Neuer "Brenner"-Film: Dosenfleisch mit Pfefferoni

Völlig herunter gerockt: Arbeitslos, unversichert und obdachlos muss Josef Hader als Ex-Polizist Simon Brenner zurück ins heimatliche Puntigam – „Das ewige Leben“
Josef Hader als Simon Brenner am Tiefpunkt – in dem neuen, hervorragenden Wolf-Haas-Film "Das ewige Leben"

Nächster Halt: Puntigam. Schlimmer hätte es kaum kommen können, als im strömenden Regen in die Heimatstadt Graz zurückzukehren. Josef Hader als verkrachter Ex-Polizist Simon Brenner schluckt diese bittere Pille – mit dem Ausdruck fassungsloser Ungläubigkeit.

Brenners Leben ist dermaßen herunter gerockt, dass ihm keine Wahl bleibt: Arbeitslos, unversichert und ohne Obdach – "Herr Brenner, Sie sind ein U-Boot", erklärt ihm die nette Dame am Arbeitsamt. Was bleibt, ist das geerbte Elternhaus in Puntigam, in dem der Regen schäbig durchs Dach plätschert und die Hauskatze feindselig auf Brenner starrt. Faulige Löcher, modernde Zeitungen, durchgebrannte Kabel. Bonjour Tristesse.

Sechs Jahre sind seit der letzten Haas-Verfilmung "Der Knochenmann" vergangen, ehe das Erfolgstrio Josef Hader, Wolf Haas und Regisseur Wolfgang Murnberger erneut zum Gipfelsturm ansetzte und ein exzellentes Drehbuch nach Haas’ schwarzhumoriger Romanvorlage verfasste.

Tief wie nie zuvor steigt "Das ewige Leben" in Brenners Psyche hinunter. Anfänglich bleibt Hader ungewöhnlich ernsthaft, so als müsste er sich und uns erst an seine versandelte Situation gewöhnen. Doch je mehr seine Grazer Vergangenheit ihre Schatten wirft, desto mehr findet Brenner zu seinem angestammten Sarkasmus zurück.

When I Was Young

Noch bevor die eigentliche Krimihandlung einkickt, passieren schon die besten Momente. Allein Haders Gesicht beim Katzen-Nachtmahl mit Dosenfleisch und Pfefferoni ist unbezahlbar. Dazu eiert der großartige Hit "When I Was Young" von Eric Burdon & the Animals über den verschrumpelten Plattenteller und macht Brenners Heimkehrerschicksal doppelt armselig. Als sich auch noch Erinnerungsfetzen aus seiner Jugend ins vernebelte Hirn schieben, kündigt sich eine Konfrontation mit der Vergangenheit an.

Murnberger beschwört klassisches Noir-Feeling mit schönen, somnambulen Asphalt-Bildern aus dem nächtlichen Graz. Zuerst besucht Brenner seinen Jugendfreund Köck – verlässlich lustig der formidable Roland Düringer – und schnorrt ihn um Geld an. Doch dann taucht Tobias Moretti als zweiter Mann aus Brenners Vergangenheit auf; danach ist es vorbei mit lässigem Abhängen und Joint rauchen.

Der Motor der Krimihandlung wird gnadenlos angeworfen, es beginnt wieder zu regnen. Brenners ohnehin schon scheußliche Hütte verwandelt sich im grünlich-schwarzen Nachtlicht in ein wahres Horror-Haus. Die ersten Schüsse fallen, eine Kugel verirrt sich in Brenners zermarterten Schädel, die Spuren führen zurück in die 70er Jahre.

Damals wurde eine tödliche Saat gelegt, die jetzt mörderisch aufgeht und – ehrlich gesagt – einigermaßen bizarre Plot-Wendungen nimmt. Mehr als die Zweideutigkeit des Satzes "Diese Frau ist so jung, sie könnte deine Tochter sein", sei hier nicht verraten. Aber zum Glück befinden wir uns nicht in einem schlechten "Tatort", sondern in einem hervorragenden Haas-Krimi. Insofern lassen sich auch weiter her geholte Handlungsstränge dank des exquisiten Schauspieler-Ensembles glaubhaft einbinden.

Johannes Silberschneider als g’schafftiger Herr Nachbar ist köstlich, Tobias Moretti schleicht lauernd wie ein Luchs durch die Handlung, und Nora von Waldstätten kann ihre mustergültige Kälte als Femme fatale passend zum Einsatz bringen.

Und Josef Hader? Der ist einfach umwerfend – mit und ohne Kugel im Kopf.

INFO: Das ewige Leben. Ö 2015. 121 Min. Von Wolfgang Murnberger. Mit Josef Hader, Tobias Moretti, Nora von Waldstätten.

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