Eine Schrift, die bewegt

Das Amulett, das aus dem 10. bis 11. Jahrhundert stammt, sollte seinen einen Besitzer vor Stichen von Skorpionen schützen
Die Bibel im Blick der verschiedenen Weltreligionen.

Heilige Texte dominierten nicht nur die Messen, sondern wurden auch im Alltag wie Zauberformeln rezitiert. Man glaubte, dass sie Krankheiten heilen und vor Dämonen schützen können", erläutert Armin Lange, Professor für Judaistik an der Universität Wien, anlässlich der Eröffnung der aktuellen Sonderausstellung "Kinder Abrahams. Die Bibel in Judentum, Christentum und Islam" im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek.

Die drei großen monotheistischen Religionen verbindet nicht nur ihr gemeinsamer Stammvater Abraham, sondern auch die jahrhundertelange Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift. Viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige augenscheinliche Unterschiede zwischen Judentum, Christentum und Islam kann man dort noch bis 11. Jänner anhand von über 90 Exponaten aus mehreren Jahrhunderten der Antike und des Mittelalters nachvollziehen. "Bei unseren jährlichen Sonderschauen haben wir die Möglichkeit, Bereiche unserer Sammlung herzuzeigen, die sich sonst wohl verwahrt in den Lagerräumen befinden", freut sich Bernhard Palme, der Direktor des Papyrusmuseums.

Fragmente der ältesten bekannten biblischen Handschriften sind dabei ebenso zu sehen wie illuminierte Codices oder spätantike Textilien mit biblischen Motiven.

"Die Weitergabe heiliger Schriften war vor dem Buchdruck eine große Herausforderung. Die Frage war ja stets auch, welche Erzählungen als verlässlich gelten und welche lieber nicht in den Kanon aufgenommen werden sollten. Die Texte durften, einmal aufgeschrieben, nämlich nicht mehr verändert werden", betont Palme.

Zu den Prunkstücken der Ausstellung gehört ein dreisprachiges Messbuch aus dem 13. Jahrhundert, das in griechischer, koptischer sowie arabischer Sprache verfasst wurde und ein Zeugnis für die alte Verwandtschaft der Religionen ist.

36 Einträge für Maria

Eine Schrift, die bewegt
Ausstellung "Kinder Abrahams. Die Bibel in Judentum, Christentum und Islam", im Wiener Papyrusmuseum, honorarfrei

Natürlich gab es auch Meinungsverschiedenheiten: In einer frühen Koranhandschrift des 8. Jahrhunderts wurde beispielsweise die christliche Vorstellung der Dreifaltigkeit infrage gestellt. Der Gedanke, dass Gott einen Sohn hat, noch dazu von einer Frau geboren, passte nicht in die islamische Glaubensvorstellung. Mit 36 Eintragungen ist Maria übrigens die am häufigsten erwähnte Frau im Koran.In einer koptischen Evangelienparaphrase aus dem 9. Jahrhundert wird wiederum die Vorgeschichte der Geburt Jesu erzählt. Dort ist von den Zweifeln Josefs zu lesen, der die schwangere Maria heimlich verlassen wollte. Nur der Besuch eines Engels, der ihn von der Jungfräulichkeit Marias überzeugt, kann ihn davon abhalten.

Kommentare