Orpheus als Robbie Williams der Antike

APA10996074-2 - 18012013 - WIEN - ÖSTERREICH: Puppenspieler Nikolaus Habjan mit einer Elfriede Jelinek-Puppe in einer Szene des Stückes "Schatten (Eurydike sagt)" von Elfriede Jelinek während einer Probe am Dienstag, 15. Jänner 2013. Das Stück hatte am 17. Jänner am Akademietheater in Wien Premiere. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Matthias Hartmann inszenierte Elfriede Jelineks "Schatten (Eurydike sagt)" am Akademietheater.

Die Geschichte von Orpheus und Eurydike haben wir einmal in der Schule gehört: Als sie einem Schlangenbiss zum Opfer fällt, befreit er sie mit der Kraft seines Gesanges aus der Unterwelt. Doch dann dreht er sich um – und verliert sie endgültig.

Elfriede Jelinek dreht in ihrem Text „Schatten (Eurydike sagt)“ auch etwas um, und zwar die Geschichte. Bei ihr ist Eurydike am Wort. Und ihre Version klingt ganz anders: Orpheus ist ein eitler Popstar, ein antiker Robbie Williams, umgeben von kreischenden Fans. Der Tod ist für sie ersehnte Auflösung (das Jelinek-Motiv des Verschwinden-Dürfens). Als er greinend in der Unterwelt auftaucht und sie zurück ins Leben zerren möchte, ist ihr das keineswegs recht.

Das ist eine herrliche Geschichte, ideal fürs Theater, allerdings ist es gar nicht so leicht, diese Geschichte in Jelineks Wort-Flut freizulegen. Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann hat den Text für seine österreichische Erstaufführung drastisch gekürzt, auf Jelinek-untypische 90 Minuten. Das ist schon einmal eine gute Idee.

Kantine als Hades

Außerdem wirft Hartmann alles in die Schlacht, was die Burg-Maschine hergibt: Sieben erstklassige Darstellerinnen; einen von Jelinek gar nicht vorgesehenen Orpheus, der mit Songs ins Geschehen eingreift; einen Puppenspieler samt (großartig komisch aussehender) Jelinek-Puppe; Video-Zuspielungen; ein übervolles Bühnenbild (Johannes Schütz) mit Müllhalden, Showtreppen und Trainingsgeräten.

In dieser Inszenierung macht sogar die Kantine des Akademietheaters mit, sie spielt den Hades. Trotz oder wegen dieses Totaleinsatzes von Material und Fantasie ergibt das unterm Strich einen hoch interessanten, aber nicht unbedingt gelungenen Abend. Im allgemeinen Schreien, Toben, Singen, Tanzen und Springen geht immer wieder die Geschichte verloren.

Die Eurydike-Darstellerinnen (Elisabeth Augustin, Brigitta Furgler, Sabine Haupt, Alexandra Henkel, Katharina Lorenz, Christiane von Poelnitz und Yohanna Schwertfeger) leisten Großes. Lucas Gregorowicz als Orpheus ist großartig. Star des Abends ist Nikolaus Habjan bzw. seine Jelinek-Puppe.

KURIER-Wertung: *** von *****

Szenenbilder aus "Schatten (Eurydike sagt)":

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