"Pelléas et Mélisande": Rätsel lösen im Planschbecken

Adrian Eröd als "Pelleas" und Olga Bezsmertna als "Melisande".
Claude Debussys Monolith "Pelléas et Mélisande" als letzte Saisonpremiere an der Wiener Staatsoper.

Mehr als 25 Jahre ist her, seit der eifersüchtige Golaud seinen Halbruder Pelléas im Liebesstreit um die geheimnisvolle Mélisande effektvoll ermordete. Seit damals nämlich war Claude Debussy Musiktheater-Monolith "Pelléas et Mélisande" nicht mehr an der Wiener Staatsoper zu sehen. 2009 sprang immerhin das Theater an der Wien in dieser Angelegenheit erfolgreich ein.

Nun aber ist Debussys auf einem symbolistischen Theaterstück von Maurice Maeterlinck basierendes, so rätselhaftes Werk wieder am Ring zu sehen. Und damit sollte doch eigentlich alles gut sein. Oder? Nicht ganz. Denn auch die aktuelle Produktion gibt einige Rätsel auf – in vielerlei Hinsicht.

Ungreifbar

Doch der Reihe nach. In seiner 1902 in Paris uraufgeführten Oper – der Begriff "Schauspiel mit Musik" ist wesentlich treffender – geht es einerseits um die recht banale Dreiecksgeschichte der erwähnten Personen. Andererseits aber gibt es eine Meta-Ebene, spielt die Symbolik doch eine wesentliche Rolle. Das Wasser, ein Ring, ein Ball, die Zahl 12, eine Schafherde, die Blindheit, das Dunkel – das alles und noch viel mehr steht bei Debussys Vertonung für etwas ganz Anderes, Unfassbares, Ungreifbares, für etwas archaisch Aufgeladenes, das sich der Ratio konsequent entzieht.

Düster

In Wien aber ist dem nur in Ansätzen so. Denn Regisseur Marco Arturo Marelli – er ist wie meist auch für Bühne und Licht zuständig – legt sich früh fest. Mélisande ist in seiner Inszenierung (eine "Weiterentwicklung" der bereits in Berlin erprobten Deutung) eine Wassernixe, die unter die Menschen gerät. Diese hausen im düsteren Allemonde, daher gibt es auch an allen Seiten graue Mauern, in der Mitte ist dafür ein mit echtem Wasser gefülltes Planschbecken platziert.

Eine an sich plausible Idee, die den Fehler hat, dass sich Marelli dadurch einer großen Spielfläche beraubt. Da helfen auch einige Boote nichts; viele Szenen spielen sich am Bühnenrand ab, sind je nach Sitzplatz mehr oder weniger einsehbar. Zwar waten sowohl Pelléas als auch Golaud bis zum Hals durchs Wasser, zwar sitzt Mélisande wie eine Art Loreley dekorativ auf einem Felsen oder wird mit dem Boot übers Wasser kutschiert – die Bilder bleiben austauschbar.

Vor allem schwarze Zwischenvorhänge nach fast jeder Szene (eine Panne inklusive) hemmen den Fortgang des ohnehin spärlichen Geschehens. Die Meta-Ebene in sich bleibt völlig ausgespart.

Diese müsste also die musikalische Seite einbringen. Dirigent Alain Altinoglu gelingt das am Pult des sehr gut einstudierten Orchesters weitgehend. Denn Altinoglu kostet Debussys fragile, farbenreiche Musik aus. Allerdings auch auf die Gefahr hin, mitunter am Rande des Stillstands oder der Lähmung zu wandeln. Die (wenigen) dramatischen Momente kommen dafür teils unvermittelt daher. Hier wird sich aber in Zukunft die nötige Balance gewiss noch finden lassen.

Und die Sänger? Sie meistern ihre (diffizilen) Aufgaben mit Anstand. So ist Adrian Eröd – man hat sich letztlich für einen Bariton entschieden – ein schwärmerischer, in den Höhen akkurater, szenisch unterbelichteter Pelléas. Als sein Gegenspieler Golaud punktet Simon Keenlyside mit gut geführtem, kernigem, dennoch schönem Bariton. Den von Eifersucht zerfressenen, sogar das eigene Kind quälenden Machtmenschen stellt Keenlyside sehr glaubhaft dar.

Als Mélisande ist die Sopranistin Olga Bezsmertna fast so etwas wie ein nicht allzu großer, auch vokal eher abgeklärter Ruhepol. Geheimnis darf sie hier nicht spielen. Das gilt auch für Franz-Josef Selig als soliden, fast blinden König Arkel sowie für Bernarda Fink als tadellose Geneviève. Der Hosenrolle des Sohnes Yniold verleiht Maria Nazarova viel darstellerisches Profil.

Einhelliger, freundlicher Applaus für alle Beteiligten.

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