"Quasi ein Fußballspiel mit 20 Elfern"

Gregor Bloéb mit Regina Fritsch in Nestroys „Liebesgeschichten und Heiratssachen“
Gregor Bloéb über seine Rolle in Johann Nestroys Komödie "Liebesgeschichten und Heiratssachen" - Premiere am Donnerstag im Burgtheater

Gregor Bloéb gab dem KURIER ein Interview. Er erzählte unter anderem, warum er das Residenztheater verließ, dass er eigentlich nur Lagerfeuergitarrist sei und dass ihm das "Siegerdenken-Gen" fehle. Doch derart offenherzig wollte er wahrscheinlich nicht antworten: Er schrieb den Text, zur Autorisierung vorgelegt, ziemlich um, er fügte viele lobende Worte ein – und strich die Frage zum Verhältnis zu seinem älteren Bruder Tobias Moretti, dem neuen Jedermann der Salzburger Festspiele, komplett. Es gilt in diesem Fall also nicht das gesprochene, sondern das verbesserte Wort.

KURIER: Am Donnerstag hat "Liebesgeschichten und Heiratssachen" von Johann Nestroy Premiere. Ihre dritte Burgtheater-Produktion – und die dritte mit Georg Schmiedleitner als Regisseur. Sind Sie beide bereits so etwas wie ein Team?

Gregor Bloéb: Scheint so. Aber ich glaub, es war auch ein Zufall. Denn für "Die letzten Tage der Menschheit" wollte mich Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann haben. Bei "Engel des Vergessens" bin ich eigentlich eingesprungen. Und weil ich davor den "Fall Jägerstätter" und "Der Boxer", alles schwere Stoffe, gespielt hab, sagte ich zu Bergmann: "Bitte das nächste Mal eine Komödie! Ich muss wieder einmal die Sau rauslassen dürfen!"

Und sie bot Ihnen die Rolle des Fleischselchers Florian Fett an?

Ja. Obwohl ich mit Nestroy eigentlich nie was anfangen konnte, oder zumindest wenig. Aber dann sagte Karin Bergmann: "Der Fett ist ein Filetstück. Das ist ein Bissen für dich!" Also hab ich das Stück gelesen. Und ich hab es großartig gefunden. Grandios. Mir war völlig unverständlich, warum ich Nestroy immer als ein bisschen beschränkt und so blöd-lieblich empfunden hab. Das gibts doch nicht! Und ich bin draufgekommen warum: Ich hatte einfach nur diese angestaubten 80er-Aufführungen im Kopf mit diesen lächerlichen Kostümen und Tapeten und jeder kommentiert auf der Bühne das Geschehen. Und dann noch Couplets, die alle so urlustig und gar so frech sein sollen. Und nun verbeug ich mich beschämt und empfinde Nestroy als meinen neuen besten Freund.

Ihr erster Nestroy also?

Ja. Fett ist ein einfacher Fleischselcher, der plötzlich zu wahnsinnig viel Geld gekommen ist und nun Zugang haben möchte zur adeligen Gesellschaft. Ein wunderbarer Charakter. Er möchte "dazugehören", aber die Herkunft kommt – wie wir alle wissen – immer zum Vorschein, auch wenn man sich noch so bemüht, sie zu verbergen. Somit ergibt sich eine unbeschreibliche Spielwiese. Das ist quasi ein Fußballspiel mit 20 Elfern.

Markus Meyer, der den durchtriebenen Nebel spielt, ist ein hinreißender Komödiant. Stachelt man sich gegenseitig auf?

Auch Dietmar König und Regina Fritsch sind begnadete Komödianten! Und wenn sich Komödianten finden, dann geht’s dahin, dann kann man sich verlieren. Es besteht auch die Gefahr, dass man es selber zu lustig hat. Deswegen braucht es den Regisseur. Er muss strukturieren. Und da sind wir wieder bei Georg Schmiedleitner. Auf ihn kann man sich verlassen, dass alles zusammen gefügt wird, was zusammen gehört. Bei "Die letzten Tage" und "Engel des Vergessens" dachte ich noch eine Woche vor der Premiere: Das geht sich hinten und vorn nicht aus. Aber in beiden Fällen ist nicht nur etwas sehr Schönes, sondern auch etwas sehr Gutes herausgekommen. Und wir haben eine großartige Musik, die Matthias Jakisic komponiert hat.

Zum ersten Mal wahrgenommen hat man Sie 1990 in der "Piefke-Saga" von Felix Mitterer. Was war eigentlich Ihr Ziel: der Film – oder die Bühne?

Die Bühne. 1987, mit 19, kam ich nach München ans Residenztheater – für die deutsche Erstaufführung von Felix Mitterers "Stigma". Und von dort bin ich weiter nach Nürnberg. Für Theaterschauspieler war Fernsehen noch vollkommen verpönt. Und Kinoproduktionen hat es damals keine bis gar keine gegeben. Aber weil Felix "Die Piefke-Saga" geschrieben hat und ich auch noch zu Hause in Tirol drehen konnte, hab ich es dann doch gewagt.

Ensemblemitglied wollten Sie nicht bleiben?

Nein. Ich hab nach zwei oder drei Jahren in Nürnberg gekündigt – und bin seither immer und in allem freiberuflich. Ich bin kein besonders materieller Mensch und könnte jederzeit meinen Lebensstil zurückfahren – ohne Ängste. Somit bin ich nicht gezwungen, fest anzuheuern. Ich ordne mich in Hierarchien unter und kann das als Schauspieler sogar genießen, aber es ist eben ein Unterschied, ob ich selbst bestimme, wessen Spielball ich bin – oder ob es mir aufgezwungen wird.

Sie leben in Tirol, spielen seit 2013 kontinuierlich in Wien – in der Josefstadt und am Burgtheater. Ist das dauernde Anreisen nicht ziemlich mühsam?

Den Strapazen zum Trotz: Wenn ich meinen Beruf ausüben darf, ist das Urlaub für mich. Weil es nur die Arbeit gibt – und keine anderen Verpflichtungen. Die Kollegen müssen das Kind zur Blockflöte bringen oder beim Auto das Pickerl machen lassen, aber ich hab nach der Probe frei. Ich kann Sport machen, am Abend ins Theater gehen. Und ich brauch erst um neun aufstehen, das hab ich sonst nicht. Denn ich bin seit meinem 23. Lebensjahr Vater. Ich genieße es wahnsinnig in Wien!

Auch Sie sind im Sommer in Salzburg engagiert: Sie spielen mit in "Rose Bernd" von Gerhart Hauptmann. Wieder was Tristes. Wie kam es dazu?

Bettina Hering, die künstlerische Leiterin, und Karin Henkel, die Regisseurin, haben mich gefragt. Ich ließ mir für die Entscheidung Zeit, da Hauptmann das Stück auf Schlesisch geschrieben hat und ich schon bei dem Wort "Schlesisch" gestolpert bin. Aber da ich schon lange ein Fan von Karin Henkel bin, lass ich mich gern auf das Abenteuer ein. Der Streckmann ist ja auch wirklich eine schöne Rolle. Ein verschmähter Liebhaber, ein Vergewaltiger, ein grober Mensch, der zugleich so ein Würsterl ist... Es ist ein großes Stück. Sprachgewaltig. Es macht einen schon beim Lesen fertig.

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