Meschugge, so schön

Meschugge, so schön
Kritik: Lily Bretts „Chuzpe“ begeistert in den Wiener Kammerspielen

Wenn das kein Hit wird! Ein wundervolles Buch, eine kluge Bühnenfassung (von Regisseur Dieter Berner) und ein Otto Schenk zum NiederknienLily Bretts Roman „Chuzpe“ wird in den Wiener Kammerspielen zu einem bewegenden, hinreißend komischen Plädoyer für Mut und Lebensfreude.

Bällchen

Worum geht es? Der 87-jährige, rüstige Edek sucht nach langer Zeit seine erfolgreiche, aber frustrierte Tochter Ruth in New York heim. Im Schlepptau hat der jiddische Rentner (mit polnischen Wurzeln) zwei Polinnen. Und nachdem Edek in Ruths Büro kreatives Chaos gestiftet hat, will er mit Zofia und Walentyna ein Restaurant eröffnen. Es gibt: Polnische Fleischbällchen, und nicht nur Regisseur Steven Spielberg prügelt sich um einen Tisch in der neuen Location.
Mit dem Roman „You Gotta Have Balls“ (Originaltitel) hat die australisch-amerikanische Autorin Lily Brett (geboren 1946 in Deutschland) eine berührende Ode an die Menschlichkeit geschrieben. Regisseur Dieter Berner gelingt im tollen Video-Wall-Bühnenbild von Hyon Chu eine ebenso berührende Umsetzung.
Vor allem dank des grandiosen Otto Schenk, der diesen Edek mit so viel Kraft, Gespür, Sentiment und einer fast zärtlich-abgeklärten Altersweisheit spielt, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt. Schenk gibt diesen so gar nicht meschuggenen Edek mit hinreißender Grandezza und Bravour.
An seiner Seite: Die großartige Sandra Cervik in der vielleicht schönsten Rolle ihrer Karriere als extrem authentische, in all ihren Zwängen gefangene Ruth. Dieses Doppel überzeugt.
Und dann gibt es noch diese zwei „abgedrehten“ Polinnen: Grazyna Dylag als Zofia und Gabriele Schuchter als Walentyna rocken ganz New York und erst recht die Kammerspiele. Kompliment!
In Nebenrollen (und Video-Zuspielungen) gefallen Alexandra Krismer, Daniela Golpashin und Hausherr Herbert Föttinger als Ruths lakonischer Partner. Traumhaft.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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