#metoo: Die Chefin muss jetzt selbst ran

Erste Aufräumarbeiten: Kevin Spacey ist out, "House of Cards" lebt aber weiter – Robin Wright sei Dank.

Die Schockwellen der Debatte um sexuelle Belästigung, Übergriffe und Vergewaltigungen in Hollywood sind noch nicht abgeklungen, aber die Entertainmentbranche muss sich schon im Eiltempo am eigenen Schopf wieder hochziehen. Filme wollen gedreht, Serien produziert, Glanz und Glamour verbreitet werden.

Wochenlang wägte man etwa bei Netflix ab, wie man mit dem Aushängeschild "House of Cards" umgehen soll, nachdem der Star der Serie, Kevin Spacey, im Brennpunkt von Missbrauchsvorwürfen steht. Zunächst einmal feuerte man Spacey. Aber dann? Einstellen? Netflix entschied sich für einen klügeren Weg und hob Co-Star Robin Wright aufs Schild. Sie wird erneut in der Hauptrolle als Claire Underwood zu sehen sein, wie der Manager des Streamingdienstes, Ted Sarandos, auf einer Branchenkonferenz erklärte. Das passt glücklicherweise ins Drehbuch, denn am Ende der fünften Staffel hatte Claire Underwood ihren Komplizen und Ehemann Frank (Spacey) als US-Präsidentin abgelöst.

Wie genau das Verschwinden des früheren Hauptdarstellers in den weiteren Episoden gelöst wird, ist laut Netflix noch offen. Aber wozu zahlt man schon die Crème der Drehbuchautoren, wenn nicht für Einfälle abseits des Vorstellbaren.

Erstmals in der #metoo-Debatte ist damit eine Frau direkte Nutznießerin der oft widerwärtigen Geschichten über Männer, die ihre Triebe nicht im Griff haben. Wright war schon bisher die gleichberechtigte zweite Hauptfigur der sensationellen Serie .

Sie wird das Finale nun allein stemmen und niemand glaubt, dass die Darstellerin das nicht großartig hinbekäme. Viel mehr noch: Man gönnt dieses Solo im Rampenlicht sowohl der Schauspielerin als auch der Figur, die sie in der Serie darstellt.

Mächtige Männer

Die #metoo-Debatte war ins Rollen gekommen, als Berichte über jahrzehntelange sexuelle Übergriffe des mächtigen Produzenten Harvey Weinstein öffentlich wurden. Sie zeigten, wie widerwärtig sich mächtige Männer gegenüber Untergebenen verhalten konnten, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Über Soziale Netzwerke entdeckten immer mehr Menschen den Hashtag #metoo für sich. Und viele Frauen aus unterschiedlichsten Generationen und Gesellschaftsschichten brachen ein oft jahrelanges Schweigen über unerwünschte Nähe, sexuelle Gewalt oder einfach nur den Dauerbrenner der immer noch nicht abgeschafften Schlechterstellung von Frauen in Beruf und Gesellschaft.

Hollywood als Nukleus dieser globalen Awareness-Bewegung tut sich allerdings schwer mit der eigenen Vorreiter-Rolle. Man steht nämlich vor heiklen Herausforderungen: Die roten Teppiche für die Awards-Saison (von Golden Globes bis Oscars) werden gerade ausgerollt und die Society-Reporter werden diesmal nicht nur nach der Abendrobe oder dem Wetter fragen. Die großen PR-Berater, die Hollywood am Laufen halten, versuchen daher Strategien abzustecken, die sie ihren Klienten mit auf den Weg geben, berichtete die New York Times. Das Kalkül: Wer den Mund zu weit aufmacht, könnte auch bestraft werden, #metoo hin, Internet her. Denn das männlich dominierte Hochglanz-System Hollywood hält in seinen unveränderten Strukturen unsichtbare Fallstricke bereit.

Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences etwa, die die Oscars vergibt, besteht zu 72 Prozent aus Männern, 87 Prozent ihrer Mitglieder sind weiß. Was Schauspieler und Produzenten gewissermaßen vor die Wahl stellt, offen zu sagen, was falsch läuft (nämlich ein System, das von mächtigen, weißen Männern dominiert wird), oder brav zu nicken und sich nur ja keine Chancen auf eine Statuette zusammenzuhauen. Selbst wenn man den pragmatischen Weg der floskelhaften Oberflächlichkeit wählt, droht die Gefahr, sich beim Publikum unbeliebt zumachen, den zu viele Frauen sind in die Debatte eingestiegen und blicken erwartungsvoll nach Hollywood. Ein teuflisches Dilemma. Und wieder sind die Männer schuld.

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