Puls4 setzt auf mobile first

Markus Breitenecker: Puls4-Gruppe will 2017 ORF überholen
Puls4-Chef Markus Breitenecker über die neue App 4News, Info-Sendungen und den ORF.

KURIER: Es wurde soeben der Job des ORF-Generaldirektors ausgeschrieben. Glauben Sie, dass sich ein renommierter Manager unter diesen Vorzeichen auf eine Ausschreibung hin bewerben würde?

Markus Breitenecker: Die Frage ist berechtigt. Nein, nicht, wenn jemand aus einem erfolgreichen Unternehmen kommt.

Das erste Halbjahr ist gelaufen. Wie geht es Puls4? Wie die ProSieben-Familie? Sie haben ja angekündigt, bald den ORF bei den Unter-50-Jährigen ein-und überholen zu wollen.

Ich glaube, dass wir dieses Ziel im kommenden Jahr mit den Österreich-Versionen unserer Sender und Puls 4 tatsächlich schaffen und Marktführer werden können. Bei den Älteren wird der ORF stark bleiben.

Was braucht es inhaltlich, um dieses Ziel zu erreichen?

Zunächst attraktives Programm für die jungen Zielgruppen. Meine Annahme ist aber auch, dass wir 2017 eine starke Information, eine Public-Value-Säule brauchen, die eine Alternative zum staatlich finanzierten Öffentlich-Rechtlichen darstellt. Es wird 2017 sicher ein politisch spannendes Jahr, egal ob da schon die Nationalratswahlen stattfinden oder, wie geplant, 2018.

Puls4 setzt auf mobile first
Markus Breitenecker

Es war ein intensives Halbjahr 2016 für Informationssendungen bedingt durch die Bundespräsidentenwahl. Stark war Puls4 mit Diskussionen, Schwächen gab es noch bei den aktuellen Info-Sendungen, etwa auch die am Vorabend. Das zeigen die Zahlen.

Das sehe ich anders. Wir haben im ersten Halbjahr bei Puls4 Rekorde eingefahren. Das betrifft sowohl den gesamten Sender als auch die regelmäßigen Info-Sendungen und erst recht die Sondersendungen zur Wahl. Letztere, speziell die Duelle zur Bundespräsidentenwahl, haben Puls4 überhaupt die höchsten Quoten gebracht. Interessanterweise waren das sogar höhere als durch Unterhaltung oder Fußball und auch höhere als bei der Konkurrenz ein Dschungelcamp und Superstarformate hatte. Das heißt, Information ist nicht nur wichtig als ein Public-Value-Projekt, sondern es ist für ein österreichisches Vollprogramm auch für die Quotenentwicklung notwendig. Puls4 ist jetzt in allen Zielgruppen der führende Privatsender.

Auf Information im weiteren Sinn zielt auch das von Puls4 lancierte 4News ab, ein Video-Anbieter, der am 4. Juli als App fürs Smartphone startet und erst später ins Fernsehen wechseln soll. Warum dieser Weg?

Das ist ein grundlegender Perspektivenwechsel. 4News, das von einer eigenen Redaktion ausschließlich mit kompakt und unterhaltsam aufbereiteten Videos bespielt wird, werden wir auf allen digitalen Kanälen anbieten. Wir starten aber anders als früher, nicht mit dem TV-Sender sondern mit der Mobil-Version, der App, die ab Montag im App Store erhältlich ist. Die ist auch tatsächlich dafür optimiert. Danach folgen eine Online-Version, dann eine für Smart-TV und als letzter Schritt die Integration ins lineare Fernsehen. Das tun wir, weil junge Menschen Video-Inhalte, die nicht Film oder Serie sind, vor allem auf ihren mobilen Devices (z. B. Smartphones) konsumieren.

Puls4 setzt auf mobile first
die Puls4-Newsapp in Action
Ist diese App und der damit dokumentierte Strategiewechsel der Anfang vom Ausstieg vom linearen Fernsehen für Puls4 und Co?

Der Abschied vom linearen Fernsehen ist das natürlich nicht. Im Gegenteil glaube ich, dass wir gerade das goldene Zeitalter des Fernsehens erleben. Wir brauchen auch dessen Massenreichweite, um unsere neuen digitalen Projekte den Zusehern näher bringen zu können. Zusätzlich versuchen wir aber, die jungen Zielgruppen auf nonlinearen Wegen, wie etwa mit 4News, zu erreichen, in dem wir ihnen mobile Inhalte zum Abruf für den Second Screen anbieten. Ich sehe darin eine Ergänzung zum linearen Fernsehen.

Soll Ihr Portfolio an TV-Sendern noch weiter wachsen?

Ja, wir planen im Herbst den Start eines Doku-Senders, der auch mit 4News-Elementen angereichert wird.

Dann würde auch ATV durchaus noch ins Portfolio passen - KURIER-Information zufolge wurde der Sender von ProSiebenSAT.1 jüngst evaluiert.

Das kann ich nicht bestätigen.

Ist 4News eine Eigenentwicklung aus eigenem Antrieb oder ist man da das Testlabor für den ProSiebenSat.1-Konzern?

Es ist eine Eigenentwicklung, wie es unsere Digitalstrategie "4GameChanger" insgesamt ist. Alles was aus Puls4 herauskommt und die 4 in sich trägt, sind Eigenentwicklungen. Wenn es gut funktioniert, wird das möglicherweise auch in Deutschland beobachtet.

In Österreich einen Trend gesetzt hat Puls4 mit seiner Startup-Show. Wie erklären Sie deren Erfolg und wie geht es eigentlich den Startups?

Wir haben mit "2 Minuten 2 Millionen" gute Quoten in der Primetime erreichen können, die über dem Senderschnitt liegen. Unser Ziel ist es, damit Gründerspirit und Unternehmertum einer breiten Zuseherschicht näher zu bringen. Dass die Show gute Quoten bringt, liegt an der Dramaturgie: Ein Startup hat nur zwei Minuten Zeit, um echte Investoren zu überzeugen, eigenes, echtes Geld einzusetzen. Was uns natürlich auch freut ist, dass das Format auch bei Werbekunden sehr gut ankommt: Es ist ein spannendes, konstruktives und wirtschaftsfreundliches Format. Das Thema ist in der Gesellschaft angekommen. Nicht zuletzt hat auch der neue Bundeskanzler Christian Kern Startups in seiner Antrittsrede angesprochen.

Wie geht es den Startups?

Unterschiedlich, was normal ist. Es hilft ihnen jedenfalls die Publizität, die sie durch Puls4 haben, sei es durch Spots oder redaktionelle Berichte. Wir haben davon unabhängig auch unsere auf Startups spezialisierteUnit 7Ventures, mit der wir uns über Media for equity-Programme (Werbung gegen Anteile, Anm.) an Startups beteiligen. Bei mehreren Projekten haben wir Mehrheitsbeteiligungen geschafft und haben drei Start-Ups nach Deutschland exportieren können: Marktguru, Rublys und Kiweno werden nun in Deutschland groß ausgerollt. Das ist auch einer der Gründe, warum Startups gerne zu uns kommen - weil sie mit uns den Sprung aus Österreich auf den großen Markt Deutschland schaffen können.

Auch der ORF engagiert sich nun bei Startups. Da gab es einige Aufregung von Privatsender-Seite. Weshalb stört das so sehr, wenn auch dort Gründergeist Platz findet?

Dazu hat der Verband der Privatsender bereits Stellung genommen. Ich möchte da vor der ORF-Wahl den Öffentlich-Rechtlichen nicht kritisieren und formuliere das so: Es freut uns, dass unsere Ideen – vom Frühstücksfernsehen bis zum Startup-Cluster – so viel Gefallen und Wiederhall finden.

Eine zweite sehr gut funktionierende Programmsäule ist Comedy mit u.a. Bist Du deppert, das auch eine Romy erhalten hat.

Puls4 ist ein Sender mit einem Smile, der qualitative Information und intelligente Unterhaltung bieten will. Bist Du deppert passt deshalb so gut zu uns, weil es gesellschaftskritisch ist und einen satirischen Ansatz hat. Das wollen wir weiter pflegen und gegebenenfalls ausbauen.

Wie viele Werbeeinnahmen sind schon wegen dieser Sendung verloren gegangen?

Es gibt keine wirtschaftlich negative Auswirkung auf Puls4.

Es gibt einen neuen Medienminister, Ihre Erwartungen?

Es gibt das alte Thema von der Schieflage des dualen Systems aus Öffentlich-Rechtlich und Privatsendern. Das wichtigste Thema aber ist der Medienkrieg, in dem sich Europa mit den Silicon-Valley-Giganten befindet. Im speziellen betrifft das die Frage, wie die österreichische Medienpolitik mit dem Phänomen Facebook umgehen will. Viele Probleme wären sehr einfach dadurch lösbar, in dem Facebook als das eingestuft wird, was es ist:- als ein Medium - es funktioniert in weiten Teilen auch so. Dann hat man all die Probleme mit Datenschutz, Urheberrecht, Werbung und, ganz aktuell, jene der Hasspostings und Gewaltaufrufe im Griff. Für all das gibt es in einem Medium klare Grenzen. Das ist eine einfach gesetzliche Maßnahme, die man auch national angehen kann. Facebook in den Griff zu bekommen, halte ich für überlebenswichtig für lokale Medien in Europa, die noch das alte System haben, nämlich indem sie Journalisten für ihre Arbeit bezahlen. Dass Privileg von Facebook, dass es vom Gesetzgeber im Gegensatz zu den lokalen Playern nicht reguliert wird, muss ein Ende haben.

Es geht immer gegen Facebook, Google und Amazon. Auf der anderen Seite vermarktet Ihr Unternehmen Amazon. Wie erklären Sie diese Diskrepanz. Ist das nicht Heuchelei?

Nein. Wir nennen das Frenemy-Strategie. Das heißt, der Überlebenskampf muss so geführt werden, dass man auch von ihnen lernt. Das soll ja keine Verteufelung sein, das wäre die falsche Strategie, die haben ja sehr gute Produkte. Die Forderung nach einer rechtlichen Gleichbehandlung ist im Grunde eine selbstverständliche.

Danke für das Gespräch

Info

Die Marktanteile von Puls4 entwickeln sich nach oben und machen den Sender aus St. Marx zum stärksten heimischen Privaten. Im abgelaufenenen Halbjahr lag der Markanteil bei 3,1 Prozent. Bei der jüngeren Zielgruppe unter 50 ist der Sender sogar bei 4,3 Prozent. Somit ist Puls4 in beiden relevanten Zielgruppen der marktanteilsstärkste heimische Privat-TV Sender. Heuer verzeichnete der Sender das stärkste Halbjahr seit Bestehen.

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