Premiere von "Der Boxer": Wie stellt man die Hölle dar?

Atemberaubend: Gregor Bloéb als Sinto-Boxer Johann Trollmann.
Umjubelte Uraufführung des dokumentarischen Dramas "Der Boxer" von Felix Mitterer in der Josefstadt.

Der Unterschied zu der vom selben Team verantworteten Uraufführung von "Jägerstätter" sei, so erklärten die Darsteller Gregor Bloéb und Dominic Oley im Vorfeld: Bei "Jägerstätter" war vom KZ nur die Rede, bei "Der Boxer" begebe man sich ins KZ, in die Hölle hinein.

Und genau damit stellt der Text Regie und Darsteller vor eine unlösbare Aufgabe: Wie stellt man die Hölle dar, ohne lächerlich oder eitel kunstfertig zu wirken?

Und eine weitere, wenn auch wesentlich weniger wichtige Frage: Wie stellt man Boxkämpfe dar, ohne peinlich zu werden? Selbst in teuren Hollywood-Filmen ist das Boxen stets eine unfreiwillige Parodie (einzige Ausnahme: der Film "Ali" mit Will Smith). Man nehme nur die "Rocky"-Filme – die Boxkämpfe sehen dort nicht aus wie Boxen, sondern wie Wirtshausraufereien.

Der erste Teil von "Der Boxer" ist kein Theaterstück, sondern ein Dokudrama, eine gespielte Geschichtsstunde. Ging es bei "Jägerstätter" darum, wie aus einem Dorf-Rüpel ein Denker wird, der für seinen Glauben und seine Überzeugung in den Tod geht, hakt Autor Felix Mitterer bei "Der Boxer" historische Fakten ab: So lebten um Anpassung bemühte Roma und Sinti im Deutschland der Dreißigerjahre, so wurden sie von "Rassehygienikern" immer mehr drangsaliert, so verlief parallel dazu die Karriere des Sinto-Boxers Johann Trollmann, dem schließlich der Titel wegen "undeutschen Boxens" aberkannt wurde.

Bilder der Inszenierung

Premiere von "Der Boxer": Wie stellt man die Hölle dar?

THEATER IN DER JOSEFSTADT: DER BOXER
Premiere von "Der Boxer": Wie stellt man die Hölle dar?

THEATER IN DER JOSEFSTADT: DER BOXER
Premiere von "Der Boxer": Wie stellt man die Hölle dar?

THEATER IN DER JOSEFSTADT: DER BOXER
Premiere von "Der Boxer": Wie stellt man die Hölle dar?

THEATER IN DER JOSEFSTADT: DER BOXER
Premiere von "Der Boxer": Wie stellt man die Hölle dar?

THEATER IN DER JOSEFSTADT: DER BOXER
Premiere von "Der Boxer": Wie stellt man die Hölle dar?

Premier Der Boxer im Theater in der Josefstadt

Die Figuren sind nicht viel mehr als Informationsträger, die Dialoge papieren, die Szenen schablonenhaft und nah am Klischee. Auch Regisseurin Stephanie Mohr und die durchwegs guten Schauspieler können diese Passagen nicht zum Leben erwecken.

Immerhin sind die Boxszenen eindrucksvoll gelöst: Die bemerkenswert gut trainierten Darsteller Bloéb und Raphael von Bargen schlagen nicht direkt aufeinander ein, sondern auf Sandsäcke – so entstehen starke Bilder.

In Teil zwei wird der Abend plötzlich zum zutiefst verstörenden Drama: Trollmann kommt ins KZ und wird dort zu Boxkämpfen auf Leben und Tod gezwungen. Bloéb und von Bargen – der jetzt nicht mehr nur Gegner im Ring, sondern auch ein zunehmend dem Wahnsinn verfallender Lagerkommandant ist – spielen das bis zur totalen Erschöpfung, beeindruckend gut.

Wie?

Wie stellt man ein KZ dar? Versucht man es nachzubilden – magere Komparsen, rasierte Köpfe – macht man sich lächerlich. Niemand kann ein Vernichtungslager glaubwürdig "spielen". Stilisiert man das Geschehen, macht man sich der Kunsthandwerklichkeit schuldig und wirkt eitel – oh, was für ein schönes Bild!

Stephanie Mohr entscheidet sich für die Stilisierung: Die Sandsäcke aus den Boxszenen werden jetzt zum Medium für Gewalt und Folter – oh, was für ein schönes (und zum Glück gar nicht eitles) Bild. Der stärkste Moment des Abends ist jedoch dann da, wenn ein Originaltext der Überlebenden Ceija Stoijka zu hören ist: Das kleine Mädchen, das im Körper einer Toten Schutz vor dem Erfrieren sucht – SO war KZ. Man sitzt im warmen Plüsch der Josefstadt und kämpft mit den Tränen.

Gespielt wird erstklassig.

Ganz großer Jubel vom Premierenpublikum.

Vorbild Johann Trollmann war als Boxer ein Showmann und Sexsymbol.

Stück Teil 1 ein schablonenhaftes Doku-Drama, Teil 2 ein packendes, erschütterndes Kammerspiel des Todes.

Spiel Gregor Bloéb beeindruckt.

KURIER-Wertung:

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