ORF-Stiftungsrat widmet sich großen Baustellen
Baustellen realer und symbolischer Natur haben das oberste ORF-Gremium am Donnerstag beschäftigt: Der Stiftungsrat ließ sich von Generaldirektor Alexander Wrabetz Status-Updates zum Stand der teuren und verzögerten Sanierung, dem damit ebenso verzögerten Verkauf des Funkhauses sowie zur neuen Channelstruktur.
Aufhorchen ließ vor der Sitzung der Wiener Stiftungsrat Norbert Kettner (SPÖ-Freundeskreis), der die Großbaustelle offenbar an einem Punkt sieht, an dem er das Projekt nicht mehr mittragen kann, wie er dem Standard sagte: Die Sanierung und der Zubau auf das in den 70er Jahren eröffnete ORF-Zentrum war für Kettner schon beim Beschluss im März 2014 "eine kolossale Fehlentscheidung". (Einen Entschluss, den der Generaldirektor beantragt hatte, wie ein schwarzer Stiftungsrat daraufhin anmerkte.)
Die zwei Studios um 30 Millionen
Laut Standard wurden außerdem zwei Studios vergessen. Wrabetz erklärte diesen Sachverhalt so, dass man diese beim Vergleich zwischen Neubau in St. Marx und Sanierung am Küniglberg herausgerechnet habe. Der Unterschied habe etwa 30 Millionen Euro ausgemacht, sagte er. Am Ende sei eine "sehr ambitionierten Zielzahl" in Höhe von 303 Millionen Euro gestanden. Als der Beschluss für die Sanierung fiel, habe man beschlossen, diesen Betrag nicht zu überschreiten. Wo bleiben nun die 30 Millionen Euro für die zwei Studios (und einige Nutzflächen)? Die 303 Millionen seien der Zielpfad, so Wrabetz.
"Seltsame Asynchronitäten"
Kettner kritisierte auch den Verkauf des Funkhauses in Tranchen statt in einem Stück: "Zizerlweiser Verkauf und Rückmietungen, keiner weiß mehr, welches Stockwerk wem gehört: So kann man keinen Radiobetrieb aufrechterhalten. Ich hoffe, der Generaldirektor löst diese immer seltsameren Asynchronitäten." Er werde sich bei dem Thema enthalten.
Thomas Zach, Leiter des Freundeskreises der ÖVP, ortet ein Wegbröckeln der Wrabetz-Unterstützer, die ihn noch im Sommer als Generaldirektor wiedergewählt hatten. Zuerst seien Grüne und Neos beim Gebührenantrag ausgeschert, nun falle offenbar auch ein roter Stiftungsrat weg.
Neustruktur ohne Antrag
Keine Antragsmaterie ist die neue Channelstruktur des ORF. Diese ist nach einem Vorentwurf des Generaldirektors weiter mit vielen Fragezeichen versehen. Eigentlich hätte mit 1. Jänner schon beschlossen werden sollen, dass ORFeins und ORF2 eigene Channelmanager bekommen sollen. Die konkrete Umsetzung lässt auf sich warten. Die „Unternehmensstruktur neu“ ist Punkt 6.3 auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung. Zuletzt hatten die TV-Redakteure aufbegehrt, von Wrabetz umfassende Informationen über die geplante „Channelstruktur“ gefordert und die Zweckmäßigkeit einer weiteren Chefebene bezweifelt, zumal keinesfalls der Anschein einer parteipolitischen Besetzung erweckt werden dürfe. Wrabetz erklärte, dass die Channelmanager "noch im April" ausgeschrieben werde.
Betriebsrat sieht "Verlust der Bodenhaftung" beim General
Der Betriebsrat kritisiert „Starrköpfigkeit“ und „Verlust der Bodenhaftung“ bei Wrabetz. Konkret sind damit das Festhalten am Funkhaus-Verkauf und die Channel-Pläne für das Fernsehen gemeint: Ersteres werde „von Tag zu Tag unrealistischer“, zweiteres würde eine „Gefährdung der journalistischen Unabhängigkeit in Kauf nehmen“, so BR-Vorsitzender Gerhard Moser.
Dass die Geschäftsführung das Funkhaus nun „modular“ verkaufen wolle, sei „höchst problematisch im Sinne eines 'Rosinenpickens'“, erklärte Moser am Donnerstag am Rande der Stiftungsratssitzung. Außerdem zeuge es von einer „gewissen Basarmentalität, die dem öffentlichen Ansehen des Unternehmens schadet“.
Völlige Neuaufstellung gefordert
Er jedenfalls werde gegen den Verkauf stimmen - als Belegschaftsvertreter hat Moser einen Sitz im Stiftungsrat -, bekräftigte Moser, und „darüber hinaus die Geschäftsführung zu einer völligen und detaillierten Neuaufstellung und Neuberechnung des gesamten Standortprojektes auffordern“.
Was die Umstrukturierungen im Fernsehen betrifft, wendet sich Moser gegen „unnötige und kostspielige neue Führungsstrukturen“, zumal, wenn zugleich ein „massives Sparpaket“ durchgezogen werden solle. „Trotz aller Proteste der Betroffenen, der FernsehjournalistInnen, die mit diesen neuen Strukturen leben sollen, wird an einem finanziell kostspieligen, organisatorisch nicht nachvollziehbaren und noch dazu mit einem parteipolitischen Haut-Gout behafteten Projekt festgehalten“, kritisierte er.
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