Mit Körpereinsatz für die Neue Musik

Charlotte Moorman mit TV Glasses von Nam June Paik führt sein TV Cello auf, New York, 1971
Das Salzburger Museum der Moderne würdigt Charlotte Moorman (1933–1991), Performerin und Kultfigur der New Yorker Szene

„Ich höre, sie sind auch oben ohne aufgetreten?“ fragt der Talkshow-Moderator. Seine Interviewpartnerin bejaht und erzählt mit Südstaaten-Akzent, dass ihre Familie es wohl lieber sähe, wenn sie „wieder Bach spielen würde“. Aber sie habe eben einen anderen Weg gefunden.

Dass sperrige Kunst nur mithilfe pikanter Details in den Mainstream sickert, hat sich seit Ausstrahlung dieser Szene in den 1960er-Jahren kaum geändert. Charlotte Moormans Auftritte halfen immerhin mit, dass Neue Musik überhaupt in TV-Talkshows vorkam. Doch die Prominenz der klassisch ausgebildeten Musikerin war zwiespältig: Einige Feministinnen kritisierten ihren Körpereinsatz, und das Image der „Oben-ohne-Cellistin“ hing Moorman, die 1991 mit 58 Jahren an Brustkrebs starb, bis zuletzt nach.

Musikerin und Muse

Die Schau „Ein Fest des Staunens – Charlotte Moorman und die Avantgarde“, die nun im Salzburger Museum der Moderne zu sehen ist (bis 18 .6.), möchte Dinge zurechtrücken und Moorman als Kristallisationsfigur zeigen, ohne die Neue Musik und Medienkunst einen anderen Weg genommen hätten.
Speziell das Werk von Nam June Paik (1932– 2006) ist aufs Engste mit Moorman verknüpft: Mit ihm inszenierte sie viel beachtete Darbietungen, er baute für sie Werke wie das „TV Cello“ (1971).

Mit Körpereinsatz für die Neue Musik
Charlotte Moorman performt Jim McWilliams’s Ice Music for Sydney, Art Gallery of New South Wales, 1976. Fotograf unbekannt. Courtesy of Kaldor Public Art Projects
Moormans kreative Energie wird in unzähligen Fotos, Dokumenten und Videos lebendig geschildert – das Ungleichgewicht in der Wahrnehmung kann die Schau dennoch nicht ganz korrigieren: Ob sich Moorman gegen die Rolle der „Muse“, die Werke der als Schöpfer gefeierten Männer zum Leben erweckte, aktiv gewehrt hat, ist bis zuletzt nicht ganz klar.

Wenn Moorman ihre attraktive Erscheinung einsetzte, tat sie es in einer gewieften Art. 1973 spielte sie ihr Cello etwa in einem riesigen Osternest und ließ sich mit Schokolade einschmieren; die Performance namens „The Ultimate Easter Bunny“ persiflierte auch die von den „Playboy Bunnies“ vorexerzierte Verfügbarkeit von Frauen.

1982 stieg Moorman bei der Linzer Ars Electronica – samt Cello an einen Strauß Ballons gebunden – in die Luft. Im Kern blieb New York aber ihr Wirkungsbereich, hier organisierte sie von 1963 bis 1980 fünfzehn „Avantgarde-Festivals“, bei denen große Namen ebenso wie „Eintagsfliegen“ auftraten.

Ob alles historisch bedeutsam war, hinterfragten Kritiker damals wie heute. Fest steht, dass sich die Szene von ihrem Ursprungsort entkoppelt hat und in musealisierter Form um die Welt segelt. Der Mönchsberg, wo zuvor u. a. Personalen zu Carolee Schneemann und Simone Forti ankerten, ist unter Direktorin Sabine Breitwieser jedenfalls zum zentralen Europa-Hafen dieses New Yorks geworden.

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