Parteiprogramm als Ikea-Katalog

So duzt uns der Basti...
Trenklers Tratsch über gute Laune, schlechte Sitten: Christian Kern und Sebastian Kurz duzen uns; es regiert der Werbejargon.

Parteiprogramme hatten bisher zumeist etwas Hartleibiges. Aber es geht auch anders: Man kann – Christian Kern (SPÖ) macht es exemplarisch vor – ein Parteiprogramm als Ikea-Katalog präsentieren. "Wohnst du schon?" lautet ein Kapitel, angelehnt an den Slogan: "Wohnst du noch, oder lebst du schon?"

Kern will unterhalten. Daher gibt es am Werbejargon geschulte Sprachspielereien, "Wohnraum darf kein Wohntraum bleiben" zum Beispiel. Und nach der "Staatsoper 4.0", die SPÖ-Kulturminister Thomas Drozda analog zum Schlagwort Industrie 4.0 vorschwebt, will der Kanzler nun die "Schule Vier Punkt Null".

Mitunter widerspricht er sich in seinem "Programm für Wohlstand, Sicherheit und gute Laune". Denn einerseits sagt er: "Österreich ist erfolgreich." Andererseits will er, "dass unser Land zurück auf die Erfolgsspur findet".

Damit der Spitzenkandidat wirklich locker-flockig rüberkommt, präsentiert das mit Heile-Welt-Bildern garnierte Programmmagazin den "Kern in Zahlen": Er trinke täglich "2,8 Liter herrlichen Wiener Leitungswassers" sowie zwei koffeinhaltige Softdrinks, zudem lese er täglich 16 Zeitungen, was, wenn er sie tatsächlich liest, eine Spitzenleistung darstellt. Im Interview mit dem "profil" kritisierte der Profi-Leser, Abonnent von deutschen, schweizerischen und britischen Zeitungen, dass die heimischen Medien "oft faktenbefreit" agieren würden.

Kern selbst liefert Fakten, die jedem Check standhalten: Er habe seit Mai nicht nur 57 Betriebe besucht (und dabei im Schnitt je elf Selfies gemacht), sondern auch alle neun Bundesländer – was die Frage aufwirft, wo Kern eigentlich lebt, wenn er selbst in Wien auf Besuch ist.

Das sind natürlich Kinkerlitzchen, der programmatischen "guten Laune" geschuldet. Doch Kern verdirbt sie gleich wieder. Mit seiner – ja, ein billiges Wortspiel – Kernbotschaft: "Hol dir, was dir zusteht!"

Nicht nur, dass hier der amikale Ikea-Konversationston imitiert wird: Wer definiert, was mir zusteht? Ich selber? Im Programmmagazin sind mehrere Porträts abgedruckt – samt dem Satz: "Ich hol mir, was mir zusteht."

Vor kurzem kam eine Studie zum Ergebnis, dass 98 Prozent der Menschen glauben, netter als der Durchschnitt zu sein. Sind sie daher vielleicht auch der Meinung, dass ihnen mehr zusteht als dem Durchschnitt? Da es aber nicht mehr gibt als den einen großen Kuchen, fördert Kern mit seiner Aufforderung Gier und Verteilungskampf. Obwohl er doch weiß: "Unsere größte Stärke ist unser sozialer Zusammenhalt – denn nur gemeinsam kommen wir weiter!"

Er weiß zudem genau, was jedem zusteht. "Es steht dir zu, ein sorgenfreies Leben in einem der reichsten Länder der Welt zu führen!" So steht es jedenfalls auf der Website christian-kern.at.

Angenommen, alle Menschen wären gleich: Dann stünde es jedermann zu, ein sorgenfreies Leben in einem der reichsten Länder der Welt zu führen. Oder umgekehrt: Wenn es den Menschen auf dieser Welt im Durchschnitt nicht so super geht, dann steht es niemandem zu, ein sorgenfreies Leben in einem der reichsten Länder zu führen. Oder steht es nur den echten Österreichern zu?

Auf der Website heißt es: "Du möchtest dir holen was dir zusteht? Wir haben einen Plan wie du das schaffen kannst! Füll’ einfach das Formular aus und wir melden uns bei dir!" Man könnte ergänzen: Und mach dir keine Sorgen wegen der Schule 4.0, die Beistrichregeln haben wir schon abgeschafft! Auch mit der Rechtschreibung nehmen wir es nicht so genau.

Stefan Grissemann stolperte im Katalog über den Satz: "Damit Verantwortung klar und Steuerung besser wird, setzen wir auf das Zusammenführen aller Kunstaktivitäten in einem Bundesresort." Im "profil" sinniert er: "Genau: Resort. Zwei Mal sogar und schön fett gedruckt. Resort wie in: Ferienanlage. (...) Hallo, Kulturpolitik? Ach so, ja. Im Urlaub."

Eingeleitet wird das Kapitel mit dem Bonmot "Gute Kulturpolitik ist keine Kunst". Klingt gut. Doch wenn man darüber nachdenkt, dann ist der Satz fatal. Denn wenn etwas keine Kunst ist, dann kann das jeder. Und jede.

Dann kann das nicht nur Maria Fekter, die sich in den letzten Jahren als Kultursprecherin der ÖVP tatsächlich mit der Materie auseinandergesetzt hat, sondern auch Maria Großbauer. Der bürgerliche Ikarus Sebastian Kurz hat sie, die Organisatorin des Opernballs, als Kulturministerin nominiert. Sie sagte – raffiniert in Anspielung an Kerns Plan A: "Politik hatte ich eigentlich nie am Plan." Und sie sagte: "Ich brenne für die Kunst und die Kultur! Darüber hinaus ist es eine spannende Materie."

Ob auch ihr Programm, wie jenes von Kern und Drozda, eine Austro-Quote von 30 Prozent auf alle subventionierten Plattformen (vom Kino bis zu Ö3) vorsieht? So nach dem Motto: "Unsere Musik für unsere Leut’!"

Ob auch sie in den Bundesmuseen den Gratissonntag einführen will, der pro Jahr rund fünf Millionen Euro kostet – und das Herz der Touristen erfreuen dürfte?

Ob auch sie die Staatsstipendien auf das Niveau des Mindestlohns anheben will? Ob auch ihr Motto "Geschenke! Geschenke! Geschenke!" lautet? Wir können es kaum erwarten. Und stellen einstweilen fest, dass auch der Basti sich herausnimmt, uns, das Wahlvieh, duzen zu dürfen. Auf der Website sebastian-kurz.at begrüßt er uns mit: "Hallo. Wie heißt Du?" Vielleicht sollte man antworten wie der listige Odysseus.

Parteiprogramm als Ikea-Katalog
... und so der Christian. Beispielhaft beistrichlos.

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