Radiotest: Bekam ORF 20 Millionen Euro zu viel?

Radiotest: Bekam ORF 20 Millionen Euro zu viel?
Ergebnisse zu Gunsten des ORF massiv verfälscht - Privatsender fordern Schadenersatz

Die Radiotest-Manipulationen durch das Marktforschungsinstitut GfK könnten in den vergangenen fünf Jahren einen finanziellen Schaden von bis zu 20 Millionen Euro verursacht haben. Nutznießer der Datenverfälschungen war offenbar der ORF, während die Daten von Privatsendern teils massiv downgegradet wurden. Das sind die ersten Ergebnisse einer derzeit laufenden Überprüfung der Radiotest-Daten.

„Es gibt jeden Tag mehr Erkenntnisse, und es steht inzwischen fest, dass die kommerziellen Radio-Angebote des ORF, insbesondere Ö3, aber auch die Regionalradios österreichweit hinaufgeschrieben wurden“, berichtete Ernst Swoboda, Geschäftsführer von Kronehit und seit dieser Woche auch Vorsitzender des Verbands der Privatsender (VÖP), im Gespräch mit der APA. „Die ORF-Sender wurden mit höheren Werten ausgewiesen, die Privaten dafür mit niedrigeren“, erklärte Swoboda.

So wies GfK im ersten Halbjahr 2015 in der werberelevanten Zielgruppe (14 bis 49 Jahre) für Ö3 41 Prozent Marktanteil aus, tatsächlich waren es nun nach Prüfung der manipulierten Daten nur 38 Prozent. Für den ORF insgesamt wurden 64 Prozent ausgewiesen, der wahre Wert lag bei 60 Prozent. Der private Vermarktungsring RMS Top wurde im Gegenzug mit 33 statt der tatsächlichen 36 Prozent Marktanteil ausgewiesen. In einzelnen Bundesländern waren die Manipulationen durch GfK offenbar noch gravierender. In der Steiermark wurde die Antenne Steiermark von 31 auf 24 Prozent Marktanteil runtergestuft, in Vorarlberg die Plätze von Antenne Vorarlberg und Ö3 einfach umgedreht.

Besonders verzerrt: Steiermark und Vorarlberg

Steiermark und Vorarlberg sind die zwei schlimmsten Bundesländer, wo die führenden Regionalsender massiv runtergeschrieben worden sind und dafür die ORF-Sender massiv in die Höhe“, so Swoboda. „In der Steiermark wären Ö3 und Antenne Kopf an Kopf gewesen, ausgewiesen wurde Ö3 mit Riesenvorsprung. In Vorarlberg war die Antenne weit vor Ö3, im Ausweis war es genau umgekehrt. Das sind die Daten 2015, und wir haben die Information, dass es 2014 und die Jahre davor für die Privaten schlimmer war“, so der Kronehit-Chef.

Das Werbevolumen auf dem österreichischen Radiomarkt beträgt etwa 100 Millionen Euro. Ein Prozent Marktanteil macht demnach eine Million aus. Allein 2015 könnten demnach drei bis vier Millionen beim ORF statt bei den Privatsendern gelandet sein. Nach bisherigen Infos sollen die Manipulationen zumindest bis ins Jahr 2011 zurückreichen. Swoboda: „Ich schätze das Volumen wird irgendwo bei 15 bis 20 Millionen sein, um das die Privatsender geschnalzen worden sind, und die der ORF zu viel bekommen hat.“

Motiv unklar

Die Motive für die Manipulationen sind nach wie vor unklar. „Bei dieser Dimension fehlt mir momentan jede Erklärung. Klar ist, das ist bis in die Führungsspitze der GfK Österreich bekannt gewesen. Das ging über viele Jahre, ganz systematisch. Es gibt bis dato keinen objektivierbaren Anhaltspunkt, dass der ORF was davon gewusst hätte“, so der VÖP-Vorsitzende. Swoboda vermutet, dass GfK dem ORF einfach Gutes tun wollte, weil es von dort immer wieder Aufträge für Erhebungen gab. „Solche Fälle orten wir in letzter Zeit verstärkt“, erzählte Swoboda. „Ich habe Indizien dafür, dass das auch bei den Verwertungsgesellschaften passiert. Dort scheint es so zu sein, dass auch die Privaten diskriminiert werden und der ORF bevorzugt behandelt wird. Wobei dort geht es nicht um kriminelle Machenschaften, sondern um Verträge, die anders ausgelegt sind.“

Die heimischen Privatsender wollen nun jedenfalls die eigentlich ihnen zustehenden Werbegelder für die nicht ausgewiesenen Marktanteile zurück haben. „Wir werden selbstverständlich Schadenersatz fordern. Primär von der GfK, aber ich lasse auch gerade prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, sich das direkt vom ORF zu holen. Der ORF hat unsere privaten Kontakte, Leistungen verkauft und daher hätten wir gerne, was er als Kaufpreis dafür bekommen hat. Das ist ein ganz simpler zivilrechtlicher Zugang“, so Swoboda. In der Juristensprache ist von einem ungerechtfertigten Verwendungsanspruch durch den ORF die Rede. Dieser gilt unabhängig von der Schuldfrage. „Darüber werden wir mit dem ORF reden müssen und vielleicht nicht nur reden“, meinte Swoboda.

ORF kritisiert "Skandalisierung"

Der ORF tritt in der Causa Radiotest für eine „volle Aufklärung der Sachlage“ ein. In einer Unterredung mit Vertretern der Privatradios und des Marktforschungsinstituts GfK wurde am Freitag festgelegt, dass die nun vorliegenden korrigierten Daten 2015 zur weiteren Verwendung freigegeben werden - „als bloße Arbeitsbasis vorbehaltlich nachfolgenden Audits“, so der öffentlich-rechtliche Sender.

Ergebnis der veröffentlichten Daten: Ö3 und teils auch die ORF-Regionalradios wurden nun für 2015 nachträglich niedriger bewertet, etliche Privatsender höher. Die ORF-Sender waren offenbar Nutznießer der Datenverfälschungen bei GfK, während die Hörerzahlen von Privatsendern teils massiv downgegradet wurden.

Der ORF meldete unterdessen Zweifel an den neuen Daten an: „Auch der nun vorliegende Datenbestand lässt erhebliche Zweifel offen, ob die nun auch korrigierten Werte die Marktverhältnisse korrekt abbilden. Da sie aber ohne Alternative sind, wird der ORF vorerst auf Basis dieser Daten seine Sender vermarkten. Darüber hinaus werden ausnahmsweise auch die Daten des 1. Quartals 2016 veröffentlicht.“ Ein Revisionskomitee soll nun die Datenreihen der Jahre 2011 bis 2015 überprüfen. Diese sollen in etwa sechs Monaten vorliegen.

„Völlig unverständlich“ nannte der ORF unterdessen die „heutige Entgleisung“ des neuen VÖP-Präsidenten Ernst Swoboda. Der Kronehit-Geschäftsführer meinte in einem APA-Interview, dass der Schaden für die Privatsender 15 bis 20 Millionen Euro ausmachen könnte und kündigte entsprechende Forderungen gegen GfK und den ORF an. „Die Skandalisierung durch Swoboda dient jedenfalls nicht dem Ziel, das Vertrauen im Markt zurückzugewinnen, sondern offensichtlich nutzt er seine neue Position als VÖP-Präsident dazu, Politik gegen den ORF zu machen. Das ist schärfstens zurückzuweisen“, teilte der ORF dazu mit.

GfK prüft Klage

Nach den aufgeflogenen Manipulationen beim Radiotest richten der Marktforscher Gfk und die Radiosender nun ein gemeinsames sogenanntes „Revisionskomitee“ ein, teilte GfK am Freitag nach einem Treffen mit den Auftraggebern mit. Laut GfK wurde kein Sender bewusst benachteiligt. Dem Kronehit-Chef Ernst Swoboda droht das Marktforschungsunternehmen mit Klage.

„Die bisherigen Untersuchungen seitens GfK haben ergeben, dass weder eine grundsätzliche Bevorzugung noch grundsätzliche Benachteiligung spezifischer Sender bewusst vorgenommen worden ist“, erklärte GfK in einer Aussendung. „Es ergaben sich außerdem keinerlei Anhaltspunkte für irgendeine Form der Einflussnahme auf die Studienergebnisse durch den ORF oder die privaten Sender.“

Entsprechende Spekulationen und Anschuldigungen vom neuen Präsidenten des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP) und Geschäftsführers von KroneHit, Ernst Swoboda, seien für eine sachorientierte Aufklärung nicht hilfreich. GfK weist auch Swobodas „unseriöse Schadensabschätzungen“ zurück. Man prüfe angesichts seiner öffentlichen Stellungnahmen rechtliche Schritte gegen Swoboda.

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