie sind unzufrieden. Und der Populismus gibt der Unzufriedenheit eine Heimat. Aber der Populismus kann in Wahrheit nichts ändern. Daher sage ich: Wenn ihr Populisten wählt – seid wachsam, ob sich dadurch wirklich etwas zum Besseren ändert.

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