Mehrere Augen auf ATV und eine Rüge für die Politik

Herbert Kloiber: "Mit wem wir sprechen, kommentieren wir nicht"
Herbert Kloiber: nichtösterreichische Interessenten prüfen ATV; Politik soll über "Einnahmen" von Werbefenstern nachdenken.

Die Medienpolitik hatte diese Woche Hochkonjunktur bei den Medientagen wie im Parlament. Für ATV-Eigner und Tele-München-Chef Herbert Kloiber (69) ist das die "übliche Aufgeregtheit" nach dem Urlaub. Er sieht im KURIER-Gespräch weiterhin seitens der Medienpolitik "nicht den Willen, eine verbesserte Rundfunkordnung oder gar ein ausgewogenes duales Rundfunksystem zu schaffen. Ganz zu schweigen vom Willen, über die nächsten zwei, drei Jahre hinaus gestalten zu wollen. Da orte ich die Vordenker eher in Brüssel." Er räumt aber ein: "Im Gegensatz zu seinem Vorgänger schafft es Medienminister Thomas Drozda, bei diesen Zusammentreffen auch tatsächlich zuzuhören."

Für neuen Impulse für privaten Rundfunk hält der 69-Jährige Medien-Mogul nicht nur weiterhin Werbebeschränkungen beim ORF für notwendig. Er fordert auch die Abschaffung der "unsäglichen Werbesteuer" und wünscht sich erhöhte ORF-Gebühren, die auch Privaten zugute kommen. "Und man könnte für Fördermittel über Einhebungen von deutschen Werbefenstern nachdenken, wovon ich durch RTL2-Anteile selbst betroffen wäre, das aber für gerechtfertigt halte."

ATV-Zukunft

Vor wenigen Wochen hatte Kloiber mit einem Handelsblatt-Interview für Aufsehen gesorgt, in dem er in einem Nebensatz von ATV als größten Fehler gesprochen hatte. Heute meint er, er habe damit nicht die Existenz von ATV in Frage gestellt und er habe aufrütteln wollen. "Ich habe ja auch nicht wie Herr Mateschitz erklärt, dass ich alle rausschmeiße und das Unternehmen schließe, weil es keine Freude mehr macht. Ich habe schon viel Verantwortungsgefühl für meine Leute, die über viele Jahre und große Strecken einen guten Job gemacht haben und machen. "

Es sei aber auch bei anderen Unternehmen auf der Welt so, dass ein Teil irgendwann in andere Hände geht. Und er "muss nur auch respektieren, dass mein Sohn mit Sicherheit weniger ATV schaut als ich und eher bei und mit Netflix und Amazon unterwegs ist, nicht zuletzt beruflich."

Und Kloiber weiter: "Auch wenn sich manche über die Art des Anbietens von ATV gewundert haben – ich bin geistig noch nicht benebelt." Im Nachgang des Interviews "haben sich drei, vier ernstzunehmende, nichtösterreichische Interessenten gemeldet. Die schauen sich ATV nun genau an. Ich bin zuversichtlich, dass ATV weiterexistieren wird und vielleicht eine neue Blüte mit frischem Geld und Impulsen erleben wird – nur wohl nicht mehr unter dem alleinigen Dach der Tele München Gruppe."

Interview-Langfassung

Mehrere Augen auf ATV und eine Rüge für die Politik

Herbert G. Kloiber und seine gemeinsam mit Constantin Film gegründete Wiener High End Productions sind Co-Finanziers von Roland Emmerichs erster TV-Serie

KURIER: Es war eine medienpolitisch intensive Woche mit Parlamentsenquete, Medientagen und aktueller Stunde im Nationalrat.

Herbert Kloiber: Es ist das wie immer die Aufgeregtheit der dritten September-Woche. Es sind jetzt alle aus ihren Urlauben zurückgekehrt in ihre Büros und denken, dass sich jetzt etwas bewegen muss. Vor allem betrifft das die immer dringlicher werdende Forderungsliste der Printmedien. Immerhin: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger schafft es Medienminister Thomas Drozda, bei diesen Zusammentreffen auch tatsächlich zuzuhören.

Es rührt sich also was, aber tut sich auch etwas, was Ihr Geschäft, also ATV, berührt?

Ich sehe noch nicht den Willen, eine verbesserte Rundfunkordnung oder gar ein ausgewogenes duales Rundfunksystem zu schaffen. Ganz zu schweigen vom Willen, über die nächsten zwei, drei Jahre hinaus gestalten zu wollen. Da orte ich die Vordenker eher in Brüssel. Da wird es dann ein paar Direktiven für Österreich geben, wobei man hierzulande das bisher gern dazu benutzt hat, zwischenzeitlich nichts zu tun.

Privatfernsehen oder privater Rundfunk sind also nur Randthemen in Österreich?

Erstaunlicherweise nimmt niemand Kenntnis davon, dass beispielsweise jeden Abend gut zweihunderttausend Menschen bei ATV Nachrichten konsumieren. Es sind auch die Arbeitsplätze in den Betrieben sowie jene bei Zulieferern außerhalb der Wahrnehmung der Politik.

Was wäre zu tun, um Impulse zu setzen?

Es wäre schon einmal eine große Entlastung für den privaten Rundfunk, würde man die unsägliche Werbesteuer abschaffen, die es für Online nicht gibt, obwohl dort das Wachstum zumindest prozentual weit vor TV liegt. Eine Umstellung der Gebühren, damit die auch privaten Rundfunk fördern, wäre wünschenswert. Wobei ich jetzt nicht sage, dass die Haushaltsabgabe in Deutschland gut funktioniert. Und man könnte für Fördermittel über Einhebungen von deutschen Werbefenstern nachdenken, wovon ich zwar durch die RTL2-Anteile auch selbst betroffen wäre, was ich aber für gerechtfertigt halte. Das werden in Summe hunderte Millionen ins Ausland transferiert ohne große Gegenleistung in Österreich. Dabei wird immer gern darauf verwiesen, dass das nicht EU-konform sein könnte – als ob man sich davor fürchten müsste.

Bei der RTL-Gruppe existiert tatsächlich keine. Die ProSieben-Gruppe hat immerhin Puls4, auch wenn die Ausgaben dafür deutlich unter den Einnahmen aus den Werbefenstern liegen.

Und die bekommen ja auch noch Förderungen ähnlich wie wir bei ATV für Nachrichten, Dokus usw. Das sind jährlich so etwa zwei Millionen. Das klingt nach viel, aber in Vergleich zu den Kosten eines Fernsehsenders, die bei uns beim 20-fachen liegen, ist es das aber nicht.

In den vergangenen Wochen war der ORF nicht zuletzt durch die Wahlen dort ein Thema. Da wurden wieder Forderungen nach einer Gesetzesreform laut.

Wenn man eine ORF-Reform angeht, dann muss bei dieser Gelegenheit auch über eine Werbegrenze um 20 Uhr nachgedacht werden. Die gibt es in allen zivilisierten Ländern für den allseits wohldotierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Eine solche Verknappung des Werbeangebots stützt auch die Preisstabilität bei den Werbetarifen, was wichtig wäre. Jetzt kann der ORF ja fast uferlos werben samt Product Placement und extensiver Überschreitung von Werbegrenzen, weil deren Kontrolle ja fast nicht möglich ist.

Das sind viele Themen, die alle Jahre wieder aufs Tapet kommen. Ermüdet das als Privat-TV-Macher nicht irgendwann?

46 Berufsjahre gehen nicht spurlos an einem vorbei, zumal wenn man bedenkt, dass all das, was jetzt Privat-TV ausmacht, im deutschsprachigen Raum damals gar nicht existent war. Und was Österreich betrifft: Es ist schon erheiternd, dass Herr Mateschitz seinen Sender ServusTV in gewisser Weise von der Wirtschaftskammer geerbt hat und ich ATV vom ÖGB. Das ist in medienhistorischer Hinsicht aufschlussreich, wie hierzulande Privatfernsehen gewollt wurde.

Weil es in Wirklichkeit nicht gewollt wurde.

Es gab Kanzlerschaften, in denen das Thema privater Rundfunk regelrecht tabuisiert hat, was sich bis in die Gegenwart heraufzieht. Ermüdend sind endlose Diskussionen zu ewig gleichen Themen samt zugehöriger Zurufe von Seiten, von denen man sie nicht braucht - jetzt soll ja auch noch die FPÖ mit medienpolitischen Überlegungen kommen. Aber während wir noch herumkeppeln wegen vier, fünf Millionen Förderung für Private, tun Netflix, Google und Co schon längst, was sie wollen. Mittlerweile stellen die Reibungspunkte zwischen Privat und Öffentlich-Rechtlich deshalb auch gar nicht mehr im Zentrum der Diskussion.

Hat sich privater Rundfunk durch diese neuen Konkurrenten überlebt?

Das Privatfernsehen ist ein grundsolides Geschäftsmodell. Es funktioniert überall dort, wo die Rahmenbedingungen ordentlich sind. Die bedürfen natürlich einer gewissen intellektuellen Anstrengung und vor allem des politischen "Willens".

Das Problem Österreichs, heißt es immer, sei der gemeinsame Sprachraum mit Deutschland.

Im Grunde ist die Situation in Österreich nicht anders als zwischen Kanada und den USA – dort hat man das Problem des gleichen Sprachraums schon vor 50 Jahren in den Griff bekommen. Kanada ist als Produktionsstandort wie mit den Privaten und dem Öffentlich-Rechtlichen sehr erfolgreich.

Man müsste das Rad demnach nicht neu erfinden?

Überhaupt nicht. Es gibt auch in Europa ähnliche Problemlagen etwa mit Belgien und Frankreich. Es ist durchaus möglich, eine für die Identität eines Landes wichtige Rundfunklandschaft zu schaffen. Wobei das allerdings auch durch die jüngsten Ideen der EU-Kommission wieder überholt werden könnte.

Sie haben ATV in einem Interview als Last dargestellt, was bräuchte es, dass Sie darauf wieder Lust bekommen?

Ich habe in dem Interview, auf das Sie anspielen, im Grunde nur einen Satz gesagt: Das Portfolio, das ich meinem Sohn übergeben möchte, will ich so weit in Ordnung bringen, dass Problemzonen besonderer Art nicht darin vorkommen. Denn es werden, dafür sorgt die weltweite Entwicklung, neue Problemzonen in anderen Teilen der Tele München Gruppe kommen, die er dann bewältigen wird müssen. Da braucht es keine chronischen Fälle, wie den Aufbau eines dualen Rundfunksystems im 18. und 19. Jahr in Österreich.

Es geht also nicht um die Existenz von ATV?

Die habe ich, denke ich, nie in Frage gestellt. Es ist aber bei hunderten Unternehmen auf der Welt so, dass man irgendwann den einen oder anderen Teil in andere Hände gibt. Wir befinden uns in Österreich mit ATV in einer Stand-Alone-Situation – wobei wir über die Programminhalte ja eine Rückkoppelung zur Mutter TMG haben. Für den Werbemarkt gilt das jedoch. Aber es gibt andere, die auch global anders aufgestellt sind. Auch wenn sich manche über die Art des Anbietens von ATV gewundert haben – ich bin geistig noch nicht benebelt.

Gibt es Interessenten?

Im Nachgang dieses Interviews, das eigentlich ein persönliches Gespräch über die Zukunft der Tele München Gruppe sein sollte, haben sich drei, vier ernstzunehmende, nichtösterreichische Interessenten gemeldet. Die schauen sich ATV nun genau an. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Unternehmen ATV weiterexistieren wird und vielleicht einen neue Blüte mit frischem Geld und Impulsen erleben wird, nur wohl nicht unter dem Dach der Tele München Gruppe.

Sie haben in Ihrem Leben ja schon einiges ge- und verkauft. Legendär ist Ihr Deal mit tm3.

Gekauft, verkauft oder auch wieder gestartet wie bei Tele5. Ich glaube einfach, dass es bei ATV an der Zeit ist, zu sagen, das soll jetzt jemand anderer machen. tm3 wiederum war einer der lustigeren Deals: Es gab damals am 1. Mai 1999 den Kauf der TV-Rechte an der Champions League für vier Jahre um damals eineinhalb Milliarden Schweizer Franken – Beckenbauer hatte seine Finger übrigens nicht im Spiel (lacht). Das war damals eine große Überraschung für die Player am Markt. Uns gab das die Möglichkeit, diesen Sender, der sonst Strickkurse gezeigt hat, mitsamt dem Fußball an die News Corp von Rupert Murdoch zu verkaufen. Ähnliches haben wir auch mit dem ersten Tele5-Sender getan, der an Herrn Kirch ging und zum Sportsender wurde.

Dann kann man damit rechnen, dass Ihnen auch zu ATV ein Deal einfällt.

Eingefallen ist mir da schon das eine oder andere – ich bin nicht dafür bekannt, unüberlegt zu agieren. Mit dem einen Satz in der St. Florianer Basilika wollte ich auch ein wenig aufrütteln und klar machen, dass nicht alles Gott gegeben ist. Ich habe ja auch nicht wie Herr Mateschitz erklärt, dass ich alle rausschmeiße und das Unternehmen schließe, weil es keine Freude mehr macht. Ich habe schon viel Verantwortungsgefühl für meine Leute, die über viele Jahre und große Strecken einen guten Job gemacht haben und machen.

Also gibt es noch so etwas Spaß an ATV?

Mir persönlich macht ATV viel Spaß, ich schaue fast immer die Nachrichten um 19.20 Uhr, sehe auch anderes auf DVD oder live und kann damit viel anfangen. Mich interessiert auch die Entwicklung bei einen einzelnen Moderatoren. Ich muss nur auch respektieren, dass mein Sohn mit Sicherheit weniger ATV schaut als ich und eher bei und mit Netflix und Amazon unterwegs ist, nicht zuletzt beruflich. Und ob ATV bei der dritten Bundespräsidenten-Wahl die Konfrontation der Spitzenkandidaten mit oder ohne Moderator macht oder es die erste vor allen anderen ist, ist meinem Sohn, wie ich meine zurecht, nicht wichtig.

Wie soll es weitergehen?

ATV muss am Werbemarkt Teil eines Verbunds werden, so dass man mit den Großen auch auf Kundenseite mithalten kann. ATV bekommt jedes Jahr in etwa das Gleiche an Werbespendings, weil die Performance in der Primetime ja sehr ordentlich und in der Zeitzone zwischen 18 und 22 Uhr sogar hervorragend ist. Nur genügt das netto und mit ein bisserl Förderung und Teleshopping nicht, um eine schwarze Null zu schreiben. Das liegt, womit sich der Kreis schließt, auch an den Möglichkeiten des ORF bei der Werbung – wie wir auch beim Teletest am ORF hängen oder bei der Verbreitung über dessen ORS, wo wir viel Geld lassen.

Danke für das Gespräch.

Stichwort ATV
Als erster österreichweiter Privatsender ging ATV 2003 auf Sendung, 2011 folgte ATV2. Sie sind Teil der Tele München, dem Film- und TV-Imperium des Österreichers Herbert Kloibers. ATV erreicht im September laut Sender-Angaben in der Primetime 6,3 % Marktanteil, mit ATV2 sind es 7,2 %. Das ist Platz 2 unter den Privaten hinter ProSieben. Die aktuellen Publikumshits: „Bauer sucht Frau“, „Hubert und Staller“, „Pfusch am Bau“.

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