Michael Haneke in Cannes: Kein "Happy End“

Isabelle Huppert in Michael Hanekes "Happy End"
Michael Haneke hinterließ mit seinem Familienporträt "Happy End" ein zwiespältiges Publikum.

Vor fünf Jahren hatte Michael Haneke mit dem Sterbe-Drama "Amour" das Publikum in Cannes in Tränen aufgelöst und triumphal seine zweite Goldene Palme gewonnen. Mit seinem neuen, präzise kalkulierten Familienporträt "Happy End" hingegen erzielte er nicht diese emotionale Wucht. Stattdessen ließ er seine Zuseher in etwas leidenschaftsloser Zwiespältigkeit zurück.

Formal ist Hanekes "Happy End" von unfehlbarer Genauigkeit; seine aufgeräumten, exakten Bilder vermitteln eine Klarheit, in denen sich oft erst bei genauerem Hinsehen die Ereignisse verschleiern. Als der distanzierte Erzähler, der er ist, entwickeln sich nicht selten im Bildhintergrund überraschende Ereignisse oder finden Begegnungen statt, deren Bedeutung sich langsam erschließt. Wie so oft seziert Haneke dabei das großbürgerliche Milieu und dessen Liebes- und Alltagsrituale.

Als lose, quasi "innerliche" Fortsetzung von "Amour", dominiert wieder Jean-Louis Trintignant als alter Patriarch und Witwer ("Ich habe meine todkranke Frau erstickt") seine Familie: Wie in einer feudalen Version von "Denver-Clan" bewohnt er mit ihr ein grandioses Barock-Palais. Seine Tochter – die entschlossene Isabelle Huppert – führt das familiäre Bauunternehmen. Der Sohn – Mathieu Kassovitz als untauglicher Ehemann – arbeitet als Arzt. Gerade ist dessen Teenager-Tochter aus erster Ehe eingezogen: Ein seltsames Mädchen, das mit seiner Handy-Kamera andere Leute filmt und die außerehelichen E-Mails ihres Vaters liest.

Hundebiss

Jedes Familienmitglied ist in ein separates Drama verwickelt und kreist um die eigene Befindlichkeit. Wenn der Hund das Kind der Hausangestellten beißt, reicht Schokolade gegen den Schmerz. Verunglückte Arbeiter bekommen einen Scheck.

Haneke zersplittert sein Familienalbum in kleine, erzählerische Fragmente und setzt sie dann abrupt wieder zusammen. Er tut dies in großzügigen Verweisen auf den eigenen Werkkatalog, als eine Art "Best of Haneke": Von "Bennys Video" über "Caché" bis hin zu "Amour" finden sich Anspielungen und Eigenzitate, die aber nicht weiter getrieben werden – und das ist vielleicht auch das etwas Enttäuschende daran. Die bürgerliche Kälte und ihre Empathielosigkeit fordern den Regisseur erneut zu einer pessimistischen Diagnose heraus. Kein "Happy End" im Haneke-Universum.

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