"Moses"-Premiere in Bregenz: Die Götter mit der Puppenkiste

Moses in Ägypten
In Bregenz teilt sich nicht der See, aber die See. "Moses in Ägypten" zeigt, wie Oper heute mit neuen theatralischen und filmischen Mitteln aussehen kann.

Es ist von einem Erfolg zu berichten, der den Bregenzer Festspielen gebührt, hoffentlich aber nachhaltig und weit darüber hinaus strahlt.

Auf der so dringend nötigen Suche nach neuen Zugängen zur Kunstform Oper abseits der ausgetretenen Pfade hat die Regisseurin Lotte de Beer gemeinsam mit dem niederländischen Kollektiv Hotel Modern für Gioachino Rossinis "Moses in Ägypten" eine exzellente Lösung gefunden. Diese vereint verschiedene Genres und zeigt, wie man auch die komplexesten Themen mit Innovationskraft zeitgemäß darstellen kann.

Hotel Modern entwickelte bereits vor 20 Jahren ein raffiniertes Figurentheater und verknüpft dieses unter anderem mit Film und darstellender Kunst. Für "Moses in Ägypten", Rossinis Oper über den Auszug aus Ägypten, die biblischen Plagen und die Teilung des Meeres, hat Hotel Modern Hunderte Miniaturpuppen, jeweils nur ein paar Zentimeter groß, gebaut.

Wunder mit Wasser

Diese werden von den Theatermachern auf der Bühne, auf eigenen Tischen, bewegt und gefilmt. Auch sämtliche technischen Effekte werden simultan mit einfachsten Mitteln produziert. Auf der Hinterbühne sieht man auf einer Riesenkugel die Livevideos mit den ausdrucksstarken Gesichtern, man sieht die Zerstörung der Städte, Feuer, Blitze, Rieseninsekten – und am Ende gelingt es dem Kollektiv spektakulär, den Marsch der Israeliten durchs Wasser und den Tod der ägyptischen Armee darzustellen. Mit einem Mini-Bassin, in das zuvor kübelweise Wasser geschüttet wird. Allein die Tatsache, dass das Becken nur während der lauteren Ensembleszenen gefüllt wird, zeigt, wie respektvoll gegenüber der Musik agiert wird.

Diese Umsetzung mit den Mitteln der Abstraktion ist garantiert besser als jeder Versuch einer historisierenden Darstellung oder der Schaffung einer Pseudo-Realität. Sie ergänzt die Szenerie mit den Sängerinnen und Sängern ideal und greift auch in das Geschehen ein, wenn etwa die vier Hotel-Modern-Spieler die Menschen auf der Bühne wie Puppen arrangiert. So kann man hoffentlich auch jüngeres Publikum, das eine zeitgemäße Optik gewöhnt ist, für Oper begeistern statt dieses mit Stehtheater in Kostümen abzuschrecken.

Regisseurin Lotte de Beer, die schon im Theater an der Wien mit der Inszenierung der "Perlenfischer" für eine der hinreißendsten Opernproduktionen der letzten Zeit gesorgt hat, zeigt in Bregenz mit guter Personenführung die Aktualität der Geschichte von Flucht und Exil. Man wird ständig an syrische Flüchtlinge erinnert, ohne dass es jedoch zu explizit wird. Raffinesse statt Holzhammer.

Italienisches aus Wien

Eine echte Entdeckung gibt es im Festspielhaus auch im musikalischen Bereich: Dirigent Enrique Mazzola führt eindrucksvoll vor Ohren, wie genial diese Partitur ist, wie viel Schönheit und Tragik in ihr steckt. Man hört einen noblen, präzisen, schlanken, unsentimentalen Rossini, abseits jeder Klischees und Weichzeichnungen. So italienisch haben die famosen Wiener Symphoniker wohl schon lange nicht mehr geklungen.

Auch die Sängerbesetzung ist gut. Andrew Foster-Williams als Faraone und Goran Jurić als Mosè sind adäquate, mächtige Gegenspieler. Das Liebespaar Osiride und Elica wird von Sunnyboy Dladla bzw. Clarissa Costanzo gesungen. Dladla verfügt über einen höhensicheren lyrischen Tenor mit wunderschönem Timbre, Costanzos Sopran ist ausdrucksstark, die Artikulation gewöhnungsbedürftig, ihre Koloraturen sind prachtvoll. Auch die Sänger der kleineren Rollen sowie der Prager Philharmonische Chor überzeugen.

Die Produktion steht noch zwei Mal in Bregenz auf dem Programm, in der kommenden Saison ist sie in Köln zu sehen. Hoffentlich gibt es bald mehr von diesem Kollektiv, das himmlische Wunder aus der Puppenkiste zaubert.

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