Mumok: Wie Pop-Art nass und dreckig wurde

Mumok: Wie Pop-Art nass und dreckig wurde
Mit einer musealen Großtat stellt das Wiener mumok das Frühwerk des Pop-Künstlers Claes Oldenburg vor: Eine hervorragend gestaltete Rückschau.

Am Beginn steht, nein, hängt eine große Verunsicherung. Eine große Pappmaché-Scheibe, dazu seltsame Gebilde aus bemalter Wellpappe, eine "Strahlenpistole", die auch riesige Hoden darstellen könnte. Was die Besucher im Eingangssaal der neuen mumok-Ausstellung empfängt, ist weit von dem entfernt, was man sich gemeinhin unter "Pop Art" vorstellt.
Die Schau "Claes Oldenburg – the Sixties" katapultiert ihre Besucher statt dessen in die Installation "The Street", die der 31-jährige Oldenburg 1960 in zwei Versionen in New York zeigte.

Dreckig

Es muss damals wild, dreckig und spontan zugegangen sein, das legen auch Filmdokumente nahe – doch allein der Umstand, dass viele Werke als Museumsstücke überlebten, zeugt vom Selbst- und Sendungsbewusstsein, das Oldenburg damals erfüllte: Um 1960 schien die Kunstgeschichte wieder einmal einen Endpunkt erreicht zu haben, und der Künstler wollte den nächsten Schritt setzen.

Die mumok-Schau führt die Besucher nicht lehrbuchhaft an die Kunst und Geisteswelt jener Zeit heran: Wie schon öfters in diesem Museum dürfen (oder müssen) die Objekte für sich selbst sprechen, der nötige Kontext lässt sich allerdings in einem Begleitheft gut verdichtet nachlesen.

Hat man sich einmal akklimatisiert, gereicht diese Präsentationsweise der Kunst und ihrem Verständnis zum Vorteil: Mannigfaltige Parallelen und Entwicklungsstränge treten hervor, spinnen sich von den rauen Anfängen hin zu den berühmten Werken Oldenburgs, den riesenhaften, aus Stoff genähten Tortenstücken und monumentalen Lippenstiften etwa, hin zum "Mouse Museum" in der obersten Etage der Schau.

Über vier Stockwerke führt der Weg entlang der Themenfelder "Street", "Store", "Home", "Monument" und "Museum" in den Oldenburgschen Kosmos. Zweifellos zeichnet sich die Ausstellung durch spektakuläre Leihgaben aus – so hängt im Abschnitt "Home" der "Giant Soft Fan" (1966–’67), eine riesige, aus Vinylstoff genähte Nachbildung eines Ventilators aus dem New Yorker MoMA.

Hintergründe

Richtig spannend werden solche Objekte aber durch die Gegenüberstellung mit Entwürfen, Notizen und Zeichnungen aus Oldenburgs Archiv. Der Künstler entpuppt sich hier als genialer Flaneur, der in Werbeanzeigen, Schaufenstern und Alltagsobjekten sofort unterschwellige, oft sexuell gefärbte Botschaften erkennen und künstlerisch überhöhen konnte. In einem Medienraum ist dazu ein Film zu sehen, den der Künstler bei der New Yorker Thanksgiving-Parade drehte: Die riesigen aufblasbaren Figuren, die dort traditionellerweise herumkutschiert werden, leuchten als Inspirationsquelle für Oldenburgs markenzeichenhafte "soft sculptures" sofort ein.

Vorzeichnungen dieser Stoff-Skulpturen, die Oldenburg mit lockerem Strich zu Papier brachte, können ihrerseits als eigenständige Kunstwerke bestehen: Im Werk Oldenburgs ist keine Trennlinie zwischen abstrakter Ausdruckskunst und der analytischen Verarbeitung der Realität zu erkennen. Die Gegensätze, die die Kunst der 1960er beschäftigten, fließen bei ihm in origineller Weise zusammen.

Mit kluger Inszenierung und Beleuchtung gelingt es dem mumok, diese Errungenschaften mit viel musealer Aura auszustatten, sie aber nicht als Museumsstücke erstarren zu lassen. Fazit: Eine erstklassige Schau.

Claes Oldenburg: Bis 28. Mai im mumok

Mumok: Wie Pop-Art nass und dreckig wurde

Der Künstler: Claes Oldenburg wurde 1929 in Stockholm in eine Diplomatenfamilie geboren, die sich 1936 in Chicago niederließ. Nach seinem Studium reüssierte Oldenburg in der New Yorker Avantgarde-Szene. Später wurde er vor allem mit monumentalen Arbeiten im öffentlichen Raum bekannt.

Die Schau: "Claes Oldenburg – The Sixties", kuratiert von Achim Hochdörfer, ist bis 28. 5. im mumok zu sehen. Danach wandert die Schau ins Museum Ludwig Köln, ins Guggenheim Museum Bilbao, ins Museum of Modern Art New York und ins Walker Art Center, Minneapolis.

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