Opernsänger Kurt Rydl: "Zug zum Tor muss sein"

Volksoper. Die Räuber. Kurt Rydl
Der "König der Bässe" ist 70 Jahre und "steht noch voll im Saft".

Er ist ein Mann der Rekorde, steht seit mehr als 40 Jahren auf den größten Bühnen der Welt, singt ab 14. Oktober den Vater Moor in der Premiere von Giuseppe Verdis "Die Räuber" an der Volksoper und feierte am Sonntag seinen 70. Geburtstag: Kurt Rydl. Rück- und Ausblicke eines Bühnengiganten.

KURIER: Sie werden jetzt 70 Jahre jung. Welche Bedeutung hat dieser runde Geburtstag für Sie?

Kurt Rydl: Es kommt mir schon ein bisschen eigenartig vor, weil der nächste Runde dann ein 8er ist, obwohl ich noch voll im Saft stehe. Aber ich feiere ihn, wie es mir gebührt, mit Proben zu den ,Räubern‘ und einer semiszenischen ,Entführung aus dem Serail‘ in Linz. Ich habe ja vor 45 Jahren in Linz begonnen, und man hat sich dankenswerterweise daran erinnert. Dann kommen gleich ,Die Räuber‘ an der Volksoper und im Dezember mein erster Waldner in der ,Arabella‘ am Ring. Dann habe ich alle großen Strauss-Partien gesungen. Und dazwischen geht es auf meine Lieblingsfinca nach Mallorca, um die Seele baumeln zu lassen.

Sie haben ein unglaublich großes Repertoire. Gibt es eine Partie, die Ihnen fehlt?

Eine Partie ist mir immer davongelaufen. Ich war nämlich sehr befreundet mit Dirigent Giuseppe Sinopoli. Mit ihm war ausgemacht, dass ich meinen ersten Sachs in den ,Meistersingern‘ mache. Jetzt fehlt der Sachs, und dieses schwarze Loch auf der Landkarte muss bleiben. Im Ganzen habe ich mehr als 120 verschiedene Opern gemacht.

Auch ,Die Räuber‘?

Ja, vor mehr als 40 Jahren. Aber ich freue mich jetzt darauf, weil ich ein sehr gutes Verhältnis mit Robert Meyer habe, der mir vorher schon die ,Anatevka‘ geschenkt hat. Das Manko bei den ,Räubern‘ ist, dass wir es auf Deutsch machen. Doch das Haus steht zu dieser Philosophie. Und alle geben sich sehr viel Mühe. Wir haben ein tolles Team. Ich bin ja einer, der gern die Bösewichte singt. Aber auch Ochs im ,Rosenkavalier‘ und der Amfortas im ,Parsifal‘ liegen mir sehr am Herzen. Wir haben als Bassisten ein großes Feld, das wir zu beackern haben.

Zu Beginn Ihrer Karriere haben sie vor allem italienisches Fach gesungen ...

Dann aber kam der Wagner – und zwar ziemlich heftig. 214 Mal habe ich allein den Hagen gesungen. Bis zu 30 ,Götterdämmerungen‘ pro Jahr waren keine Seltenheit. In Hamburg, an der Scala, in Dresden, in Paris. Davon hat man in Wien aber nicht so viel mitgekriegt, weil ich keiner bin, der zum Hörer greift. Ich muss nicht täglich in der Zeitung stehen. Heute werden junge Sänger-Karrieren vor allem über die Society-Seiten gemacht. Dabei hängen Engagements immer mit den Direktoren zusammen. Ich war beispielsweise ein Seefehlner-Kind, dann kam Lorin Maazel als Wiener Operndirektor, der hat mich dann überall hin mitgenommen. Maazel war von der Schlagtechnik her einer der besten Dirigenten, auch wenn er immer ein zwideres Gesicht gemacht hat. Mit ihm hatte ich herrliche Abende.

Mit wem noch?

Einer der größten Momente meines Lebens war, mit Leonard Bernstein ,Fidelio‘ gemacht zu haben. Als er die dritte ,Leonoren-Ouvertüre‘ dirigiert hat, haben Gwyneth Jones, Lucia Popp und ich uns in die Arme genommen, gehalten und geweint vor Glück.

Gab oder gibt es auch Dirigenten, mit denen Sie nicht können?

Für mich ist es Ausdruck größter Verachtung, wenn ich einen Dirigenten überhaupt nicht anschaue. Dabei bin ich vom Typ her der Teddybär und sehr pflegeleicht. Aber wir Musiker sollten der Musik dienen.

Und die Regisseure?

Ich bin einer, der jede Herausforderung annimmt, wenn es sinnvoll ist. Was ich nicht mag: Wenn Regisseure sehr gescheit im Konzeptionsgespräch daherreden, und dann sieht man nichts davon auf der Bühne. Etwa wenn die Ankunft Siegfrieds in der Gibichungenhalle, die ja eine der gewaltigsten Szenen im ,Ring‘ ist, in einer Döner-Bude spielt, dann geht das gar nicht. Ich kann auch nicht im Fußballstadion ein Konzert für Celesta und Piccoloflöte machen. Das funktioniert nicht.

Sie haben an der Staatsoper die meisten großen Bassrollen seit Bestehen des Hauses gesungen. Wie sehen Sie das Haus derzeit aufgestellt?

Ich würde sagen, der Spielplan ist überschaubar. Als ich hierhergekommen bin, hat man in einem Monat kreuz und quer alles gespielt. Das war zu einer Zeit, wo man im Haus eingebettet war, wo man behütet war. Mein inniges Verhältnis zur Staatsoper hat sich zu einem neutralen Verhältnis gewandelt.

Was würden Sie heute jungen Sängern raten?

Ich rate ihnen, sehr kritisch Ratschlägen gegenüber zu sein. Und sich nicht vom Geld leiten zu lassen. Ich singe nicht des Geldes wegen, sondern aus purer Freude, aus Lust. Denn die Strapazen, die man da auf sich nimmt, kann man nicht mit Geld bezahlen. Du singst, du reist – da fällt der eine oder andere Heurigenbesuch schon aus. Auch die Freundschaften sind nicht so leicht zu halten. Ich wünsche jedem jungen Sänger, den Weg über die Provinz zu nehmen. Da entstehen auch Freundschaften – wie etwa mit Plácido Domingo. Nicht nur auf dem Fußballplatz.

Auf dem Fußballplatz?

Wir spielen ja beide sehr gern und sind große Fußballfans. Ich war in meiner Jugend beim WAC, beim Sportclub, bei Rapid. Ich war der klassische Rechtsaußen. Der Zug zum Tor muss doch sein. Auch auf der Bühne.

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