Zartes Pflänzchen Popmusik in Gefahr

Kreisky
Die heimische Popbranche muss mit weniger Geld auskommen: Kleine Labels und Künstler treffen die Kürzungen beim Musikfonds wohl am härtesten.

Es wird wieder enger. Der Ausstieg des ORF aus dem heimischen Musikfonds bedeutet einen Verlust von fast einem Zehntel des bescheidenen Gesamtbudgets von 920.000 Euro. Die international stark reüssierende heimische Indiepop- und Elektronikszene hat in den vergangenen Jahren massiv von den Mitteln des Fonds profitiert, der sonst unerschwingliche professionelle Aufnahmen im Studio ermöglicht (siehe Kasten). „Ab dem Zeitpunkt, an dem man als Band den Hobbystatus verlassen will, ist der Musikfonds der größte Förder-Brocken“, sagt Klaus Mitter, Schlagzeuger der Wiener Band Kreisky. „Wenn da jetzt ein Zehntel fehlt, ist das schon viel Geld.“

Kreisky haben für ihr (noch nicht veröffentlichtes) viertes Album zum insgesamt dritten Mal eine Produktionsförderung des Musikfonds erhalten – die Kürzungen, die durch den Wegfall der vom ORF seit 2010 beigetragenen 100.000 Euro ins Haus stehen, betreffen sie nicht akut. Für die Musikwirtschaft wird die Kürzung aber stark spürbar sein, ist sich Mitter sicher: „Der Musikfonds ist eine sehr wirtschaftlich orientierte Förderung“, erklärt er. „Es geht auch darum, dass man den Standort stärkt. Das Geld landet bei Studios, Gastmusikern, Technikern – es wird in den Kreislauf wieder hineingespült.“

Wo genau nach Wegfall der 100.000 € vom ORF nun gespart werden muss, ist laut Musikfonds-Chef Harry Fuchs noch nicht entschieden. Neben dem „Kerngebiet“, der Förderung von Aufnahmen, unterstützte der Fonds zuletzt auch Tourneen von Bands sowie Videoproduktionen. „Letztere musste in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt werden – dabei sind Videos ein enorm wichtiges Promotion-Werkzeug“, sagt Fuchs.

Dachmarke für die Popförderung

Unklar sei auch, ob die Jury sich künftig dafür entscheiden werde, weniger Produktionen mit der maximalen Förderquote (50% der Produktionskosten) auszustatten oder aber gleich vielen Produktionen wie bisher weniger Geld zu geben. Für die Bemühungen, den Musikfonds zur „Dachmarke“ für heimische Popförderung auszubauen – der Österreichische Musikrat forderte zuletzt gar eine Aufstockung des Budgets auf fünf Millionen Euro – ist der ORF-Ausstieg jedenfalls ein Rückschlag.

"Unsmarter Move"

Zartes Pflänzchen Popmusik in Gefahr
Für den Wiener Produzenten Patrick Pulsinger ist es ein Verdienst des Musikfonds, dass immer mehr heimische Acts international reüssieren. Er warnt davor, dieses „zarte Pflänzchen zu zertrampeln“. 100.000 Euro seien im ORF-Budget wohl „eine Lachnummer“. Er argumentiert, dass der Musikfonds eine wichtige Rolle für die heimische Musikbranche spiele. Weil etwa Finanzpläne eingefordert würden, trage das zur Professionalisierung der Bands bei, außerdem könnten sich die meisten keine Studioaufnahmen leisten."

Dass der ORF sich aus dem Programm zurückziehen will, sieht er als "Signal, dass ihnen das nicht mehr wichtig ist". Dabei hätten die Evaluierungen des Musikfonds gezeigt, dass die geförderten Projekte stets erfolgreich gewesen seien. Pulsinger spricht von einer "Aufbruchstimmung" in den vergangenen Jahren. "Man hatte schon das Gefühl, dass ein frischer Wind weht." Dass dies in Zeiten einer totalen Selbstauflösung der Popindustrie gelungen sei, müsse dem Musikfonds hoch angerechnet werden. Pulsinger argumentiert (volks-)wirtschaftlich: "Jeder Groschen, der in einer Krise investiert wird, ist zwei Groschen wert." Letztenendes würden viele Künstler, die "brav als Selbstständige in die SVA einzahlen", auch die Arbeitslosenstatistiken entlasten. Die Kürzungen sieht er nonchalant als "unsmarten Move".

Labelbetreiber sauer

Auch die heimischen Labelbetreiber rümpfen die Nase: Bernhard Kern (Siluh Records), verweist auf die prekären Arbeitsverhältnisse der Bands. Nicht selten würden Schulden aufgenommen, um überhaupt Studiozeit zu bekommen. Ilias Dahimène (Seayou Records) findet die ORF-Manöver „cheap“. Hier finden Sie Interviews mit den Labelmachern:

KURIER: Der angekündigte Ausstieg des ORF aus dem Musikfonds hat für Proteste in der Szene gesorgt. Welche Auswirkungen erwarten Sie sich dadurch?

Bernhard Kern: Das Budget der Bands mit denen wir zusammenarbeiten ist sehr prekär. Um sich eine adäquate Aufnahme leisten zu können, wurden nicht selten Schulden aufgenommen. Da die Finanzierung des Studios nur ein erster Schritt in einer Musikkarierre ist, und Geld das beispielsweise für Promotion bzw. Touren investiert werden sollte fehlte, blieben viele Acts trotz eines tollen Album auf der Strecke. Indirekt half der Musikfonds somit in den letzten Jahren auch mit, heimische Acts vor allem auch international zu pushen.

KURIER: Wie wichtig ist der Musikfonds für die Arbeit von Siluh Records?

Kern: Die Ausrichtung von Siluh Records ist ganz klar international orientiert. Ein wichtiger Grundstein damit sich eine Band gegenüber der vielen vielen Acts aus anderen Ländern behaupten zu können ist vor allem eine solide Produktion. Gerade in Zeiten in denen es sehr einfach geworden ist Musik zuhause zu produzieren, hat der Stellenwert der Produktion deutlich zugenommen. Der Musikfonds unterstützt unsere KünstlerInnen sich ein professionelles Studio, einen erfahrenen Produzenten zu leisten um ein Maximum an künstlerischen Output zu gewährleisten und somit auch auf der interantionalen Bühne reüssieren zu können.

KURIER: Welche Fördertöpfe stehen kleinen Labels zur Verfügung und in welcher Intensität nutzen Sie diese?

Kern: Hervorzuheben ist der SKE-Fonds der AustroMechana. Hier herrscht Transparenz hinsichtlich Förderrichtlininen, Jury-Zusammenstellung und Einreichetermine. In den Jahresberichten ist auch eindeutig ersichtlich wer für was wieviel Förderung erhalten hat. Ganz anders ist das beim SKE-Topf der LSG: hier wird scheinbar nur einem ganz exklusiven Kreis Geld zugeschanzt. Für Aussenstehende ist nicht ersichtlich, wann und welche Förderungen vergeben werden. Es darf hier nicht ohne Grund darüber spekuliert werden in welchem besonderen Naheverhältnis die IFPI mit der LSG steht.
Siluh Records bekommt dazu noch Unterstützung von departure. Diese Förderung der Stadt Wien hat eindeutig zur Professionalisierung beigetragen!

KURIER: Was bräuchte es noch?

Kern: Der Musikfonds fördert die Produktionskosten der Aufnahmen (sprich: Studio, Mixdown, Mastering...) - jedoch gibt es keine weitere Unterstützung um das fertige Produkt (sprich: Tonträger) zu promoten bzw. exportieren. Vor allem das Touren im Ausland ist unserer Meinung nach unerläßlich und ist meist mit hohen finanziellen Aufwand verbunden.

KURIER: Wie sähe die Szene ohne einschlägige Förderschienen aus?

Kern: Ohne Musikfonds könnten sich viele Acts den Gang ins (professionelle) Studio nicht leisten. Hier werden aber vor allem publikumstaugliche und vermarktbare Musik gefördert. Deshalb möchte ich die Wichtigkeit des SKE-Fonds der Aume nochmals hervorheben, der relativ unkompliziert sehr wichtige kleine Institutionen unterstützt und so zur Vielfältigkeit der Musikszene beiträgt!

KURIER: Der angekündigte Ausstieg des ORF aus dem Musikfonds hat für Proteste in der Szene gesorgt. Welche Auswirkungen erwarten Sie sich dadurch?

Ilias Dahimène: Ich denke der ORF will über solche Aktionen vor allem die Gebührenrefundierung durchsetzen, ich kann noch nicht abschätzen wohin sich das alles bewegen wird. Die Vorgehensweise ist ein bisschen cheap.

KURIER: Wie wichtig ist der Musikfonds für die Arbeit von Seayou Records?

Dahimène: Der Musikfonds hat für Seayou keine unmittelbare Bedeutung. Der Musikfonds ist in erster Linie eine Förderung für Tonstudios/Produzenten, in zweiter Linie für Künstler/Bands die eine um 50% ermäßigte Aufnahme erhalten. Seayou hat 2012 1000€ Showcase Förderung erhalten aus dem Exporttopf des Musikfonds die aber zu 100% an unsere Bands weitergegeben wurden.

KURIER: Welche Fördertöpfe stehen kleinen Labels zur Verfügung und in welcher Intensität nutzen Sie diese?

Dahimène: Der wichtigste Topf ist der SKE Fonds der AUME der aus Mitteln der Leerkassettenabgabe gespeist wird. Dieser vergibt eine Vielzahl an kleinen Zuschüssen (Seayou bekommt seit 2009 zw. 2500-5000€/Jahr), eine Methode die sich als sehr effizient und belebend für die Szene erwiesen hat. Es gäbe noch einen SKE Fonds der LSG Produzenten der jedoch von den Major Labels kontrolliert wird die sich die Leerkassetteneinnahmen, unserer Meinung nach zu Unrecht, de facto unter sich aufteilen. Aus Steuermittel gibt es weder auf Bundes- noch auf Landesebene Fördermöglichkeiten für kleine Musiklabels abseits klassischer Musik.

KURIER: Was bräuchte es noch?

Dahimène: Wir würden uns über eine dem Verwertungsgesellschaftengesetz besser entsprechenderen Verwendung der SKE Mittel der LSG Produzenten sehr freuen.

KURIER: Wie sähe die Szene ohne einschlägige Förderschienen aus?

Dahimène: Ehrlich gesagt: Meiner Meinung nach gar nicht so viel anders, der wichtigste Impulsgeber ist aus unserer Sicht der SKE Fonds der AUME. Wir stehen dem Musikfonds aufgrund seiner Förderrichtlinien durch die er zu einem Fördergeber für Tonstudios wird sehr kritisch gegenüber und finden die Verteilung der Mittel sehr ineffizient. Der Aller-Allwichtigste Impulsgeber ist aber noch immer die Mentalität der Künstler, Labels, Agenturen etc die 24/7 ihrer Leidenschaft nachgehen mit minimalen materiellen Belohnungen. Aber wir beschweren uns nicht, "we're having the time of our lives."

Der Musikfonds, 2005 gegründet, wird von Bund sowie mehreren Branchen-Institutionen finanziert. Eine Evaluierung stellte 2009 „deutliche Unterdotierung“ fest, danach wuchs das jährliche Budget von 680.000 € (2009) auf 920.000 € (2012).

Der aus der Urheberrechtsabgabe gespeiste „SKE-Fonds“ ist eine weitere Anlaufstelle.

Länder fördern Pop uneinheitlich, die Agentur „departure“ gelegentlich.

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