Medientage 2016: Waffen gegen "Silicon-Valley-Giganten" gesucht

vlnr.: Alexander Wrabetz (ORF), Thomas Kralinger (VÖZ), Reinhard Göweil (Wiener Zeitung), Thomas Drozda (BM für Kunst, Kultur, Verfassung und Medien) und Markus Breitenecker (ProSieben Sat1. PULS 4)
"Verzerrter Markt" und "Zeitungen", die "nah verwandt mit Langspielplatten" sind. Die Österreichischen Medientage 2016.

Die Pläne von SPÖ-Medienminister Thomas Drozda, Plattformen per Werbeabgabe zur Kasse zu bitten, kamen bei den Österreichischen Medientagen gut an. Das zeigte sich bei der abschließenden, prominent besetzten Diskussion an Tag eins der Medientage. Denn eine Frage quält die Medienmanager am Dienstag bei den 23. Medientagen am Campus der Wiener Wirtschaftsuni ganz unabhängig von der Debatte über Subventionen und Gebühren: Wie den "Silicon-Valley-Giganten", allen voran Facebook, Paroli zu bieten ist.

Social-Media-Plattformen sollten entweder in die Werbeabgabe einbezogen oder diese Steuer ganz abgeschafft werden, meinte Thomas Kralinger, KURIER-Geschäftsführer und Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ). "Da ist einfach keine Marktfairness gegeben. Ich finde den Gedanken sehr erfrischend. Wie schnell er zu realisieren ist, das kann ich im Moment nicht beurteilen."

Breitenecker für ein österreichisches oder europäisches "Facebook-Projekt"

Markus Breitenecker, Geschäftsführer von ProSiebenSat.1 PULS 4, würde noch viel weiter gehen. Die Debatte um die Erhöhung der Presseförderung ist seiner Ansicht nach ohnehin eine über "Peanuts". Fasse man das gesamte Volumen der Branche - inklusive ORF-Gebühren - zusammen, stünde eine Milliarde zur Verfügung. Und die sollte man in die Hand nehmen, um ein österreichisches oder europäisches "Facebook-Projekt" zu entwickeln. Denn Europa befinde sich in einem "Wirtschaftskrieg, in einem Kampf mit Amerika über die Medienzukunft" gegen die "Silicon-Valley-Giganten".

"Jetzt ist es dafür wahrscheinlich ein bisschen spät", konterte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der sich überhaupt auf einen lustvollen Schlagabtausch dem alten Konkurrenten Breitenecker einließ. Die Rundfunkgebühr sei keine Förderung wie die Presseförderung. "Es wäre eine Zerschlagung des ORF, wenn man die 600 Millionen Gebühren aufteilt", warnte er. Die Werbeabgabe als Ansatzpunkt begrüßte er, sah aber eine schwierige Aufgabe angesichts der "Lobbyingpower" der Medienkonzerne.

Nicht einig war sich die Runde, ob man auf europäischer Ebene versuchen sollte, Facebook und Co. als klassische Medien einzustufen.

"Nicht schlüssig" findet es Drozda übrigens, dass mit den ORF-Gebühren auch - in den meisten Ländern - eine Bundesländer-Abgabe eingehoben wird. Dies sei "historisch begründet - begründbar ist es nicht", sieht der Minister "im Grunde genommen ein bequemes frei Haus geliefertes Körberlgeld für die Aktivitäten einzelner Bundesländer". Er betrachtet das als "Austriacum und als solches seltsam".

Was tun mit der Zeitung?

Die Zukunft der gedruckten Zeitung beschäftigte sowohl klassische Zeitungsverleger als auch Macher von Digitalmedien. Während für Oliver Eckert von Burda Forward "Zeitungen nah verwandt mit Langspielplatten" sind, sang der Vorarlberger Verleger Eugen Russ ein Loblied auf die gedruckte Zeitung. Sie biete dem Leser in wenigen Minuten einen Nachrichtenüberblick: 800 Meldungen auf 36 Seiten, durchgeblättert in fünf bis sieben Minuten - kein Internetbrowser biete einen so schnellen Überblick wie die Zeitung, sagte Russ. "Die Zeitung ist der ultimative Browser."

"Zukunft nicht verdrängen"

Der Digitalchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mathias Müller von Blumencron, sagte, es sei nicht relevant, in welcher Form Journalismus erscheint. Das klassische Zeitungsgeschäft zu schützen, kommt demnach nicht infrage. "Wir können die Zukunft nicht verdrängen", so der deutsche Medienmacher. Die Verlage müssten lernen, digital zu verkaufen.

Der Tiroler Verleger Hermann Petz, Chef der Moser Holding, zu der auch die Tiroler Tageszeitung gehört, stellte klar, dass die gedruckte Zeitung im Regionalbereich noch immer eine große Rolle spielt. Die Moser Holding sei weiterhin mit einer guten Rendite ausgestattet. Russ, dem unter anderem die Vorarlberger Nachrichten gehören, unterstrich das. Print mache in seinem Hause etwas mehr als 50 Prozent aus und sei sehr profitabel.

Google, Facebook und Co. als größte Konkurrenz

Eckert warnt allerdings davor, das alte Geschäft zu verteidigen. "Es muss längst schon radikal digitalisiert werden", so der BurdaForward-Chef. Medien müssten selbst "disrupten", weil sie seit Jahren stark "disrupted", also verdrängt, werden. "Facebook und Google sind unsere größten Mitbewerber." Eckert glaubt, dass man mit digitalem Journalismus auch ohne Paywall eine Menge Geld verdienen kann. Zwar seien Printprodukte noch hochwertiger als Digitaljournalismus, räumte er ein, er geht aber davon aus, dass die Qualität steigen wird. In den USA habe etwa die Huffington Post einen Pulitzer Preis gewonnen, erinnerte Eckert.

Russ wies hingegen daraufhin, dass selbst die Huffington Post Stellen abbaue. Das Problem sei die schiere Größe von Technikriesen wie Google und Faceboook, mit deren Skaleneffekten Verleger und Medienunternehmen nicht mithalten könnten. Seine Lösung ist, einzigartige Inhalte anzubieten und dafür auch im Internet Geld zu verlangen - Stichwort Paid Content. Denn: "Warum sollten die Leute dafür zahlen, was woanders gratis verfügbar ist?"

News Media Alliance

Dass die Veränderungen der Medienbranche auch vor dem Verband Österreichischer Zeitungen nicht halt machen werden, ist VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger bewusst. In den USA habe sich der Zeitungsverband bereits in News Media Alliance umbenannt. Der VÖZ, "wie er auch immer heißen mag", sei bereits dabei, sich breiter aufzustellen. Die Digitaltöchter der Zeitungen und andere Mediengattungen seien schon Mitglieder im VÖZ, sagte Grünberger.

Vor der Debatte zur Zukunft der gedruckten Zeitung rief Veranstalter und Gastgeber Hans-Jörgen Manstein in seinen Einleitungsworten die Medienlandschaft zu einer Qualitätsdebatte auf. Es war dies nach zehn Jahren Mansteins letzte Eröffnungsrede auf den Medientagen. Ab dem nächsten Jahr übernimmt Oliver Stribl, Geschäftsführer des Manstein Verlags.

Miriam Meckel: "Der neue Kampf um die Wahrheit"
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APA/GEORG HOCHMUTH
23. ÖSTERREICHISCHE MEDIENTAGE: MECKEL
ABD0040_20160920 - WIEN - ÖSTERREICH: Miriam Meckel, Chefredakteurin der WirtschaftsWoche, am Dienstag, 20. September 2016, während ihrer Rede zum Thema "Freie Radikale - Das Internet, der Marktplatz der Ideen und der neue Kampf um die Wahrheit." im Rahmen der 23. Österreichischen Medientage in Wien. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

In der Eröffnungsrede zuvor sprach Miriam Meckel über "Freie Radikale - Das Internet, der Marktplatz der Ideen und der neue Kampf um die Wahrheit".

Das Medienbusiness ist ein "verzerrter Markt der Meinungen und Ideen" geworden. Diese durchaus ernüchternde Diagnose kam von WirtschaftsWoche-Chefredakteurin Meckel. Ihr Rezept: "Wir müssen uns mit diesen Dingen auseinandersetzen, auch, wenn sie uns nicht schmecken." Statt des lange angenommen "freien Marktplatzes der Ideen" greife in der Realität die "Instant-Ideologie" um sich, analysierte Meckel die Folgen des Medienwandels für Journalismus und Gesellschaft. Die technischen Möglichkeiten treiben eine "Verhärtung der Positionen" voran.

"Demokratie-Hacking"

Wobei man sich nicht einmal sicher sein könne, dass die Meinungsmache im Netz von Menschen komme, verwies sie auf die Gefahr des "Demokratie-Hackings" durch Fake Followers und Bots. "Algorithmen operieren immer nach dem Kriterium der Masse", doch ein solches Massenprinzip sei "eigentlich nicht kompatibel" mit einem demokratischen System, das auf die Vielfalt der Meinungen setze.

Phänomene wie "Bestätigungsverzerrungen" und das Zurückziehen der User in ihre "Echokammern" in sozialen Netzwerken - wo sie nur mehr ihnen Genehmes wahrnehmen - führe zu "einem relativ kurzsichtigen Blick auf das Leben um uns herum". Die User zögen sich in einen "Schützengraben" zurück, in dem jedes Gegenargument abgewehrt werde. "Das ist tödlich für eine demokratische Auseinandersetzung."

Journalisten und Medien müssten sich dieser Mechanismen bewusst werden und vor allem Verständnis für die Prozesse und Möglichkeiten der digitalen Meinungsmache aufbauen, riet Meckel der versammelten österreichischen Branche: "Wir müssen besser verstehen, wie die technischen Mechanismen von Meinungsproduktion im Internet verlaufen."

Eigenen Blick hinterfragen

Zugleich dürfe man nicht warten, "bis populistische Bewegungen wieder verschwinden". Die Redaktionen täten gut daran, "immer wieder den eigenen Blick zu hinterfragen". Denn Meckel ortet bei den etablierten Medien auch den "Unwillen zur Empathie und zum Perspektivenwechsel". Es sei eine Falschannahme zu glauben, dass alle Menschen Medien als unverzichtbar für die Gesellschaft betrachten: "Jeder, der sich als selbstverständlich betrachtet, wird faul und innovationsmüde", so Meckels Warnung. Und auch der "schlimme Vorwurf" der "Lügenpresse" dürfe nicht einfach ignoriert werden: "Wir müssen uns damit auseinandersetzen - sonst machen wir uns angreifbar."

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