Oscars 2017 mit Panne bei Königskategorie-Vergabe

Ein Mann im Anzug auf der Oscar-Verleihung hält eine Karte hoch.
US-Schauspieler Warren Beatty verkündete versehentlich "La La Land" als Sieger.

Man kann es nicht anders sagen: Der 89. Oscar-Preisverteilung endete mit einem Debakel. Warren Beatty und Faye Dunaway verlesen den Oscar-Gewinner für den besten Film und verkünden: Der Sieger ist "La La Land". Doch offensichtlich wurden die Kuverts vertauscht. Und während sich die Produzenten von "La La Land" gerade weitschweifig für den Preis bedanken, bricht plötzlich Hektik aus. Und tatsächlich: Sie müssen ihre gerade erhaltene Gold-Statuette umgehend an die wahren Gewinner von "Moonlight" weiterreichen. In ihrer Haut möchte man nicht stecken.

Kein Oscar für "Toni Erdmann"

Wie das passieren konnten, wird die Oscar-Organisatoren noch länger beschäftigen (mehr dazu hier).

Oscars 2017 mit Panne bei Königskategorie-Vergabe
Actress Faye Dunaway and actor Warren Beatty arrive on stage to announce the winner of the Best Movie category at the 89th Oscars on February 26, 2017 in Hollywood, California. / AFP PHOTO / Mark RALSTON

Sensationell jedenfalls der Umstand, dass das schwarze Schwulendrama "Moonlight" den großen Favoriten "La La Land", der mit 14 Nominierungen angetreten war, aus dem Feld schlug. Zumal Regisseur Barry Jenkins als Newcomer ins Rennen ging.

"La La Land" erhielt insgesamt sechs Oscars, darunter der 33-jährige Damien Chazelle als jüngster Mensch in der Geschichte für beste Regie. Bester Film ging, wie gesagt, mit Zeitverzögerung an "Moonlight" und erhielt insgesamt drei Oscars.

Die Oscar-Panne in voller Länge

Ende mit Paukenschlag

So endete eine etwas ereignislose Oscar-Verleihung doch mit einem ziemlichen Paukenschlag. Das im Vorfeld erwartete politische Trommel-Feuer an Anti-Trump-Kommentaren blieb aus. Zwar machte Moderator Jimmy Kimmel ein paar pflichtbewusste, bissige Anspielungen auf den von Hollywood ungeliebten Präsidenten ("Was? Schon zwei Stunden vergangen und noch immer kein Tweet von Trump?").

Klare Botschaft durch Abwesenheit

Doch die klarste Botschaft kam von dem iranischen Regisseur Asghar Farhadi. Er erhielt in Abwesenheit einen Auslands-Oscar für seinen Film "The Salesman" und ließ in einer Dankesbotschaft verlauten, dass er aus Solidarität mit jenen Menschen, denen die Einreise in die USA verweigert worden war, ebenfalls zu Hause blieb.

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Maren Ades in derselben Kategorie nominierter "Toni Erdmann" ging also leer aus, ebenso wie die Grande Dame des französischen Kinos, Isabelle Huppert (Jimmy Kimmel: "Zum Glück hat sie der Heimatschutz ins Land gelassen"). Erstmals nominiert als beste Hauptdarstellerin für den Film "Elle", wurde Huppert schließlich von der netten jungen Emma Stone aus "La La Land" verdrängt. Im Zweifelsfall scheint sich die Academy dann doch immer für die jungen hübschen Frauen als Oscarpreisträgerinnen zu entscheiden, nicht für die verdienten älteren Ladys.

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Szene aus "Toni Erdmann".

Dafür erhielt Casey Affleck einen Oscar als bester Hauptdarsteller in "Manchester by the Sea", worauf man auch kaum mehr zu hoffen gewagt hatte. Denzel Washington schien als Konkurrent einfach zu übermächtig – doch so kann man sich irren.

Diversitäts-Botschaft angekommen

Der Oscar-So-White-Vorwurf des letzten Jahres war der Academy offensichtlich ziemlich in die Knochen gefahren. Selten hat man so viele nicht-weiße und weibliche Menschen auf der Bühne gesehen – sowohl als Oscar-Präsentatoren, als auch als Gewinner – wie in diesem Jahr. Die Diversitäts-Botschaft ist heuer ziemlich angekommen und soll wahrscheinlich auch als Widerstand gegen Trump verstanden werden.

Die wichtigsten Auszeichnungen in Bildern:

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89th Academy Awards - Oscars Backstage
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Wahnsinnig lustig wurde es trotzdem nicht. Der eigentlich sehr schlagfertige Jimmy Kimmel gab sich redlich Mühe, ließ zur Musik vom Wallkürenritt Süßigkeiten von der Decke regnen und eine ahnungslose Touristengruppe in die Zeremonie hinein tappen. Am witzigsten waren seine kleinen Sticheleien gegen Matt Damon, die quasi als "running gag" durch die Show liefen und darin kulminierten, dass ihm Damon ein Bein stellte.

Im ORF wurde die Oscar-Nacht in einem Gespräch zwischen Alexander Horwath, dem Direktor des Österreichischen Filmmuseums und Kulturmoderatorin Clarissa Stadler bestritten. Letztere fand die Show offensichtlich auch nicht sehr unterhaltsam, denn sie machte dabei durchwegs den Eindruck, als würde sie jede Sekunde wegschlafen.

Bizarrer Fauxpas

Übrigens: Gleich am Anfang der Show hatte Kimmel gescherzt: "Wir haben keine Toleranz für Fake News. Wer den Namen 'Times' im Titel hat, bitte den Raum verlassen."

Dass die Fake News dann tatsächlich in Form eines falsch announcierten Oscar-Preisträgers stattfinden würden, war der bizarrste Moment der 89. Academy-Verleihung.

Trump hielt sich unterdessen während der gesamten Verleihung auf Twitter zurück und veröffentlichte kein einziges Posting. Anlass genug für Kimmel den US-Präsidenten im Rahmen der Show auf dem Kurznachrichtendienst keck anzuschreiben:

Alle Outfits vom roten Teppich:

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Warren Beatty mit "La La Land"-Produzent Jordan Horowitz (links)

Kategorie
Bester Film "Moonlight" Regie: Barry Jenkins
Regie Damien Chazelle "La La Land"
Hauptdarsteller Casey Affleck " Manchester by the Sea"
Hauptdarstellerin Emma Stone "La La Land"
Nebendarstellerin Viola Davis "Fences"
Nebendarsteller Mahershala Ali "Moonlight"
Fremdsprachiger Film "The Salesman" Iran, Regie: Asghar Farhadi
Kamera Linus Sandgren "La La Land"
Originaldrehbuch Kenneth Lonergan "Manchester by the Sea"
Adaptiertes Drehbuch Barry Jenkins "Moonlight"
Schnitt John Gilbert "Hacksaw Ridge"
Filmmusik Justin Hurwitz "La La Land"
Filmsong "City of Stars" aus "La La Land", von Justin Hurwitz, Benj Pasek, Justin Paul
Produktionsdesign Produktionsdesign: David Wasco; Kulissen: Sandy Reynolds-Wasco "La La Land"
Tonschnitt Sylvain Bellemare "Arrival"
Tonmischung Kevin O'Connell, Andy Wright, Robert Mackenzie, Peter Grace "Hacksaw Ridge"
Spezialeffekte Robert Legato, Adam Valdez, Andrew R. Jones, Dan Lemmon "The Jungle Book"
Animationsfilm "Zoomania" Regie: Rich Moore, Byron Howard, Clark Spencer
Animations-Kurzfilm "Piper" Regie: Alan Barillaro, Marc Sondheimer
Dokumentarfilm "O.J.: Made in America" Regie: Ezra Edelman
Dokumentar- Kurzfilm "The White Helmets" Regie: Orlando von Einsiedel, Joanna Natasegara
Make-up/Frisur Alessandro Bertolazzi, Giorgio Gregorini, Christopher Nelson "Suicide Squad"
Kostümdesign Colleen Atwood "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind"
Kurzfilm "Sing" Regie: Kristof Deák, Anna Udvardy

Filmtitel Oscar-Gewinne Oscar-Nominierungen
"La La Land" 6 14
"Moonlight" 6 8
"Manchester by the Sea" 2 6
"Hacksaw Ridge" 2 6

Es war die große Überraschung der 89. Oscars: Mit "Moonlight" hat sich ein 1,5-Millionen-Dollar-Film über einen schwulen, afroamerikanischen Heranwachsenden in der Kategorie "Bester Film" gegen den Favoriten "La La Land" durchgesetzt. Zwei weitere Preise - für das adaptierte Drehbuch und Nebendarsteller Mahershala Ali - gab es für das Coming-of-Age-Drama, das am 10. März in unseren Kinos startet.

Für Regisseur Barry Jenkins ist es der Höhepunkt eines Erfolgslaufs, hat sein zweiter Film (nach "Medicine for Melancholy") doch neben hymnischen Kritiken bereits zahlreiche Preise erhalten - vom Golden Globe für das beste Filmdrama bis zu gleich fünf Independent Spirit Awards am Vorabend der Oscar-Verleihung. Der 37-jährige Afroamerikaner erzählt darin die Geschichte von Chiron, der in den 80er-Jahren im von Armut und Drogen gebeutelten Viertel Liberty City in Miami aufwächst, in drei prägenden Lebensabschnitten.

Als Zehnjähriger muss der in sich gekehrte, "Little" genannte Chiron mit der Drogensucht seiner alleinerziehenden Mutter (Naomie Harris) und Hänseleien zurechtkommen. Eine Zufallsbegegnung vermag es, den Schmerz der Isolation ein wenig zu lindern: Der kubanische Drogenhändler Juan (Mahershala Ali) wird Zeuge des Mobbings, nimmt den Buben unter seine Fittiche und bildet gemeinsam mit seiner Freundin Teresa (Janelle Monae) eine Art Ersatzfamilie, die Chiron sich erstmals öffnen lässt.

Wenige Jahre später ist der Leidensdruck ungemein höher, fügt sich der 16-Jährige doch so gar nicht ins weithin vorgegebene Bild des maskulinen, abgehärteten Schwarzen ein. Während seine Mitschüler ihn bereits (mit Gewalt) in eine Schublade stecken, deren Inhalt er noch gar nicht zu verstehen scheint, macht Chiron am Strand unter Mondlicht erste homosexuelle Erfahrungen mit seinem Kindheitsfreund Kevin - der ihm kurz darauf in den Rücken fällt.

Mit Ende 20 schließlich hat Chiron eine Fassade errichtet, um nicht aufzufallen: Der einst zarte Körper ist muskelbepackt, die Zähne hinter goldenen Grills versteckt, er hört auf den Namen "Black" und ist in die unrühmlichen Fußstapfen seines Ziehvaters getreten. Doch ein unerwarteter Anruf von Kevin (Andre Holland), der mittlerweile als Koch arbeitet, löst in ihm etwas aus - und wenig später sitzt er in einem Diner in Miami und konfrontiert sich mit seiner Vergangenheit.

Jenkins erzählt in "Moonlight" ungemein einfühlsam, berührend und fast schmerzlich intim davon, wie entscheidende Begegnungen und Momente unsere Persönlichkeit formen, wie sehr das soziale Umfeld unsere Selbstwahrnehmung beeinflusst und wie lange die erste Liebe nachwirkt. All das ist für Zuseher universell nachfühlbar - unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Orientierung.

Zugleich aber ist "Moonlight" - und das macht den Film nicht nur wirklich schön, sondern vor allem auch wichtig - ein Mutmacher für homosexuelle (schwarze) Jugendliche, die sich in einem wenig aufgeschlossenen Umfeld dazu gezwungen sehen, sich zu verstellen und zurückzuziehen. Und: Nach Vorlage von Tarell Alvin McCraneys Theaterstück "In Moonlight Black Boys Look Blue" führt Jenkins eindringlich die Realität einer Kindheit als Schwarzer in ärmlichen Verhältnissen in einer amerikanischen Großstadt vor Augen. Wiederholt betonte der 37-Jährige, mit dem Film seine "eigenen Kindheitserinnerungen auf die Leinwand" gebannt zu haben - er ist wie McCraney in Liberty City aufgewachsen, hat "ganz ähnliche Erfahrungen gemacht". Chiron, sagt er, "das bin ich".

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Verkörpert wird sein Alter Ego von drei bisher unbekannten Darstellern: Alex R. Hibbert, Ashton Sanders und Trevante Rhodes. Sie alle verleihen Chiron in den unterschiedlichen Kapiteln Zartheit und Verletzlichkeit, legen unterdrückte Sehnsüchte und Aggressionen in Blicke und Gesten - wobei Rhodes mit der Leistung, sehr viel in sehr wenigen Worten zu sagen, heraus sticht. Herzzerreißend ist auch die Szene, in der Hibbert als "Little" Juan und Teresa am Esstisch fragt, was "eine Schwuchtel" ist - und der nach außen hin "harte" Juan eine unerwartet rührende Antwort gibt.

Ganz generell umschifft "Moonlight" jegliche Klischees und zeichnet auch in den herausragend besetzten Nebenrollen erfrischend vielschichtige Figuren. Allen voran Mahershala Ali überzeugt als Juan, der Chiron zwar herzerwärmend aus der Reserve zu locken weiß, zugleich aber dessen Mutter mit Crack beliefert. Wohl verdient bekam der afroamerikanische Schauspieler dafür am Sonntagabend (Ortszeit) in Los Angeles seinen ersten Oscar.

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Auch optisch unterläuft der Film Erwartungshaltungen, setzt Jenkins doch - anders als bei Sozialdramen dieser schweren Thematik üblich - nicht auf Realismus, sondern Überhöhung. Immer wieder blicken die Charaktere in die Kamera, leuchtet ihre Haut geradezu golden unter den Straßenlaternen Miamis, lassen die pastellfarbenen Wände die an sich heruntergekommene Gegend fast heimelig und warm erscheinen und ertönt zwischen Soul- und Hip-Hop-Nummern bei einem Kinderfußballspiel auch mal Mozarts "Laudate Dominum". In Kameraführung, Musik und Struktur stimmig, erlaubt "Moonlight" so, in die Gefühlswelt seines Protagonisten einzutauchen. Ein einzigartig anmutiges, zärtliches, empathisches Stück Kino, das jeden Preis verdient. (Angelika Prawda/APA)

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