Anohni: Wunderschön geht die Welt unter

Ökokriegerin mit zartesten Unterhaltungsmitteln: Anohni präsentiert ihr neues Album
Das Sangeswesen mit der Engelsstimme verpackt neu gefundenen Öko-Zorn in Discosound.

Wie nah an den Tränen gebaut war das, was Antony Hegarty einst über den Traum, eine Frau zu sein, sang; über die Angst vor Einsamkeit, die jede Verwandlung begleitet, und sei sie noch so herbeigesehnt.

Antony nennt sich nun Anohni – als Zeichen, dass die Verwandlung zumindest für sie selbst abgeschlossen ist. Und was sie nun mit der unverwechselbaren Engelsstimme zu singen hat, ist eigentlich um vieles trauriger als das, was zuvor schon zu Tränen gerührt hatte: Allein der Titel des neuen Albums, "Hopelessness", lässt das wissen. Es geht um eine Verwandlung der ganz anderen Art: Um diejenige brutale Verwandlung nämlich, die der Mensch dem Planeten und auch sich selbst aufzwingt.

Es geht um Drohnenkrieg, Klimawandel, Migration, Überwachung und auch um die daraus resultierende geistige Brutalität.

Es geht um die Unfähigkeit, das Zarte, das Lebendige zu beschützen, um Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts der rücksichtlosen Gemeinheit und der idiotischen Selbstzerstörung, in der wir uns verfangen.

Doch Anohni verpackt die Trauer und den Zorn darüber in völlig ungewohnten Klang: Die tristesten Probleme der Gegenwart und Zukunft kommen in locker-flockig-tanzbarem Discosound daher. Tschaka-tschaka-tschaka, Nordkorea, tschaka-tschaka-tschaka, Bombenkrieg.

Die kammermusikalischen Kunstpop-Tage sind vorbei; jetzt muss, angesichts der Dringlichkeit des vorgefundenen Menschheitsdesasters, zu anderen Mitteln gegriffen werden: Der leichte Klang des neuen Albums, so Anohni in einem Interview mit der New York Times, sei ein trojanisches Pferd, über das man schwierige Themen in die Gehörgänge und damit die Gehirne der Hörer einschleusen kann.

Denn es geht nicht mehr ums zutiefst Persönliche, sondern um das zutiefst Politische. Darum, dass die Erde sich zwar "nur" um 4 Grad aufheizen werde; dass diese scheinbare Nebensächlichkeit jedoch einer äußeren, nicht zuletzt aber auch einer inneren Katastrophe gleichkomme.

Entrückt

Denn "die Unterdrückung der Erde und der Frauen ist ein und dasselbe", sagt Anohni. Und hier treffen einander die zwei Welten der Sängerin wieder: Ihr innerer Konflikt – sie lebte als imposanter Mann mit zarter Stimme, wusste aber immer schon, dass sie als Frau empfindet – und der äußere Konflikt sind Kehrseiten der selben Medaille. So auch "Drone Bomb Me", wo das Umkommen durch ferngesteuerte Bomben zur entrückten Todeslust verschwimmt. Ein Drahtseilakt wie "Hopelessness" überhaupt: Das alles könnte auch ganz schön nerven. Anohni aber führt den Ökokampf mit feinsten Unterhaltungsmitteln, sie ist frisch berufene Mahnerin, die durch ihre ätherische Falsettstimme umso intensiver wirkt.

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