Osterfestspiel-Prozess begann mit Hindernissen

epa03860671 Former technical director of the Salzburg Easter Festival Klaus Kretschmer sits in court during a trial day in Salzburg, Austria, 10 September 2013. Kretschmer and two others are accused of fraud and embezzlement in connection with the classical festival. EPA/NEUMAYR/SB
Der Beschuldigte Klaus Kretschmer musste nach Nicht-Erscheinen aus der Klinik abgeholt werden.

Mit einem Paukenschlag begann am Dienstag am Landesgericht Salzburg der Strafprozess in der Salzburger Osterfestspiel-Affäre: Einer der Angeklagten, der frühere Technische Direktor der Salzburger Festspiele Klaus Kretschmer (53), war nicht erschienen, weil er laut einem Gutachten von April bis mindestens Oktober nicht verhandlungsfähig ist. Wegen eines neueren, anderslautenden Gutachtens unterbrach Richterin Daniela Meniuk-Prossinger nach knapp einer Viertelstunde die Verhandlung: Der Beschuldigte solle zwangsweise vorgeführt werden.

Osterfestspiel-Prozess begann mit Hindernissen
epa03860670 Former technical director of the Salzburg Easter Festival Klaus Kretschmer (L) and his lawyer Leopold Hirsch talk in court during a trial day in Salzburg, Austria, 10 September 2013. Kretschmer and two others are accused of fraud and embezzlement in connection with the classical festival. EPA/NEUMAYR/SB
Ein Gerichts-Sachverständiger hatte im vergangenen April Kretschmer aufgrund seiner psychischen Verfassung eine Vernehmungs- und Verhandlungsunfähigkeit attestiert, und zwar für mindestens sechs Monate, also bis Oktober. Der 53-Jährige befindet sich seit vergangenem Donnerstag in der Christian-Doppler-Klinik, wo er am Sonntag erneut von einer Gerichtssachverständigen untersucht wurde. Diese stellte fest, dass Kretschmer sehr wohl vernehmungs- und verhandlungsfähig sei. Dessen Anwalt Leopold Hirsch legte zwar heute ein Privatgutachten vor, das dieser Ansicht widerspricht, für Meniuk-Prossinger war aber die offizielle Expertise ausschlaggebend: Sie unterbrach die Verhandlung für eine Stunde, um den Angeklagten aus der Klinik zu holen. Dazu Hirsch: Es sei höchst ungewöhnlich, einen Angeklagten aus dem Spital vorzuführen, sagte er zur APA. Weder Kretschmer noch er seien über die Untersuchung am Sonntag informiert worden.

Anwalt wollte Prozess in Klinik verlegen

Die Unterbrechung wurde bis 12.00 Uhr verlängert. Um Kretschmer die zwangsweise Abholung durch Polizisten aus der Klinik zu ersparen, bot dessen Verteidiger an, persönlich den Angeklagten zu holen und zum Gericht zu bringen. Diesem Antrag stimmte Richterin Daniela Meniuk-Prossinger zu.

Weniger Glück hatte Hirsch mit einem zweiten Antrag: Er begehrte nämlich weiters, den Prozess gleich in die Klinik zu verlegen. "Verhandlungen finden naturgemäß in Gerichtsgebäuden statt", so die Richterin.

Kretschmer: "Verstehe die Anklage nicht"

Osterfestspiel-Prozess begann mit Hindernissen
epa03860669 Former technical director of the Salzburg Easter Festival Klaus Kretschmer (L) and his lawyer Leopold Hirsch arrive in court for a trial day in Salzburg, Austria, 10 September 2013. Kretschmer and two others are accused of fraud and embezzlement in connection with the classical festival. EPA/NEUMAYR/SB
Zu Mittag erschien Kretschmer schließlich vor Gericht. Auf zwei Gehstöcke gestützt und im Trainingsanzug kam er in den Verhandlungssaal. In der Folge trug Staatsanwalt Michael Schindlauer seine 81 Seiten umfassende Anklageschrift vor.

Im Anschluss bat Richterin Meniuk-Prossinger den Verteidiger Kretschmers, Leopold Hirsch, zur Gegenäußerung. Doch dieser verzichtete darauf und ersuchte die Vorsitzende, direkt an seinen Mandanten Fragen zu richten. Kretschmer gab dann mit heiserer Stimme an, "ich habe das nicht verstanden, ich kann den Zusammenhang der Anklage nicht verstehen". "Was haben Sie nicht verstanden", wollte Meniuk-Prossinger wissen. "Die Worte und den Inhalt. Ich kann den Worten nicht folgen", so der Beschuldigte. Und dessen Anwalt: "Erklären Sie einem nicht verhandlungsfähigen Menschen 81 Seiten."

Daraufhin ersuchte die Richterin Hirsch, er möge seinem Mandanten den Inhalt der Anklageschrift erläutern. Dies würde acht Stunden in Anspruch nehmen, gab der zurück. Der Advokat beantragte daraufhin ein neuerliches klinisches Gutachten. Mit diesem solle festgestellt werden, dass sein Mandant "heute im Zeitraum von 12.00 bis 13.40 Uhr aufgrund seiner psychischen Belastungen und der subjektiven Belastung des heutigen Tages unfähig war, den Ausführungen des Staatsanwaltes zu folgen". Sein Mandant sei heute nur physisch anwesend. Zudem beantragte Hirsch nicht die Vertagung der Verhandlung. Das Gericht zog sich daraufhin zur Beratung zurück.

Gesamtschaden laut Staatsanwalt zwei Millionen Euro

Im Strafprozess wird den drei Angeklagten Untreue und schwerer gewerbsmäßiger Betrug in unterschiedlicher Beteiligung vorgeworfen. Staatsanwalt Michael Schindlauer nimmt einen Gesamtschaden von zwei Millionen Euro an. Tatzeitraum: 2002 bis 2009. Angeklagt sind neben Kretschmer der ehemalige Geschäftsführer der Osterfestspiele, Michael Dewitte (46), und ein für zwei Zulieferfirmen verantwortlicher Kaufmann (56).

Dem ehemaligen Technischen Direktor und Erstangeklagten wird Untreue und schwerer gewerbsmäßiger Betrug mit einer Gesamtschadenssumme von rund 1,5 Mio. Euro zulasten der Osterfestspiele GmbH und der Salzburger Festspiele vorgeworfen. Darin inkludiert sind etwa 800.000 Euro, die Dewitte "rechtsgrundlos auf verschiedene Konten von Klaus Kretschmer überwiesen" und die Kretschmer dann für sich beansprucht habe, sowie - laut Staatsanwaltschaft - eine unrechtmäßige Provision von 300.000 Euro aus einer Spende des russischen Kunstmäzens Igor Vidyaev für die Osterfestspiele. Das Geld soll Dewitte auf das Konto der "Art & Culture Consulting Limited" mit Sitz in Belize überwiesen haben, die Kretschmer gegründet hat. Um die 300.000 Euro zu parken, habe Kretschmer ein Konto bei der "Yesilada-Bank" in Nordzypern eröffnet.

Kretschmer ist mit einem weiteren Vorwurf konfrontiert: Zusammen mit dem drittangeklagten Kaufmann soll er die Salzburger Festspiele durch ungerechtfertigte Rechnungen um 323.853 Euro geschädigt haben. Die beiden hätten vorgetäuscht, dass zwei Veranstaltungstechnik-Firmen, für die der Kaufmann verantwortlich war, leistungswillige Vertragspartner seien. Zu all den Vorwürfen hat der Erstangeklagte bisher keine Stellungnahme abgegeben. Kretschmer war nach Aufliegen des Skandals von einer Brücke gestürzt und schwer verletzt worden.

Urteil in diesem Jahr unwahrscheinlich

Der zweitangeklagte Dewitte beteuerte bisher seine Unschuld. Ihm wird Untreue mit einem Gesamtschaden von rund 1,6 Mio. Euro vorgeworfen. Als Geschädigte führt die Staatsanwaltschaft die Osterfestspiele GmbH und den Verein "European Art Forum" (EAF) an. Der ehemalige Geschäftsführer der Osterfestspiele soll ohne Rechtsgrundlage Zahlungen und Überweisungen veranlasst haben, die vor allem sein Gehalt, Reisekosten und Provisionen betreffen. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Johann Eder, untermauerte die Unschuldsbeteuerung mit einem Urteil im Osterfestspiele-Zivilprozess, wonach die Provisionszahlung von 300.000 Euro rechtmäßig gewesen sei.

Bis Dezember sind nahezu 30 Verhandlungstage vorgesehen. Allein die Staatsanwaltschaft hat 51 Zeugen geladen. Dass ein Urteil in dem Strafprozess noch in diesem Jahr gesprochen wird, ist nicht sehr wahrscheinlich.

Kommentare