Volkstheater: Schottenberg kündigte Rückzug an

Vorab-Erklärstück
Michael Schottenberg lässt seinen Vertrag mit dem Wiener Volkstheater nach zehn Jahren auslaufen.

Dieser Schritt kam überraschend: Michael Schottenberg kündigte am Freitag an, seinen noch zwei Jahre (bis Ende August 2015) laufenden Vertrag als Direktor des Wiener Volkstheaters nicht zu verlängern. Er hatte diese Funktion 2005 von Emmy Werner übernommen.

„Zehn Jahre sind eine ausreichende gute Zeit, wesentliche künstlerische Ziele umzusetzen“, nannte er als Begründung. „Ich habe das Volkstheater als das Stadttheater von Wien positioniert, das in seiner Themenvielfalt, seiner Kompetenz und seinem sozialen Anspruch einen festen Stellenwert in dieser Stadt beschreibt.“ Sein Wunsch sei es gewesen, so viele Menschen, wie Wien Einwohner hat, nämlich 1,8 Millionen, ins Haus zu locken – das sei schon mit Ende der vergangenen Saison gelungen. Bemerkenswert an diesem Schritt ist, dass der 61-jährige Theatermacher, Schauspieler und Regisseur, der schon vor seiner Direktionszeit am Volkstheater zu den prägenden Figuren der Wiener Szene zählte, von sich aus aufhört – offenbar ohne andere Jobs anzustreben. Das ist unter den Intendanten mittlerweile eine Seltenheit.

Bemerkenswert ist aber auch, dass es eines Aktes von Schottenberg selbst bedarf, um die Weichen für das Volkstheater neu zu stellen – denn vonseiten von Politik hatte man immer an ihm festgehalten, auch wenn vor allem anfangs der Gegenwind enorm war. Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) bedauerte in einer ersten Reaktion der Rückzug. „Michael Schottenberg hat das Volkstheater in den letzten acht Jahren mit großem Engagement und Erfolg geführt und die Theaterlandschaft Wiens maßgeblich geprägt. Er hat das Theater mit neuen vielfältigen Themen bereichert, insbesondere auch mit interkulturellen Schwerpunkten, und damit auch neue Publikumsschichten gewonnen“, sagte er.

Jetzt wird man aber nicht darum herumkommen, sich die Fragen zu stellen, was ein Volkstheater heute sein kann; wie man die finanzielle Ausstattung noch verbessern kann; und wie es doch zur von Schottenberg so intensiv geforderten Renovierung kommen soll. Die Position des Direktors wird schon in den nächsten Tagen ausgeschrieben.

Schottenberg legte seinen Job gleich von Beginn an sehr politisch an. Er ließ auf das Dach des Volkstheater einen roten Stern montieren (wie bei Frank Castorfs Berliner Volksbühne) und startete mit „Spiegelgrund“ und Johann Kresnik sehr ambitioniert und radikal.

Schon bald wurde es braver, die Retro-Ästhetik der 50er- bis 70er-Jahre zog sich durch. Abonnentenzahlen und Auslastung waren alles andere als zufriedenstellend. Mittlerweile hat sich das aber wesentlich gebessert, zuletzt konnte er eine Auslastung von 78 Prozent vermelden. Die neue Spielstätte Hundsturm hatte es schwer, sich in der Stadt zu etablieren. Schottenberg feierte in den vergangenen Jahren aber einige Erfolge, die seinen Haus auch „Nestroy“-Preise einbrachten. Er brachte auch das wichtige Thema Migration auf die Bühne.

Am 29. September hat seine Inszenierung von „Glorious“ mit Maria Bill in der Rolle von Florence Foster Jenkins Premiere. In der neuen Saison wird er noch Büchners „Woyzeck“ in der Bearbeitung von Robert Wilson sowie BrechtsArturo Ui“ inszenieren.

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