ORF – Es lebe die Anarchie

ORF – Es lebe die Anarchie
Die Parteien werden den ORF nie loslassen. Er muss sich von innen befreien.

Stellen wir uns einmal vor, eine gut ausgebildete Journalistin oder ein Spitzentechniker würden gerne beim ORF arbeiten. Was müsste man den jungen Leuten raten? Geh zur SPÖ, dann kannst du Büroleiter vom Chef werden. Oder: Werde ÖVP-Mitglied, dann schaffst du den Sprung zum Bundesländerkoordinator und darfst alle Wetterkameras scharf stellen. Oder biedere dich doch bei der FPÖ an, dann ist sogar ein stellvertretender Technik-Chef drin. Wenn du aber Generaldirektor werden willst, dann musst du die Fähigkeit haben, dich überall zu verneigen und allen alles zu versprechen. Nein, die aktuelle ORF-Krise hat nur am Rande mit dem Ehrgeiz des jungen Herrn Pelinka zu tun, sie ist ein Charakterstück über Alexander Wrabetz: „Verkaufts meine Seele, ich fahre in den 6. Stock.“ Dort sitzt der Generaldirektor, wenn er nicht gerade irgendwo zum Rapport antreten muss.

Redakteurssprecher Fritz Wendl zeigt sich im großen KURIER-Gespräch darüber entrüstet, dass man plötzlich von Personalabsprachen bei der Wahl von Alexander Wrabetz erfahren musste. Das lässt an der journalistischen Urteilsfähigkeit des ORF-Mannes zweifeln. Denn Wendl sollte zugeben, dass schon die erste Wahl von Wrabetz ein großer Bazar war, wo Rot und Grün offenherzig wichtige Posten an die sonst geächteten Rechten von BZÖ und FPÖ verteilten.

Zahltrottel

Wenn ein U-Ausschuss im Parlament demnächst einige Korruptionsfälle untersuchen wird, könnte man theoretisch die handelnden Personen unter Wahrheitspflicht befragen, welche ungesetzlichen Absprachen es denn bei der Wahl des Generaldirektors gegeben hat. Das wird nicht gehen. Wie sollen die Parteien gegen sich selbst untersuchen? Deshalb sind auch gut gemeinte Vorschläge, den ORF wieder mal zu entpolitisieren, völlig irreal. Dort, wo der Staat wirtschaftlichen Einfluss hatte, hat er ihn durch parteitreue, aber unfähige Manager verspielt. Also wird man unsinkbare Schiffe, nämlich zwangsweise finanzierte Unternehmen, niemals aufgeben. Dafür gibt es ja uns. Der Zahlbürger als Zahltrottel.

So kann man nur auf die Fortsetzung des derzeitigen Zustandes im ORF hoffen. Jeder Redakteur mit gewisser Bekanntheit vom Bildschirm gibt Interviews, auf Twitter macht man sich über den Chef und dessen Chefin lustig, Anarchie allenthalben. Als logische Fortsetzung sollten alle Interventionen auf Band aufgenommen und ausgestrahlt werden. Das wäre ein authentisches Programm, damit alle sehen, wie es so zugeht in unserem Land.

Die neue Fernsehdirektorin, die ja vom Theater kommt und hoffentlich Sinn für Humor hat, wird sich über das fröhliche Treiben vielleicht wundern. Aber intern wurde ihr schon kommuniziert, dass sie bei der Information wenig zu sagen haben wird. Also ruht unser Vertrauen auf den Schultern der ORF-Redakteurinnen und -Redakteure. Mit Anarchie lässt sich kein Unternehmen leiten. Aber alles ist besser, als eine ferngesteuerte Führung.

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