Mozart für das Fotoalbum

Hochzeitstafel (v. l.): Mauro Peter, Julia Kleiter, Angela Brower, Alessio Arduini
Sven-Eric Bechtolf zeigt eine fein gearbeitete, aber museale "Così fan tutte" bei den Salzburger Festspielen.

Also, der Autor dieser Zeilen kann sich nicht erinnern, diese konkrete "Così fan tutte" schon einmal gesehen zu haben (obwohl er sie definitiv gesehen hat). Aber bei manchen Inszenierungen ist es ja kein Problem, wenn man sie bald wieder vergisst.

Und dennoch hat er sie so oder so ähnlich schon ganz, ganz oft gesehen – denn es handelt sich geradezu um das Musterbeispiel einer "Così"-Produktion, wie sie seit Jahrzehnten üblich ist. Wie sie, handelte es sich um ein Gemälde, in einem der großen Museen hängen würde. Wie man sich diese Mozart-Oper fast klischeehaft vorstellt. Nicht umsonst gab es bei der Erst(?)-Aufführung in der Salzburger Felsenreitschule auffällig viele Besucher, die das Schlussbild mit ihren Handykameras festhielten. Ein Mozart fürs Fotoalbum. Ohne Kanten, ohne Brüche. Die Wiener Staatsoper wäre froh, wenn sie eine solche, auch touristisch attraktive, "Così" hätte.

Festspielchef Sven-Eric Bechtolf ist der Regisseur dieser Produktion. Offiziell hat er seine Arbeit aus dem Jahr 2013 "neu einstudiert". In Wahrheit ist es eine Neuinszenierung, die mit der damaligen Arbeit (zumindest in der Erinnerung Ihres Rezensenten) nichts zu tun hat.

Eine Lehrstunde

Bechtolf hält sich – wie so gut wie immer – streng an das Libretto. Seine "scuola degli amanti", wie die Da-Ponte-Oper mit ihrem Untertitel heißt, ist diesfalls wirklich eine Schule. Die jungen Paare werden zu Studienobjekten und von älteren maskierten Herren physiologisch und psychologisch genau beobachtet. Die Kostüme sind fesch und traditionell. Bechtolf selbst hat erstmals die Bühne konzipiert und zum Glück nicht die Glittenbergs ein Unding in die Felsenreitschule bauen lassen. Es gibt eine Kutsche, drei große Transparente, die aufgerollt werden, um Bilder zu schaffen, antike Stühle, viele Kerzen. Er vermag sehr gut Atmosphäre zu schaffen.

Freilich stellt sich die Frage, ob nicht gerade Festspiele das Werk viel stärker auf seine Gültigkeit für unsere Zeit überprüfen müssten. All diese Einwände gegen die optische Verstaubtheit ändern jedoch nichts an etwas Wesentlichem: Bechtolf versteht es exemplarisch gut, mit Sängern zu arbeiten. Seine Personenführung ist fabelhaft, die Protagonisten bewegen sich bei ihm besser als bei anderen Regisseuren, spielen besser, setzen besser Pointen und können Emotionen glaubhafter transportieren. Die "scuola degli amanti" ist hier auch eine "scuola degli cantanti".

Das kommt dem Ensemble enorm zugute, vor allem, weil es nicht so ist, dass es ausschließlich Stimmen gäbe, die man sich für eine hochrangige "Così"-Aufführung wünscht. Michael Volle ist als Don Alfonso der Beste und sogar eine famose Besetzung, zynisch, markant, mit kraftvollem Bariton. Julia Kleiter hat eine präzise Höhe und bezaubert bei der zweiten Fiordiligi-Arie, mit den tiefen Registern müht sie sich sehr ab. Angela Brower ist eine spielfreudige Dorabella mit nicht allzu großem Mezzo. Mauro Peter (Ferrando) hat ein schönes Timbre, klingt aber in der Höhe angestrengt. Alessio Arduini (Guglielmo) spielt gut, ist aber stimmlich viel zu klein besetzt. Martina Janková (Despina) konzentriert sich aufs Komödiantische.

Ottavio Dantone dirigiert das Mozarteumorchester (mit einigen guten Solisten) zwar differenziert, aber dramaturgisch nicht immer plausibel und hat zur Mozart-Interpretation wenig beizutragen. Das ist musikalisches Mittelmaß. Viel Applaus am Ende der (Nicht)-Premiere.

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