ORF: Verhaltener Wahlkampf im Rat

Wie wird Alexander Wrabetz das Bauprojekt bewältigen?
Schwarz und Rot belauern einander im ORF-Stiftungsrat: Wer ist schuld an den Verzögerungen?

Der Ernstfall wird zunächst von ORF online und ORFeins geprobt: Was wäre, wenn Radio, Fernsehen und Internet in einer Redaktion säßen und gemeinsam die Nachrichtenlage bestritten? Das Ziel des ORF ist ja, alle drei Mediengattungen des Hauses (also auch Radio) in einen großen Newsroom zu verlegen. Ob der sich realisieren lässt, steht derzeit allerdings noch in den Sternen. Die Zusammenarbeit im Kleinen findet im Hauptgebäude statt, dessen Sanierungskosten ein Gefühl dafür vermitteln, warum der Newsroom nun doch nicht so schnell kommt. Aktuell beziffert der ORF die Kosten dafür mit 61 Millionen Euro. Ursprünglich geplant waren rund 43 bis 51 Millionen Euro.

Generaldirektor Alexander Wrabetz spricht derzeit weniger von den ausufernden Kosten, sondern davon, wie ihn (der schwarze) Bezirk Hietzing und Anrainer von der Umsetzung seiner Umbaupläne abhielten. Er hat mittlerweile schon 2026 als mögliches Zieldatum für den Newsroom genannt – das wären sechs Jahre später als geplant. Im Stiftungsrat, dem obersten Aufsichtsgremium des ORF ist die Bau-Causa heute ein heißes Politikum, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Zerwürfnisses zwischen SPÖ und ÖVP auf Bundesebene.

Hinter den Kulissen versuchen rot und schwarz einander den schwarzen Peter für das tiefrote Projekt in die Schuhe zu schieben: Der rote Alleingeschäftsführer Wrabetz? Oder der schwarze Finanzdirektor Richard Grasl? Im Gremium ist von einem möglichen Sonderstiftungsrat im Sommer die Rede, die der schwarze Fraktionsleiter Thomas Zach einberufen wolle. Dessen (neuer) roter Konterpart, Heinz Lederer,kann dem nichts abgewinnen. Er ist dafür, "über den Sommer alle Kräfte zu bündeln" und einen Mediator einzusetzen, der zwischen ORF, Bezirk, Anrainern und Stadt Wien vermitteln solle. Ende des Jahres solle dann entschieden werden, wie es mit dem Projekt weitergeht.

Dementi

Zach wiederum weist zurück, eine Sondersitzung zu planen: "Vielleicht ist da bei denen, die das Gerücht in die Welt gesetzt haben, der Wunsch der Vater des Gedanken", sagte er. "Ich habe jedenfalls keine Intention oder auch keine Absicht, im Moment eine Sondersitzung einzuberufen. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass uns die Geschäftsführung im Zuge der regulären Sitzungen über den Stand der Dinge bei den diversen Themen berichten wird."

Und knapp ein halbes Jahr nach seinem Wiederantritt legt Wrabetz eine – von so manchem Stiftungsrat bereits schmerzlich vermisste – Geschäftsordnung für die Geschäftsführung vor. Das ist nicht zuletzt spannend, weil Wrabetz in seiner Bewerbung im Vorjahr eine kollegialere Führung vorgeschlagen hatte. Ein anderes Wahlversprechen von Wrabetz war die Channelstruktur für ORFeins und ORF2, die wegen der Neuwahlen nun verschoben wurde. Der rote Fraktionsführer Lederer pocht schon jetzt vorsorglich darauf, dass diese nach dem Wahlkampf endlich umgesetzt werde "Das ist wirklich eine Atempause. Aber es muss ab 15. Oktober umgesetzt werden." An dem Datum findet die Nationalratswahl statt.

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