Quentin Tarantino: "Das sind alles Schurken"

Kurt Russell (links) und Samuel L. Jackson
Der Regisseur über "The Hateful Eight", Rassismus und Christoph Waltz.

Quentin Tarantino hatte einen Traum. Der ehemalige Video-Verkäufer wollte immer einen Western machen. "The Hateful Eight" wurde eine dreistündige Blutoper in 70 mm mit Overtüre und Pause. In den Hauptrollen: die üblichen Verdächtigen, aber ohne Christoph Waltz. Zum Interview in Beverly Hills kommt der Regisseur und Autor wie immer energiegeladen. Er spricht in Stakkato mit Rufzeichen:

KURIER: Haben Sie eine neue Muse gefunden?

Quentin Tarantino: Nein! Ich habe die Rolle des Bob für Christoph geschrieben, aber er konnte nicht, weil er "Spectre" drehte. Natürlich wäre Bob dann kein Mexikaner gewesen! Dazu habe ich ihn erst gemacht, als ich Demián Bichir engagiert habe.

In diesem Film gibt es keine Helden. War das Absicht ?

Quentin Tarantino: "Das sind alles Schurken"
Director Quentin Tarantino gestures as he arrives for the German premiere of "The Hateful Eight" at Zoo Palast cinema in Berlin, Germany, January 26, 2016. REUTERS/Fabrizio Bensch
Die Rolle, die Samuel Jackson spielt, war in der Erstfassung sehr heldenhaft. Dann erkannte ich aber, dass das so nicht funktioniert, es darf keine Helden in dieser Story geben. Ich will keinen moralischen Kompass und keine moralische Plattform, auf die sich der Zuschauer stellen kann. Das sind alles Schurken.

Sie haben einen interessanten Zugang zum Drehbuchschreiben – Sie leiden nicht darunter wie die meisten Autoren.

Nein, ich habe eine fantastische Zeit, wenn ich schreibe. Das einzige Mal, als ich mich gequält habe, war bei "Inglourious Basterds". Aber auch nur, weil ich nicht aufhören konnte. Ich hatte 500 Seiten, und das war nur der erste Akt! Ich konnte nichts eliminieren, ich liebte jeden Satz. Also warf ich es in eine Lade und machte stattdessen erstmal "Kill Bill". Ich schrieb anfangs alles in der Nacht, und wenn ich untertags arbeitete, war das meistens in einem Kaffeehaus oder Restaurant. Seit "Inglourious Basterds" schreibe ich aber bei Tageslicht. Ich stehe gegen 10 auf, beginne um 11 zu arbeiten, meistens auf meinem Balkon, und höre gegen 6 oder 7 auf. Dann schwimme ich in meinem Pool und denke über die nächsten Szenen nach.

"The Hateful Eight" hat einen anderen Ton, als man von Ihnen gewöhnt ist.

Sie meinen, es gibt nicht so viel Humor? Das stimmt und war Absicht. Ich war immer ganz verliebt in meine Witze, aber hier musste ich mich von einigen richtigen Perlen trennen, weil sonst die Spannung gelitten hätte. Dieser Film ist ein Westernkrimi. Man weiß nicht, wer wer ist und was er wirklich im Schilde führt. Deshalb habe ich auch Ennio Morricone für die Filmmusik engagiert. Zum ersten Mal in meiner Karriere gibt es eine eigens komponierte Musik! Und ja, ich wollte ein paar Lacher, aber nicht so viele wie in "Inglourious Basterds" und "Django".

Western haben eine Tradition im amerikanischen Film. Über die Jahrzehnte haben sie oft die politische Situation reflektiert. Ihr Film spielt Mitte des 19. Jahrhunderts. Haben sich einige Themen Ihrer Meinung nach immer noch nicht verändert?

Wir haben einen schwarzen Präsidenten, und wir haben einen Rassenkrieg. Wir haben eine Bewegung, Black Lives Matter, weil viele Leute – und nicht nur Afroamerikaner – nicht mehr zuschauen können, wie dauernd schwarze Jugendliche von der Polizei erschossen werden. Ist das wie der wilde Westen? Garantiert. Ich hatte nicht bewusst vorgehabt, einen Nordstaaten/Südstaaten-Western zu machen. Aber ich hatte eine Szene, in der Maddox zu Major Warren sagt: "Wenn die Neger Angst haben, fühlen sich die Weißen sicher. Nach South Carolina sind sie sicher." Dann passierte das Attentat auf die Kirche, und ich schnitt die Szene raus.

Es geht das Gerücht, Sie hätten für die einzige weibliche HauptrolleDaisy Domergue – 300 Schauspielerinnen getestet?

Ob es 300 waren, weiß ich nicht, aber es waren viele! Irgendwann in der Mitte war Jennifer Jason Leigh. Sie war die erste, die beim Vorsprechen in der Szene, wo Sam Jackson droht, ihr in den Fuß zu schießen, wirklich laut geschrien hat. So laut, dass die Nachbarn zusammenliefen. Danach beurteilte ich alle anderen nach Jennifers Schrei. Und keine kam ihr nahe.

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